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Knut Fleckenstein tritt als Kandidat der SPD bei der Europawahl an. Foto: Götz Schleser und Meike Kenn
Knut Fleckenstein tritt als Kandidat der SPD bei der Europawahl an. Foto: Götz Schleser und Meike Kenn
Europawahl

Wie betrifft uns die Politik der EU? Ein Gespräch zur Europawahl

Steckt die Europäische Union (EU) in einer Krise? Und wie betrifft uns als Eimsbütteler die Politik der EU? Ein Gespräch mit dem Hamburger SPD-Kandidaten für die Europawahl Knut Fleckenstein über Gerechtigkeit, Macht und Wirkung in einer globalisierten Welt.

Von Catharina Rudschies

Eimsbütteler Nachrichten: Herr Fleckenstein, Großbritannien will aus der Europäischen Union (EU) austreten, rechte Parteien befinden sich im Aufschwung und die Rechtsstaatlichkeit ist in einigen Mitgliedsländern mehr als zweifelhaft. Steckt die EU in einer Krise?

Knut Fleckenstein: Nein, die EU steckt nicht in einer Krise. Aber wir müssen ernüchtert feststellen, dass unsere Integrationskraft noch nicht so ausgeprägt ist, wie wir uns das erhofft haben. Das ist eigentlich nicht verwunderlich, wenn 28 Staaten miteinander um Konzepte ringen, wie man die Zukunft in Europa zu allseitiger Zufriedenheit gestalten kann. Da kann es auch manchmal hapern und holpern. Das spricht nicht gegen, sondern eher für die EU. Wir müssen uns mehr um die europäischen Belange kümmern, sodass es bessere Lösungen gibt als die, die wir im Moment vorweisen können.

Warum sollten EU-Bürger trotzdem wählen?

Damit es eine bessere, andere Politik gibt. Die Menschen müssen wieder mehr das Gefühl erhalten, dass die EU etwas mit ihrem persönlichen Leben zu tun hat. Und das heißt konkret, dass wir uns Ziele setzen, die etwas mit der Bekämpfung von Arbeitslosigkeit und mit Gerechtigkeit zu tun haben. Ein Beispiel wäre, dass auch internationale Großkonzerne ihren gerechten Anteil an Steuern bezahlen, so wie es der Bäcker in Niendorf auch tut.

Die EU scheint für viele Bürger weit weg von ihrer Realität. Wie betrifft die europäische Politik die Menschen in Hamburg?

Zum einen haben wir die Freizügigkeit zu reisen, keinen Pass mitnehmen oder Geld umtauschen zu müssen, im Internet mit Roaming-Gebühren gleicher Art überall arbeiten zu können. Zum anderen profitieren Hamburger Forschungseinrichtungen davon, dass sie Geld aus dem EU-Haushalt erhalten, um gemeinsam mit anderen an ganz unterschiedlichen Projekten – im Gesundheitswesen am UKE zum Beispiel – zu forschen. Dann werden unsere Arbeitsplätze durch die EU gesichert, indem wir zum Beispiel klarstellen, dass nicht irgendwelche billigen philippinischen Matrosen die Schiffe im Hamburger Hafen entladen dürfen, sondern Facharbeiter. Diese sind ein wichtiger Bestandteil der Wettbewerbsfähigkeit eines Hafens. Auch die Tatsache, dass wir heute in fast allen Hamburger Bussen mit Rollstühlen fahren können, geht auf eine Verordnung der Europäischen Union zurück. Unser Problem ist, dass bei schlechten Nachrichten immer mit dem Finger auf Brüssel gezeigt wird und die guten Nachrichten werden als Eigenleistung der Nationalstaaten verkauft.

Mit welchen Maßnahmen will die SPD die EU positiv verändern? Können Sie uns die drei wichtigsten nennen?

Ein ganz wichtiges Ziel ist, in ganz Europa einen Mindestlohn einzuführen, der dann natürlich von Land zu Land unterschiedlich ist. Der wird gemessen an der Kaufkraft und ist gekoppelt an das durchschnittliche Einkommen der Menschen dort. Der Mindestlohn stellt sicher, dass man bei 40 Stunden Arbeit pro Woche ein einigermaßen vernünftiges Leben führen kann.

Dann müssen wir Gewerkschaften und Betriebsräte für das Thema Digitalisierung ausbilden. Die EU wird durch die Digitalisierung eines Tages einen ganz anderen Arbeitsmarkt haben, als wir ihn heute kennen. Gewerkschaften und Betriebsräte müssen diesen Wandel mitgestalten können, damit Hunderttausende Jobs nicht einfach wegrationalisiert werden. Und als Drittes müssen wir Jugendlichen eine Perspektive bieten. Das heißt, dass wir ihnen einen Studien-, Ausbildungs- oder Arbeitsplatz anbieten können.

