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Nachdem die Ausdauer trainiert wurde, folgt der Kräftigungsteil auf der Matte. Foto: Louisa Grewe
Nachdem die Ausdauer trainiert wurde, folgt der Kräftigungsteil auf der Matte. Foto: Louisa Grewe
Integration durch Sport

„Hey, das bedeutet mir was!“

Während auf politischer Ebene noch über Methoden der Integration diskutiert wird, findet diese an vielen Orten in Eimsbüttel bereits statt. Die Vereine im Bezirk sorgen durch Sportangebote für Kontaktmöglichkeiten zwischen alten und neuen Eimsbüttelern. Wir haben uns in den Kursen umgeschaut und mit den Verantwortlichen über Erfolge und Probleme geredet.

Von Louisa Grewe

Sonntagvormittag in der Sporthalle des ETV. Aus den Lautsprechern tönt laute Popmusik. 20 Körper bewegen sich im Rhythmus der Musik durch die lichtdurchflutete Halle. Vorn steht Trainerin Eva Schramm, die gut gelaunt Bewegungen vormacht. Die Gruppe macht sie nach. „Noch 3,2,1 und auf rechts.“ Die Trainerin ruft ihre Anweisungen routiniert durch die Halle. Allerdings verstehen nicht alle genau, was sie sagt. Sechs Frauen in der rechten hinteren Ecke können nur den Bewegungen der Trainerin folgen. Sie kommen aus der Zentralen Erstaufnahme in der Kieler Straße.

Es sei ein „harter Kern“ von rund sieben Mädchen, die regelmäßig dabei sind, sagt Eva Schramm. Ganz wenige von ihnen sprechen gutes Englisch, kaum eine Deutsch. Doch beim Sport mache das nichts. Es gehe darum, „dass du nachmachst, da braucht man auch keine Sprachkenntnisse“. Nach ein paar Wochen regelmäßiger Teilnahme würden „die Mädels“ sich immer mehr öffnen und sich sicherer fühlen. Sie merken, dass im Verein viele ihnen wohlgesinnte Menschen sind, sagt Schramm. Zwar hindere die Sprachbarriere sie, auf die anderen im Kurs zuzugehen, doch freuten sie sich, wenn es andere tun. „Seitdem die Mädels bei mir im Kurs sind, habe ich selber viel mehr Spaß dabei“, erzählt Schramm, „sie sind so glücklich und strahlen“. Das positive Feedback werde zwar nicht ausgesprochen, aber sie könne das sehen. Sie vermitteln ihr: „Hey, das bedeutet mir was.“

Bewegen in drei Sprachen

Im November letzten Jahres startete der Verein das Sportprogramm Refugees@ETV, das gleichzeitig mit dem sozialen Netzwerk Eimsbüttel hilft der Eimsbütteler Nachrichten gestartet wurde. Das Kursangebot wurde von der zuständigen Arbeitsgruppe neben Deutsch auch in Arabisch und Englisch verfasst. Die Flyer werden direkt in Flüchtlingsunterkünften verteilt. Der ETV öffnet reguläre Kurse für Flüchtlinge, an denen diese kostenfrei teilnehmen können. Lediglich ein Kurs sei nur für diese spezielle Zielgruppe. Dem ETV geht es in erster Linie darum eine Möglichkeit zu schaffen, gemeinsam Sport zu machen ohne Unterscheidung aufgrund der Herkunft. Einerseits schaffe es der Verein so, die Flüchtlinge aus „den Unterkünften rauszuholen und ihnen eine Aufgabe zu geben“. Auf der anderen Seite profitierten davon auch alle anderen Mitglieder und Berührungsängste würden abgebaut, sagt Eva Schramm.

Im Januar zog der ETV zum ersten Mal Bilanz. Rund 125 Flüchtlinge nehmen jede Woche an den Sportkursen teil. ETV-Vorstandsvorsitzender Frank Fechner erzählt, dass es von den meisten Vereinsmitgliedern „ganz viel Zuspruch“ gebe. „Nach anfänglichem Fremdeln finden die das sehr gut und fühlen sich als Teil der Flüchtlingshilfe.“ Nur manchmal seien die Verantwortlichen mit Reaktionen konfrontiert, die „weniger positiv“ sind, wie Fechner sich ausdrückt. „Schwierige Themen dürfen wir nicht beiseite lassen.“ Er sei davon überzeugt, dass jeder seine Vorbehalte äußern dürfe, andernfalls bestehe für den Verein das Risiko, diese Menschen als Mitglieder zu verlieren. In der Regel sei es in den Kursen aber „immer sehr gut und fair und vor allem mit viel Humor“ gelaufen. Auch Eva Schramm bestätigt, dass ausländerfeindliche Stimmen Einzelfälle sind. Zwar kommunizierten diese Menschen ihre Kritik „nur“ in ihre Richtung, doch bemerke sie, dass trotz Sprachhürde auch die Flüchtlinge solche Äußerungen bemerken. Seit das Programm im November 2015 angelaufen ist, seien es allerdings „erst“ zwei gewesen, die dahingehend auf sie zugekommen seien. „Ganz viele finden das total toll.“

