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Premiere von "Open House" nach nur drei Wochen Proben. Foto: Ursula Striepe
Theater mit Flüchtlingen

Eine Bühne geben

Am Freitag haben 14 minderjährige Flüchtlinge, die ohne ihre Familien in Deutschland sind, im Bürgerhaus Eidelstedt auf der Bühne gestanden. Das Thema ihrer Aufführung „Open House“ war nicht Flucht, sondern es ging um Tanz und Bewegung. Denn egal, welche Sprache man spricht, Musik und Sound verstehen alle. Und eigentlich geht es in den meisten Liedern weltweit um Gefühle und die Liebe.

Von Lea Z. Freist

Rund fünf Reihen Zuschauer gucken gebannt auf die Bühne, doch die bleibt leer – dafür geht das Licht an und die Darsteller betreten durch eine Tür an der Seite den Saal, gehen durch die Stuhlreihen, werfen sich dabei einen Ball zu und sagen, aus welchem Land sie kommen:

Afghanistan, Syrien, Somalia, Äthiopien, Kosovo

Vier Mädchen und zehn Jungen, zwischen 15 und 18 Jahren, setzen sich auf den Bühnenrand, tauschen verstohlene Blicke aus, müssen zwischendurch etwas kichern und beginnen, sich zu der einsetzenden Musik ruckartig im Takt zu bewegen.

Die 14 Jugendlichen sind unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, die gemeinsam in sogenannte Vorbereitungsklassen an der Berufsschule 24 in Eidelstedt gehen. Dort werden sie auf das Arbeitsleben vorbereitet, erhalten eine intensive Sprachförderung. Das Theaterprojekt hat die Berufsschule zusammen mit dem Bürgerhaus Eidelstedt organisiert.

Die Schauspieler sitzen am Rand der Bühne und wippen zur Musik. Foto: Ursula Striepe
Die Schauspieler sitzen am Rand der Bühne und wippen zur Musik. Foto: Ursula Striepe

Drei Wochen Proben

Die Aufführung am Freitagabend ist der Abschluss einer intensiven dreiwöchigen Werkstatt; drei Vormittage in der Woche während der Schulzeit hat die Gruppe geprobt, unter Leitung der Tänzerin und Choreographin Trinidad Martinez und des Theaterpädagogen und Schauspielers Hatto ter Hazeborg.

Sie hätten sich ganz bewusst dafür entschieden, nicht das Thema Flucht, das Ankommen in der Fremde zu thematisieren, erzählt Nicola Schulz-Bödeker, Sozialpädagogin, die im Bürgerhaus für die Kinder- und Jugendarbeit zuständig ist. Das sei ja allgegenwärtig in aktuellen Theaterproduktionen, sagt sie. Sie hingegen versuchen dem Ganzen „mit Leichtigkeit“ zu begegnen. „Die Jugendlichen haben keine Eltern dabei, manche in den Klassen haben eine schlimme Flucht erlebt, verloren ihre Familie auf dem Weg“, so Schulz-Bödeker. Da wolle man das Leid nicht künstlerisch ausbeuten. Vielmehr geht es den Pädagogen darum, dort anzusetzen, wo die jungen Menschen etwas aus ihrem bisherigen Leben mitbringen und etwas von den eigenen Gefühlen und Traditionen einfließen lassen können.

Die beiden Leiter, Martinez und Hazeborg, fragten in den Proben, was die Jugendlichen in ihren Ländern für Musikstücke gehört haben. Manche der Lieder übersetzten sie im Schulunterricht ins Deutsche. Unter dem Strich war schnell klar: Ob in Äthiopien oder im Iran – es geht immer um die gleichen Themen, um Liebe, Trennung und Freunde.

Das Bürgerhaus Eidelstedt hat 14 unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen eine Bühne gegeben. Foto: Ursula Striepe
Das Bürgerhaus Eidelstedt hat 14 unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen eine Bühne gegeben. Foto: Ursula Striepe

„Mein Herz tut weh, es ist in einem Glaskasten“

– ein junger Mann singt mit Inbrunst ein afghanisches Lied, die anderen sitzen hinter ihm an die Bühnenwand gelehnt. Danach übersetzen ein paar von ihnen etwas stockend mit kleinen Spickzetteln in der Hand das Solo auf Deutsch. „Mein Herz weint“ – alle stimmen in den Refrain ein. Sie tanzen Volkstänze zusammen, Mädchen und Jungen haken sich unter und drehen sich im Kreis.

