Geschmack kennt keine Grenzen
Das temporäre Restaurant „Juwelier des Ostens“ feiert Bergfest. Insgesamt fünf Wochen kochen Geflüchtete Gerichte aus ihrer Heimat. Anfang August haben der Projektleiter Filomeno Fusco und seine Crew die Restauranttüren in Eimsbüttel geöffnet und wurden überrannt.
Von Lina BelingOrientalische Klänge erfüllen das kleine Lokal in der Weidenallee, die Tische sind mit buntem Geschirr eingedeckt. In der offenen Küche bereiten Köche die Speisen für den Abend vor, der Geruch von Koriander, Kreuzkümmel und Knoblauch liegt in der Luft. Denn seit Anfang August findet hier jeden Tag eine Rundreise statt: Mal geht es nach Syrien, dann nach Afghanistan, in den Libanon, den Iran oder für ein paar Stunden nach Eritrea. Taboule, Fatousch, Lamm in Spinat und Halloumi auf Wassermelone – Die Gäste bleiben mitten in Eimsbüttel und sind kulinarisch doch ganz weit weg. Die Reiseziele wechseln täglich. Zubereitet werden die verschiedenen Gänge von einer Crew aus Berufsgastronomen und Neuhamburgern. Ganz bewusst werden Geflüchtete im Projekt als Neuhamburger bezeichnet, denn hier sind sie einfach Köche. Seit dieser Woche kümmert sich ein Zuckerbäcker aus Damaskus um die Desserts. Die Eimsbütteler scheinen begeistert, der Laden ist jeden Abend voll.
Gerichte aus der Heimat
„Ich bin wirklich überrascht, dass die Restaurantbesucher unser Essen so mögen“, sagt Saif strahlend. Der junge Syrer ist von Anfang an dabei und hat zusammen mit der Gruppe das Menü entwickelt. „Menschen aus Eritrea, Afghanistan, Syrien, Deutschland – wir haben gemeinsam überlegt, wie wir die Speisen anrichten und kochen zusammen. Das ist das Schöne daran“, so der 20-Jährige. Saif ist vor anderthalb Jahren ohne seine Familie nach Hamburg gekommen, hat eine Aufenthaltsgenehmigung erhalten und darf arbeiten. Bevor er Teil der Küchencrew wurde, hat er als Küchenhelfer in einer Hamburger Schulkantine gearbeitet. In seiner Heimat hat er Abitur gemacht und musste dann vor dem Krieg in seinem Land fliehen.
Internationale Küchencrew
Hier möchte er sein Hobby aber nicht zum Beruf machen, sondern weiter Deutsch lernen, um irgendwann einmal Medizin studieren zu können. Sein Engagement in der Küche hilft ihm dabei, in Hamburg richtig anzukommen. Das Restaurant-Projekt hat Integrationskraft. „Wir haben Kontakt zu Deutschen, können unser Hobby, unser Essen zeigen. Das ist wichtig für uns“, so der Neuhamburger. So könne er den Gästen ein Stück seiner Heimat zeigen und so vielleicht den Blick auf das Thema Flüchtlinge verändern. Und doch: „Es geht um das Essen, aber dahinter stehen wir Menschen.“ Menschen, die für Menschen kochen. Das ist der Grundgedanke hinter dem Projekt. „Mir gefällt, dass wir hier alle zusammen arbeiten. Es spielt keine Rolle, ob du ein Flüchtling bist“, betont Saif.
Der Gedanke hinter dem Projekt zählt mehr als der Umsatz
Und der Erfolg stellte sich rasch ein. In den ersten zwei Wochen waren Plätze in dem kleinen Restaurant begehrt, Tische wurden zum Teil zweimal am Abend reserviert. „Mit so viel Zuspruch habe ich nicht gerechnet. Das ist der Wahnsinn“, so Filomeno Fusco. Er hat das Konzept entwickelt, Fördergelder beantragt und es zusammen mit Lutz Bornhöft, dem Besitzer und Chefkoch des Restaurants „Juwelier“ umgesetzt. Ein Monat vor der Eröffnung haben die Teilnehmer Rezeptideen gesammelt, Gerichte gekocht und über das Anrichten der Speisen diskutiert. Der Kaufmannsladen spendete das bunte Geschirr.
Im Angebot ist viel Hausmannskost. „Wir wollten trotzdem das Niveau erreichen, das das Juwelier sonst ausmacht, aber eben auf eine erschwingliche Weise“, sagt Fusco. Der Laden brummt und doch haben sie einige kleine Dinge verändert. „Wir nehmen nur einmal am Abend eine komplette Reservierung an, danach müssen Küche und Service zusammen entscheiden, ob sie den Andrang noch meistern können“, so der Hamburger Künstler. In dem Trubel sei zwischendurch untergegangen, worum es eigentlich ging: Es soll nicht so viel Umsatz wie möglich gemacht werden, sondern alle Beteiligten in den Restaurantbetrieb eingebunden werden. „Eine eritreische Köchin hat die ganze Zeit gespült und dafür sind sie hier nicht engagiert“, bekräftigt der gebürtige Italiener.
Menschen, die für Menschen kochen
Das Projekt ist vor allem aus der Frage entstanden, was der nächste Schritt zur Eingliederung sein kann. Die Geflüchteten sollen gelegentlich zu den Tischen gehen, Deutsch und das Fachvokabular in der Küche lernen und durch das Sprechen zusammenfinden. „Wir sind ganz verschiedene Menschen; ein Türke, der in Berlin geboren ist, ich bin mit 7 Jahren nach Deutschland gekommen, die Refugees und Studenten – das ist ein bunter Haufen und wir alle schaffen etwas Neues.“ Es solle keinen Unterschied machen, wer nach Hamburg geflohen und wer hier aufgewachsen sei.
Für die Zukunft kann sich Filomeno Fusco eine Ausbildungsstätte vorstellen. Schon jetzt sind Menschen mit konkreten Angeboten an ihn herangetreten. Köche werden dringend gesucht. Nun gilt es jedoch das Restaurant bis zum 3. September weiter zu betreiben. Eine Fortführung ist bislang nicht geplant. Fusco ist schon jetzt sehr zufrieden. Mehr könne er nicht mehr erwarten. Er wollte über Musik und Essen ein verbindendes Element zwischen Europäischem und Orientalischem, Köchen und Gästen schaffen. Essen sei schließlich der kleinste gemeinsame Nenner – wenn nicht dort, wo sonst?
Der Restaurantbetrieb läuft noch bis zum 3. September, dienstags bis sonntags von 18 bis 23 Uhr, am Wochenende nach dem Essen z.T. Livemusik. Die Menüs bestehen aus einer großen Rundreise (24,50 Euro), die die Gerichte aus den verschiedenen Ländern sowie einen eigens kreierten Mokka und einen Raki enthalten.