Nachdem die Ausdauer trainiert wurde, folgt der Kräftigungsteil auf der Matte. Foto: Louisa Grewe
Einfach nachmachen. Foto: Louisa Grewe

 Mit Händen und Füßen

Ein paar Kilometer weiter bietet auch Grün-Weiß Eimsbüttel Sport für Flüchtlinge an. Dabei ist die Idee für GWE nicht neu: Der Sportverein biete schon seit längerer Zeit Fußball für diese Zielgruppe an, erzählt uns Geschäftsführer Jürgen Hitsch. Er sehe im Sport Möglichkeiten, in „Hülle und Fülle“ Kontakte zu und in die Gesellschaft aufzubauen. Beim GWE fügen sich die Flüchtlinge in bereits bestehende Mannschaften ein. „Es gibt bewusst kein Extra-Angebot nur für Flüchtlinge. Integration von Anfang an ist von uns gewünscht“, sagt Hitsch. Die Kommunikation funktioniere mit einigen auf Englisch, aber sonst „mit Händen und Füßen“. Für wichtige Gespräche würden die Betreuer aus den Wohngruppen dazukommen. Mit der Zeit klappe es immer besser mit der Verständigung. Die Flüchtlinge gäben sich „größte Mühe“ mit der fremden Sprache.

Die anderen Sportler im Verein reagierten „durchweg positiv“ und freuten sich über die neuen Mitspieler, so Hitsch weiter. Zwar seien die Jüngeren am Anfang schockiert über die Geschichten der Flüchtlingskinder gewesen, nach einem aufklärenden Gespräch mit den Kindern gab es jedoch „kein Problem mehr“. In den Mädchenmannschaften seien es rund zehn Sportlerinnen, die regelmäßig kommen. In der männlichen A-Jugend seien mittlerweile sieben Jungs fester Bestandteil der ersten Fußballmannschaft, erzählt Hitsch. Neben ersten Kontakten in die Nachbarschaft sorge der Sport auch dafür, dass Aggressivität und Stress abgebaut werden können.

Mini-WM für Kinder

Andere Zeit, anderer Ort: Mohammed schießt ein Tor und jubelt. Moritz rennt Freude strahlend hin und die beiden klatschen sich ab. Die zwei spielen in einem Team und sind drauf und dran zu gewinnen. Jetzt hat Soraya den Ball und steuert grinsend aufs Tor zu. Dort steht Ben lauernd und wartet auf den Schuss des Mädchens. Am Rand des großen Fußballplatzes stehen die Eltern und Geschwister der Kinder. Alle fiebern mit.

Eine Szene, wie Inga Olfen sie bei einem Willkommensturnier für Flüchtlinge Mitte Dezember beobachtete, das der HEBC veranstaltete. Den Kindern könnte mithilfe des Fußballs in fremder Umgebung einfach Spaß bereitet und ganz nebenbei vielleicht sogar ihre Stärken bewusst gemacht werden. Insgesamt 30 Jungen und Mädchen zwischen sieben und 14 Jahren aus der Unterkunft in der Kieler Straße lud der Verein ein. „Wir wollten ein Angebot für unsere direkte Nachbarschaft schaffen“, sagt Inga Olfen, eine der Initiatorinnen des Turniers. In den Flüchtlingseinrichtungen würden wenige Angebote für die Kinder gemacht. Bei dem Turnier spielten die Kinder aus der Unterkunft mit denen des HEBC in gemischten Teams eine Mini-WM, erzählt Olfen. Es sei „rührend“ gewesen: „Unsere Kinder haben die Verantwortung übernommen, sich um die neuen Mitspieler zu kümmern. Es ging nicht mehr nur ums Gewinnen. Am Ende waren alle stolz und strahlten.“ Olfen gehe es mit diesem Angebot vor allem darum, Kinder mithilfe des Sports zueinander finden und voneinander lernen zu lassen. „Diese Kinder würden sich sonst vielleicht nie treffen.“

