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Die Kinder der Unterkunft kennen sich mittlerweile sehr gut und machen viel miteinander. Foto: Johanna Hänsel
Die Kinder der Unterkunft kennen sich mittlerweile sehr gut und machen viel miteinander. Foto: Johanna Hänsel
Schließung

Niendorf kämpft um Flüchtlingsunterkunft

In Niendorf engagieren sich viele Anwohner und Ehrenamtliche für das Fortbestehen der Flüchtlingsunterkunft in der Paul-Sorge-Straße. Die Stadt will das Containerdorf bis zum 30. August schließen. Die Bewohner wollen aber in Niendorf bleiben.

Von Johanna Hänsel

Niendorf zeigt, dass es auch anders herum geht. Einige Anwohner machen sich stark für das Containerdorf in der Paul-Sorge-Straße auf einem Park-and-Ride Parkplatz am Tibarg. Der zentrale Koordinieerungsstab Flüchtlinge (ZKF) hat auf Drängen der Bezirksversammlung Ende Januar offiziell die Schließung bekannt gegeben. Bis zum 30. April 2017 sollen alle 90 Bewohner der Unterkunft eine neue Bleibe gefunden haben. Daraufhin starteten Ernst Ludwig Galling und Florian Wietz, zwei Anwohner, eine Petition auf change.org. Mit dem Titel „Die Flüchtlingsunterkunft in HH-Niendorf soll bleiben! Helfen Sie, bevor es zu spät ist!“ wollen die Beiden Unterstützer sammeln, um die Maßnahme zu verhindern oder zumindest zu verschieben.

Galling engagiert sich zusammen mit Wietz ehrenamtlich in der Unterkunft. Er ist Leiter einer Softwarefirma und in seiner Freizeit „Elu“, der Fußballtrainer einer Jugendfußballmannschaft in Niendorf. Nebenbei organisiert er über den Fußballverein Hallenfussballangebote für die Geflüchteten. Er erklärt: „Bis Ende April ist viel zu kurz, um neue Wohnungen für alle Flüchtlinge der Unterkunft zu finden. Vor allem, da sie möglichst in der Umgebung bleiben sollten. Sie sind inzwischen sehr gut integriert und akzeptiert. Die rund 30 Kinder besuchen Schulen und Kitas und Anwohner grüßen die Nachbarn. Das sich Treffen morgens auf dem Weg zur Kita macht die Integration und den Unterschied zur Normalität aus.“ 733 Unterstützer hat die Petition bislang. Erreicht haben sie, dass eine Diskussion über die Schließung in Gang gesetzt wurde.

Ernst Ludwig Galling und Florian Wietz haben die Petition ins Leben gerufen. Foto: Johanna Hänsel
Ernst Ludwig Galling und Florian Wietz haben die Petition ins Leben gerufen. Foto: Johanna Hänsel

Schließung in Niendorf nach Polizeirecht

Letzte Woche Montag haben sich Vertreter verschiedener Organisationen im Bezirksamt zu einem Gespräch zusammengesetzt. Es handele sich um einen Interessenkonflikt zwischen den Interessen des Stadtteils und denen der Bewohner, fasst Andreas Aholt, Sprecher des Bezirksamt Eimsbüttels, das Problem zusammen. Es stand nämlich von Anfang an fest, dass die Wohncontainer auf dem Parkplatz nur eine Übergangslösung sind. Im Rahmen von steigenden Flüchtlingszahlen errichtete die Stadt 2015 nach dem Gesetz zum Schutz von Sicherheit und Ordnung (SOG) als Notmaßnahme Wohnunterkünfte auf Park-and-Ride Plätzen. Da die Zugangszahlen aber gesunken sind, ist die nötige Rechtsgrundlage für den Erhalt der Unterkunft nicht mehr gegeben. Deshalb hat die Bezirksversammlung Eimsbüttel in einer Stellungnahme an das Bezirksamt Emsbüttel vom 22. September deutlich gemacht, dass sie an dem Schließungstermin festhalten wollen.