Die Entscheidung für Tanztheater sei auch gefallen, da die geflüchteten Jugendlichen noch sehr wenig Deutsch sprechen, erzählt Nicola Schulz-Bödeker. Während der Proben wurde aber nur Deutsch gesprochen, das hatte die Schule vorgegeben. Bei der Erarbeitung des Stücks seien viele Hürden zu überwinden gewesen, sagt sie.

Ein Herantasten und Aneinandergewöhnen

Eine der Erfahrungen: Es klappt nicht alles wie geplant. Viele der Jugendlichen kamen unpünktlich, sagten nicht ab, beteuerten am Tag zuvor noch, dass sie kämen und tauchten dann doch nicht auf. So habe die Probe eigentlich um 9 Uhr beginnen sollen, so richtig vollständig seien allerdings alle erst um Viertel vor zehn im Bürgerhaus Eidelstedt eingetrudelt.

Bei der intensiven Zusammenarbeit seien auch kulturelle Unterschiede zwischen den Ländern hochgekocht, manche Jugendlichen hätten sich gestritten. Es sei ja nicht so, dass die Flüchtlinge jetzt in Deutschland seien und sich frei fühlten und alles gut sei. „Für viele ist offen, wie es weitergeht, ob sie bleiben, ob sie eine Lehrstelle finden, ob das mit der Schule klappt“, schildert Schulz-Bödeker. Das sind alles Unsicherheiten, die auch in den Proben zum Ausdruck kamen.

Eidelstedt hat eine ganz besondere Beziehung zu Flüchtlingen, seitdem im vergangenen Jahr neunhundert Geflüchtete in einen ehemaligen Baumarkt kamen.  Eine große Zahl von Ehrenamtlichen kümmerte sich. Ende nächsten Jahres werden etwa tausend geflüchtete Menschen zu Nachbarn werden, wenn sie in die Unterkünfte Hörgensweg und Duvenacker umziehen.

Kulturelle Teilhabe

Die minderjährigen Flüchtlinge aus der Berufsschule kommen aus ganz Hamburg, sie leben nicht unbedingt in Eidelstedt. Aber sie verbringen hier viel Zeit. Auch deswegen ist es der Sozialpädagogin Schulz-Bödeker so wichtig, sie im Stadtteil sichtbarer werden zu lassen: „Auf die Bühne zu gehen, heißt auch, kulturelle Teilhabe zu bekommen, fern von der Schule.“

Bereits vor vier Jahren wandte die Berufsschule Eidelstedt sich an das Bürgerhaus Eidelstedt. Die Schule suche einen Ort für Aufführungsmöglichkeiten, hieß es. Da habe Schulz-Bödeker spontan zugesagt. Vor vier Jahren waren es noch zwei Vorbereitungsklassen für Flüchtlinge, jetzt sind es elf.

Gelder für Projekte

Das Eidelstedter Bürgerhaus stellt die Bühne und Proberäume zur Verfügung und übernimmt vor allem das Organisieren von Fördermitteln. Neben Technik und Requisite kosten auch die ausgebildeten Theater- und Tanzpädagogen Geld. Dieses Jahr wurde das Theaterstück durch den Fonds „Freiräume“ der Körber-Stiftung gefördert, der gezielt kulturelle Projekte mit Geflüchteten unterstützt.

Die drei Wochen seien ein Auf und Ab gewesen, sagt Schulz-Bödeker. Man habe für eine Aufführung geworben, obwohl man noch gar nicht wusste, ob und was dabei herauskommen werde. Den Mut der Jugendlichen bewundert sie: In den letzten Jahren seien die Flüchtlinge immer aus sich herausgegangen, tanzten ausgelassen. Dabei sei Theater ja oft etwas ganz Fremdes und neben der Flucht und dem Verlorensein eine ganz andere Erfahrung in Deutschland, etwas ganz Persönliches von sich preiszugeben – gerade in dem Alter. Deswegen sei die Premiere nur das i-Tüpfelchen, im Vordergrund stand vielmehr der ganze Prozess bis zur Aufführung.

Zum Abschluss des Tanztheaterabends wird ein lauter amerikanischer Rap aufgedreht, jeder der Jugendlichen geht allein in die Mitte und tanzt ein Stück mit, das Publikum und die anderen auf der Bühne feuern sie an. Nach gut 45 Minuten Darbietung ist Schluss. Es wird laut applaudiert von Lehrern, Klassenkameraden und Freunden, jeder Schauspieler bekommt eine Rose und eine Sonnenblume geschenkt, alle strahlen und scheinen auch ein bisschen froh, dass sie es geschafft haben.

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