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Dominik Bloh hat die Obdachlosigkeit hinter sich gelassen. Foto: Ankerherz Verlag
Dominik Bloh hat die Obdachlosigkeit hinter sich gelassen. Foto: Ankerherz Verlag
Magazin #11

Dominik Bloh: “Die Straße bleibt im Kopf”

Mit 16 schmiss ihn die psychisch labile Mutter zu Hause raus. Elf Jahre der wiederkehrenden Obdach- und Wohnungslosigkeit folgten. Heute wohnt Dominik Bloh in einer eigenen Wohnung in Eimsbüttel und erzählt seine Geschichte.

Von Nele Deutschmann

Viele Interviews hat Dominik Bloh in der letzten Zeit gegeben. Ob die mediale Aufmerksamkeit, die ihn momentan umgibt, überfordere oder vielleicht sogar störe? Überhaupt nicht, antwortet er wie aus der Pistole geschossen. Es sei genau das, was er wolle. Eine Stimme für diejenigen sein, die sonst nicht gehört werden.

Schwierige Zeiten

Daher nehme er das auch gar nicht so persönlich, sondern sehe es eher als einen Auftrag an. Dankbar sei er für das, was im Moment passiere. Es könnte auch schlechter laufen. “Ich könnte auch weiterhin im Müll nach Essen suchen”, sagt der bärtige junge Mann.

Winterwohncontainer für einen Obdachlosen in Lokstedt. Foto: Vanessa Leitschuh

Bürgerinitiative stellt weiteren Wohncontainer für Obdachlose auf

Nachdem das Bezirksamt Eimsbüttel in der letzten Woche die Baugenehmigung erteilt hat, hat die Bürgerinitiative "Hilfe für Hamburger Obdachlose" heute in Lokstedt einen weiteren Container aufgestellt.

Dominik hat schwierige Zeiten hinter sich. Aufgewachsen bei einer psychisch kranken Mutter und einem gewalttätigen Stiefvater, boten nur die Großeltern Liebe und Halt. Mit dem Tod der Großmutter brach auch diese Säule weg. Was blieb, waren die Strafen, die Gewalt, der Druck. Dazu kamen falsche Freunde und der ewige Wunsch dazuzugehören.

Abitur trotz Obdachlosigkeit

Eines Tages setzte Dominiks Mutter den Jugendlichen vor die Tür und machte sie nie wieder auf. Eine Odyssee aus Wohnungs- und Obdachlosigkeit folgte, doch Dominik ging weiter zur Schule, machte später sogar sein Abitur. Keiner habe je bemerkt, dass er nachts auf Parkbänken, in Schrebergärten oder der U-Bahn schlief.

Dominik Bloh hat ein Buch über seine Zeit auf der Straße geschrieben. Foto: Ankerherz Verlag
Dominik Bloh hat ein Buch über seine Zeit auf der Straße geschrieben. Foto: Ankerherz Verlag

Er fiel durch alle Raster. Das Jugendamt fühlte sich nicht zuständig. Vor Freunden schämte er sich zuzugeben, dass er obdachlos war. Für kurze Zeit kam er in einer betreuten WG unter, aber mit dem Eintritt in die Volljährigkeit konnte er auch da nicht bleiben. Elf Jahre sollte es dauern, bis Dominik sich aus dieser Spirale befreien konnte.

Sätze wie Rap-Lines

Über die Zeit hat er ein Buch geschrieben. In “Unter Palmen aus Stahl” erzählt der heute 30-jährige seine Geschichte. Anrührend und mit einer überraschend poetischen Sprache lässt er uns an den Erlebnissen seiner Jugend und dem Leben auf der Straße teilhaben.

Oft wirken seine Sätze wie Rap-Lines. Hip Hop war schon immer seine große Leidenschaft, lacht er. “Meine erste Liebe, bester Freund, mein Vater.” Vor genau 20 Jahren schenkte ihm seine Großmutter sein erstes Jay-Z-Album. Heute schreibt er an seinen ersten eigenen Songs.

Ein neues Leben

Gerade kommt er von Helgoland zurück und ist glücklich darüber, dass ihn sein Buch durch ganz Deutschland führt. “Plötzlich bin ich auf einer Insel und gucke in der Nacht auf einen Leuchtturm”, freut er sich. Das sind die schönen Erlebnisse. Das Unterwegssein bereite ihm viel Freude.

Genau zwei Jahre wohnt Dominik nun in seiner eigenen kleinen Wohnung in Eimsbüttel. Doch noch immer ist er nicht ganz angekommen. Er habe für sich gerade eine kleine Bilanz gezogen, erzählt er. Noch immer sei es eine große Hürde, sich langfristig häuslich einzurichten.