Es sei ein intensiv genutzter Parkplatz direkt am Zentrum eines Stadtteils für über 40.000 Menschen, dessen Kapazität derzeit fehle, erklärt Aholt den Hintergrund des Beschlusses. Peter Rust, Vorsitzender der SPD-Fraktion Eimsbüttel, betont: Es ist aus unserer Sicht erfreulich, dass die Integration der Geflüchteten in Niendorf so gut gelungen ist, dass sich viele Niendorferinnen und Niendorfer nun für den Verbleib ihrer neuen Nachbarn im Stadtteil einsetzen. Andererseits stand die Befristung des Standortes aber von Beginn an fest und hat zur Akzeptanz der Unterkunft im Stadtteil beigetragen.“

Kompromiss für die Flüchtlingsunterkunft

Auch die Arbeitsgemeinschaft Tibarg e.V., die sich um die Belange des Tibarg und vor allem die Geschäftsleute dort kümmert, war bei dem Gespräch im Bezirksamt anwesend. Für sie ist der Parkplatzdruck nicht der Hauptgrund der Schließung. Die wenigen Parkplätze seien für die Kunden des Tibarg Centers sowieso nich nutzbar und für die Anwohner trotz Parkdruck nicht entscheidend, teilt Nina Häder vom Quatiersmanagement mit. Es gehe hauptsächlich darum, dass die Unterkunft nach Polizeirecht wegen der Befristung geschlossen werden müsse.

Das Gespräch nun im Bezirksamt sei sehr konstruktiv gewesen und ein Kompromissvorschlag sei dabei entstanden, berichtet Sprecher Aholt. Diesem Vorschlag nach soll die Unterkunft erst zum 31. August geschlossen werden. Dadurch hätten die Bewohner, die Ehrenamtlichen und der ZKF länger Zeit, individuell neue Unterkünfte zu finden. Außerdem würden dadurch die Kinder nicht Mitten im Schuljahr aus den Schulen herausgerissen. Diesen Vorschlag hätte der Hauptausschuss der Bezirksversammlung in der Tagung am 16. März 2017 geltend machen und den Beschluss von September revidieren können.

Häder von der Arbeitsgemeinschaft Tibarg e.V. teilte mit, dass die Entscheidung positiv ausgefallen sei. Den Eimsbütteler Nachrichten liegt diese Nachricht von offizieller Seite noch nicht vor. Häder ist erfreut über die Entwicklung: „Wir begrüßen die Lösung sehr. Wir haben eine tolle Zusammenarbeit mit der Unterkunft und viele Projekte gemeinsam gestartet. Ich hoffe, dass wir bis zum 31. August sozialverträgliche Lösungen finden können, damit die Netzwerke der Bewohner beibehalten werden können.“

Mangel an Plätzen in Folgeunterkünften

Ausziehen müssen die Bewohner der Unterkunft am Tibarg aber trotzdem. Wohin es dann gehen soll, ist bisher nicht klar. Die 1450 bestehenden Plätze in Folgeunterkünften sind fast alle belegt, bestätigt das ZKF. Dieses Jahr sollen aber 1076 neue Plätze in 19 Folgeeinrichtungen entstehen. Zusammen mit den neuen Festbauten der Perspektive Wohnen soll es 7000 freie Plätze geben.

Gleichzeitig will der ZKF 12 von 32 noch bestehenden Erstaufnahmen schließen. Darunter vor allem diejenigen, die als prekäre Plätze gelten, wie Baumärkte und Gewerbehallen. Rund 6000 Flüchtlinge leben dort schon länger als die vorgesehenen sechs Monate. Diese „Überresidenten“ haben alle einen Anspruch auf einen Platz in einer Folgeunterkunft. Außerdem rechnet der ZKF mit 400 Personen monatlich, die in diesem Jahr nach Hamburg kommen werden. Zuzüglich erwartet der Koordnierungsstab 3000 Personen im Rahmen des Familiennachzugs. Dazu kommt, dass der Park-and Ride Parkplatz in Niendorf nicht der einzige bleiben soll, der in diesem Jahr den Stadtteilen zur Nutzung zurückgegeben wird.