Vereinheitlichung schafft in den Augen vieler Bürger nur Bürokratie und seltsame Normen. Warum ist eine Angleichung der Lebensbedingungen in der EU so wichtig?

Ich glaube, wenn wir wirklich eine Europäische Union, eine Vereinigung, bilden wollen, müssen möglichst alle Menschen auf einem ähnlichen Level arbeiten und leben können. Unser Ziel muss deshalb sein, eine Angleichung zu schaffen, bei der hohe Standards möglich sind, aber gleichzeitig ein Grundstandard in den Ländern etabliert wird, in denen sie noch nicht so weit sind. Bei diesem Angleichungsprozess muss deshalb darauf geachtet werden, dass man nicht den falschen Weg geht. Zum Beispiel durch Lohndumping. Bürger aus Rumänien würden für sehr viel weniger Geld in Deutschland arbeiten, wenn sie dadurch eine Chance hätten, das Leben ihrer Familie zuhause zu verbessern. Aber sie bringen damit auch deutsche Arbeitsplätze in Gefahr. Und das kann nicht unser Ziel sein. Alle Menschen sollen für die gleiche Arbeit am gleichen Ort den gleichen Lohn erhalten. Das können dann auch ausländische Arbeitnehmer in Deutschland sein, aber bitte zu deutschen Tarifen.

Sie sind im Europäischen Parlament außenpolitischer Sprecher der Sozialdemokraten. Warum brauchen wir auch ein starkes Europa nach außen hin?

Wir brauchen eine gemeinsame Außenpolitik, um auch mit anderen wirkungsvoll auf Augenhöhe diskutieren zu können. Und mit großen Ländern wie Amerika, China oder Indien können wir nur auf Augenhöhe diskutieren, wenn wir für diejenigen auch ein großer starker Markt und Partner sind. Das ist alleine nicht nur für Malta und Luxemburg schwierig, sondern auch für das innerhalb Europas sehr starke Deutschland. Gegenüber diesen Großmächten ist auch Deutschland nicht besonders beeindruckend.

Wenn es um die Krisen in der Welt geht, haben wir als EU einen guten Ruf. Weil wir immer diejenigen sind, die zunächst wirklich alle diplomatischen Schritte versuchen, bevor es zu irgendwelchen militärischen Auseinandersetzungen kommt. Aber auch das kann man nur wirkungsvoll vertreten, wenn man eine gewisse Stärke und Macht hat. Und die hat keiner von uns alleine.

Die SPD setzt sich für eine Umgestaltung der EU und eine Erweiterung der Kompetenzen des Europäischen Parlaments ein. Wieso ist dies sinnvoll?

Für jedes demokratisch gewählte Parlament ist es eine Selbstverständlichkeit, dass es ein Initiativrecht hat. Das Europäische Parlament hat sich über Jahrzehnte immer mehr Rechte erkämpft. Heute gibt es kaum noch ein Gesetz oder eine Entscheidung in Brüssel, ohne dass das Parlament zugestimmt hat. Aber eine eigene Gesetzesinitiative darf das Parlament nicht entwickeln. Unsere Wählerinnen und Wähler erwarten aber von uns Abgeordneten, dass wir auch Initiative ergreifen. Das Zweite ist: Diejenigen, die die meisten Initiativen in Europa kaputt machen, sitzen im Europäischen Rat. Das sind die 28 Länder, die zusammenkommen. Die sollten sehr viel transparenter arbeiten. Denn da werden bisher noch nicht einmal die Protokolle veröffentlicht. Zudem müssen wir häufiger Mehrheitsentscheidungen anwenden. Wenn wir immer bis auf den Allerletzten warten, der auch zustimmt, werden wir viele Probleme nicht zur rechten Zeit lösen können.

Wie realistisch ist es, dass man die nötige Zustimmung für diese institutionellen Veränderungen in den EU-Institutionen erhält?

Der Fortschritt ist eine Schnecke. Und manchmal dauert es verdammt lange und manchmal verlieren wir auch ein bisschen die Geduld. Aber nennen Sie mir eine gute Alternative, als es immer wieder zu versuchen. Ich kenne keine. Und insofern ist es wichtig: Je mehr Menschen, Parteien und Fraktionen sich dazu bekennen, umso eher können wir es schaffen.

Können Sie in einem Satz sagen, warum die Hamburger zur Europawahl gehen sollen?

In einer weltoffenen Stadt wie Hamburg können wir es uns nicht erlauben, dass uns diejenigen in Brüssel und Straßburg repräsentieren, für die die Nazizeit ein Vogelschiss in der deutschen Geschichte ist.

Vielen Dank für das Gespräch.

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