Es mischten sich Jungen und Mädchen verschiedener Altersgruppen. Foto: Friederike von Vultejus
Es mischten sich Jungen und Mädchen verschiedener Altersgruppen. Foto: Friederike von Vultejus

Was ursprünglich als einmalige Aktion beim HEBC startete, wird Anfang April wiederholt. Die Kinder seien „voller Freude“ gewesen nach dem letzten Turnier, erzählt Olfen und hätten sofort gefragt, wann sie wiederkommen könnten. „Das letzte Turnier hat auch uns unheimlich Spaß gemacht und wir freuen uns auf die Wiederholung“, sagt Olfen im Hinblick auf die vielen Eltern, die die Umsetzung des Turniers ermöglichten. Neben einer Neuauflage der Mini-WM wird es beim HEBC zukünftig auch ein dauerhaftes Angebot für Flüchtlinge geben: Ein Trainerteam wird vermutlich ab April an einem Nachmittag in der Woche ein offenes Fußball-Training für alle interessierten Kinder geben. Es könne in diese Richtung noch deutlich mehr gemacht werden, der HEBC versuche, seinen Möglichkeiten entsprechend, einen Beitrag zur Integration der Flüchtlinge zu leisten, so Olfen.

„Bewegung ist das, was zählt“

Erneuter Ortswechsel: In der Sporthalle Döhrnstraße wird Völkerball gespielt. Nachdem die Mannschaften eingeteilt wurden, geht es los. Begeistert jagen die kleinen und großen Sportler den Bällen nach. Nächsten Samstag steht Turnen auf der Tagesordnung. „Sport am Samstag“ heißt dieses Angebot vom Verein Herzliches Lokstedt. Alle Angebote seien bewusst für alle Interessierten offen gestaltet, erzählt Anne Thaker. Nicht nur Flüchtlinge, sondern auch Nachbarn und Ehrenamtliche sind zu den Veranstaltungen eingeladen. „Wir wollen, dass es sich durchmischt, denn nur so entsteht Integration.“ Von allein laufe das Angebot nicht immer, man müsse hinterher sein und immer wieder motivieren, so Thaker. „Einheimische nehmen unsere Angebote am schlechtesten an – leider.“ Ihr Ziel sei, dass sich verschiedene Menschen kennenlernen. Die Angebote eigneten sich dafür gut, weil sie eine „niedrigschwellige“ Begegnung ermöglichen. Sie hoffe, dass sich die Menschen nach einigen Treffen auch privat verabreden.

„Bewegung ist das, was zählt für diese Menschen. Sie haben einen unheimlichen Bewegungsdrang“, sagt Anne Thaker. Und sie fügt hinzu: „Etwas bei dem die ganze Familie, Erwachsene und Kinder zusammen Sport machen können, gibt es bisher so in Lokstedt nicht.“

Mit einer helfenden Hand schafft es jeder auf die Matte. Foto: Herzliches Lokstedt
Mit einer helfenden Hand schafft es jeder auf die Matte. Foto: Herzliches Lokstedt

Sport öffnet Türen

Sebastian kümmert sich samstags um das Fußballangebot von Herzliches Lokstedt, das der Verein in Kooperation mit Eintracht Lokstedt anbietet. Das Angebot läuft nun seit gut einem Jahr und wird sehr gut angenommen. Er spiele selbst mit und auch seine beiden Kinder seien meistens dabei. „Wir haben alle immer eine große Menge Spaß“, erzählt er. Immer wieder gebe es Kontakt zwischen Flüchtlingen verschiedener Unterkünfte, das sei ein wichtiger Zugewinn. Und auch zwischen den teilnehmenden Eimsbüttelern und den neuen Nachbarn gebe es vertiefte Kontakte. Man gucke abends gemeinsam Fußball, rede über „Gott und Welt“ und auch über Probleme des Alltags. Die Kinder treffen sich auch privat zum Fußball spielen, sagt Sebastian. Ob Sport integrativ wirke, wisse er nicht. Aber dass es auf dem Platz einen guten sportlichen Austausch gebe und sich Menschen mit unterschiedlichen Geschichten so begegnen können, erlebe er jeden Samstag.

„Die Sprache des Sports ist international, da muss man nicht viel reden“, sagt Sebastian. „Man jubelt gemeinsam und klatscht sich gegenseitig ab“, dafür müsse kein Flüchtling einwandfreies Deutsch sprechen.

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