Kerstin Graupner, Sprecherin des ZKF, bleibt aber zuversichtlich: „Es gibt natürlich auch Fluktuation. Wenn beispielsweise eine Familie auszieht, weil sie eine Wohnung gefunden hat, sind oft mehrere Plätze auf einmal frei. Wir werden gemeinsam mit „f&w“ alles dafür tun, dass die Bewohner im Bezirk bleiben können, um den gemeinsam mit den Ehrenamtlichen begonnenen Integrationsprozess weiterzuführen.“

Unsicherheit der Bewohner ist groß

Die Unsicherheit für die Bewohner der Unterkunft in der Paul-Sorge-Straße ist allerdings da. Die neunköpfige Familie von Mutter und Großmutter Hiam Abou Kasemalsaffouri aus Syrien bewohnt zusammen zwei Container. Sie sind seit der Öffnung der Unterkunft im Herbst 2015 da. „Eine feste Wohnung wäre natürlich besser und wir suchen auch täglich selbst. Aber eine Wohnung in Hamburg ist für Deutsche schwer und für uns noch schwerer. Die Mieten sind teuer. Außerdem sind wir neun Personen. Bis August schaffen wir das bestimmt nicht“, erzählen die Töchter Samah und Salam Munawwer. Sie wollen in der Nähe von Niendorf bleiben. Die Kinder von Tochter Yasmine Mounawaar besuchen die örtliche Kita und haben Freunde gefunden. Die Solidarität der Bewohner untereinander ist groß und die Nachbarn sind ebenfalls zu guten Freunden der Familie geworden.

Niendorf kämpft um Flüchtlingsunterkunft

Samah und Salam Munawwer aus der Unterkunft in Niendorf haben trotz allem gute Laune. Foto: Johanna Hänsel
So sieht der Container von Hiam Abou Kasemalsaffouri und ihrer Familie von innen aus. Foto: Johanna Hänsel
Ernst Ludwig Galling und Florian Wietz haben die Petition ins Leben gerufen. Foto: Johanna Hänsel
Ernst Ludwig Galling animiert die Bewohner zu verschiedenen sportlichen Aktivitäten. Foto: Johanna Hänsel

Nach der Flucht aus Syrien hat die Familie schon oft die Unterkunft gewechselt. Jetzt sind sie endlich in einer Unterkunft und einer Nachbarschaft wirklich angekommen. Samah und Salam sprechen mittlerweile Deutsch auf B1 Niveau und wollen IT, Public Relations oder Bauingeneurwesen studieren. Alles läuft gerade in geordneteren Bahnen. Yasmine meint: „Es ist schlimm, dass wir nicht wissen, wohin es gehen wird. In einer anderen Unterkunft müssen wir uns eine Wohnung vielleicht mit anderen teilen. Hier haben wir unsere eigenen Schlafzimmer und unsere eigene Küche. Wir verstehen die Politik hier nicht und können deswegen nichts machen. Nur, dass scheinbar Autos wichtiger sind als Menschen, das verstehen wir.“

Galling will weiterkämpfen

Auch Ernst Ludwig Galling findet, dass in diesem Fall gesellschaftliche über privaten Interessen stehen sollten. Er wisse, dass richtige Wohnungen besser seien. Zum Beispiel die neu entstehenden Festbauten am Haagendeel in Lokstedt wären für ihn eine gute Alternative. Schulen und Kitas wären dann noch erreichbar für die Familien. Diese Unterkunft wird bis August aber voraussichtlich nicht fertig werden, bestätigt Graupner vom ZKF.

Galling bekam von Fördern & Wohnen mitgeteilt, dass es eine politische Entscheidung sei. Nach dem was er aber wisse, seien die Gründe unter anderem, dass die Unterkunft klein und vergleichsweise unwirtschaftlich sei. Diese Argumentation ist für Galling nicht nachvollziehbar. Die Politik hätte ja gerade erst deutlich gemacht, dass kleine Unterkünfte besser zu einer gelingenden Integration beitragen würden, merkt er an. „Ich glaube, das ist eher so eine Verhandlungsmasse der Lokalpolitiker. So nach dem Motto ´Wir haben daran festgehalten, wir haben richtig was bewegt“, meint Galling. „Na ja die 700 Unterschriften, die wir haben, sind zwar beachtlich, aber für die Politik noch nicht bewegend. Wer weiß, was wäre, hätten wir 2000 Unterschriften oder mehr. Wir kämpfen auf jeden Fall weiter.“

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