Täglicher Kampf

Noch immer lebt er aus Reisetaschen. Noch immer ist der Kühlschrank nicht angeschlossen. Es gibt kein Licht im Wohnzimmer und keinen Namen auf dem Klingelschild.

Noch immer zuckt er zusammen, wenn es an der Tür klingelt. Noch immer erwartet er schlechten Besuch und böse Nachrichten. “Die Straße bleibt im Kopf”, ist ein Satz, den er häufig wiederholt. Noch immer ist es ein täglicher Kampf für ihn. Doch heute macht er die Tür auf und es stehen Freunde vor der Tür.

Erste Schritte

Er findet sich zurecht – arbeitet, öffnet Briefe, engagiert sich. Das sind die Schritte, die es nach vorne geht. Der Rest brauche noch ein wenig Zeit und holt ihn immer mal wieder ein. Dann geht es auch mal einen Schritt zurück, aber insgesamt gehe es in die richtige Richtung, erzählt er.

Er habe immer ein Wort für seinen Zustand gesucht und keines gefunden. Als er das passende schließlich fand, fiel es ihm wie Schuppen von den Augen: “Du verdrängst”. Es wird dauern, die Traumata der Vergangenheit aufzuarbeiten.

Arbeit mit Jugendlichen

Doch er hat schon viel erreicht. Er hat eine eigene Kolumne bei der Mopo. Früher stopfte er sie sich gegen den kalten Wind unter den Pullover, heute finanziert sie seine Miete. Außerdem arbeitet er mit Jugendlichen und für den Verein Hanseatic Help.

Während der Wintermonate hat er beim Aufbau eines Wintercafés für Obdachlose mitgeholfen, das auch weiterhin bestehen bleibt. Immer sonntags öffnet es in der Sternschanze.

Der Sonntag ist der schwierigste Tag für Obdachlose, da sonst kaum etwas geöffnet hat. Im Café gibt es nun Musik, Frisöre, Ärzte, Gesellschaftsspiele und vieles mehr, was die harte Realität der Straße für kurze Zeit vergessen lässt.

Viele Pläne

Aktuell gibt es in Zusammenarbeit mit seinem Verlag Ankerherz Pläne, aus seinem Buch ein Theaterstück zu entwickeln. Ein bisschen wie Robinson Crusoe solle es werden, erzählt Dominik.

Mittlerweile lebt Dominik Bloh in einer Wohnung in Eimsbüttel. Foto: Ankerherz Verleag
Mittlerweile lebt Dominik Bloh in einer Wohnung in Eimsbüttel. Foto: Ankerherz Verlag

Bei Themen wie Einsamkeit und sich seine eigene Welt zu bauen täten sich Parallelen auf. Nur dass man sich in seinem Fall in einem Meer von Menschen befände und nicht in einem Meer aus Wasser.

Neus Buch in Planung

Und auch an einem zweiten Buch arbeitet er. Es wird sich um den Umgang mit Depressionen drehen, verrät der Autor. Nach dem Interview wird er in den Park Fiction gehen, in dem er als Obdachloser viel Zeit verbrachte, und die ersten Zeilen des neuen Werkes schreiben.

Wenn man sich Dominik, sein Engagement und seine Reflektiertheit betrachtet, stellt sich angesichts der traumatischen Erfahrungen der Vergangenheit die Frage, woran er seine moralischen Maßstäbe festmacht.

Geduld ist Stärke

Wie hat er gelernt, zwischen “Richtig” und “Falsch” zu unterscheiden? Woher kommt sein unbedingter Wille, anderen zu helfen? Früher habe er oft den Fehler gemacht, sich für “die schnelle Variante und den einfachen Weg” zu entscheiden, erzählt er, während er sich eine Zigarette dreht.

Dabei sei “Geduld Stärke und das Schnelle bringt nur Rückschritt”. Seine Großeltern haben ihm stets als gute Vorbilder gedient und doch sagt er von sich selbst, dass er in der Vergangenheit oft schwach war. Bloh ist überzeugt: Der innere Kompass sage einem immer, was falsch ist. “Irgendwann habe ich mich entschieden, nur noch das Richtige zu machen.”

Langsam schließt sich der Kreis

Vor genau zehn Jahren hat Dominik schon einmal für eine kurze Zeit in Eimsbüttel gewohnt. Drei Straßen von seiner heutigen Wohnung entfernt flog er irgendwann aus seiner WG.

In der Osterstraße hat er das allererste Mal gebettelt. Hier sei er das erste Mal aus der Masse herausgetreten, habe sich klein gemacht. Nach vier Stunden hatte er noch immer keinen Cent in seinem Becher.

Drei kleine Mädchen gaben ihm schließlich etwas Geld. Es sei bezeichnend, dass es Kinder waren, die ihm als erste etwas gaben, sagt er. Heute ist er wieder hier und hat das “Gefühl, dass sich die Kreise langsam schließen”.

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