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Magazin #21
Sabrine lebt seit vier Jahren in Deutschland - dieses Jahr hat das Deutschlernen besonders erschwert. Foto: Vanessa Leitschuh
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»Nur kochen und saubermachen? Nein, das will ich nicht«

Wenn ein fremdes Land zur Heimat wird, ist die neue Sprache der Schlüssel zu vielem – auch in die Arbeitswelt. Sabrine lebt seit vier Jahren in Deutschland. Ganz angekommen ist sie noch nicht. Über den langen Weg in die Arbeitswelt und warum dieses Jahr das Deutschlernen erschwert hat.

Von Vanessa Leitschuh

Sabrine Ben Hadj ist Mitte zwanzig, als sie ihre Heimat Tunesien verlässt, um in Deutschland zu leben. Das Land, das sie bald Zuhause nennen wird, hat sie vorher nie besucht.

Sie hat in Tunesien geheiratet. Obwohl seine Eltern aus Tunesien kommen, ist ihr Mann in Deutschland geboren und aufgewachsen. Sie zieht zu ihm nach Hamburg, auch eine Hafenstadt – wie ihre Heimat Sousse. Nur liegt der Hafen dort am Mittelmeer und nicht an der Elbe. Es ist dunkel und kalt, als sie an diesem Novemberabend in der neuen Stadt ankommt. In Sousse fallen die Temperaturen selbst im Winter selten unter 20 Grad. Jetzt ist sie in Hamburg, wo immer Wolken über ihr hängen. Aber es ist schön, hier zu sein, alles ist so schön in Hamburg.

In der Arbeitswelt

Vier Jahre ist dieser Tag her, bald feiert Sabrine ihren 30. Geburtstag. Sie arbeitet beim Lenzsiedlung e.V. in Eimsbüttel, betreut Kinder und Jugendliche. Nach einem einjährigen Sprach- und Integrationskurs machte sie dort ein Praktikum, mittlerweile ist sie als Honorarkraft tätig. Mal für vier Stunden in der Woche, mal für neun.

Seit der Pandemie ist es weniger geworden, die Betreuer können nicht mehr viel mit den Kindern unternehmen. Sonst machen sie Ausflüge, helfen bei den Hausaufgaben, spielen zusammen. Jetzt gibt es eine Art Kiosk und Gespräche im Garten.

Damals in Tunesien hat Sabrine in einem Labor gearbeitet. Nach zwölf Jahren Schule stieg sie als Vollzeitkraft ein. Eine Ausbildung brauchte sie nicht. Bis auf die Augen in einen Schutzanzug gehüllt produzierte sie Nasensprays und Ohrentropfen, füllte Infusionen ab. Früh- und Spätschicht wechselten wöchentlich. Die Arbeit machte ihr Spaß, sie fehlt ihr. In den freien Stunden am Morgen oder Abend ging sie zur Schule, um eine Ausbildung zur Buchhalterin zu machen, lernte auch Informatik.

„Hier ist es schwer“

Teilzeitmodelle gibt es in Tunesien nicht, jeder arbeitet Vollzeit. Vierzig Stunden in der Woche, acht Stunden am Tag. Was ist, wenn man Kinder hat? „Die bleiben bei den Großeltern.” Die Ausbildung bezahlte sie von ihrem Gehalt. Gerne würde sie in Deutschland als Buchhalterin arbeiten, aber ihr Abschluss ist bisher nicht anerkannt worden, die Papiere liegen noch im Amt.

„Am Anfang habe ich gedacht, ich könnte wieder in dem Beruf arbeiten, den ich kenne. Aber hier ist es schwer.” Doch die Arbeit mit den Kindern macht ihr Spaß, sie wünscht sich selbst welche.

„Ich spreche deine Sprache“

Wenn Sabrine über das Ankommen in Deutschland spricht, klingt sie zuversichtlich. „Es gibt nicht viel, was anders ist. Für mich ist es kein Problem.” Sie sagt aber auch: „Natürlich eine andere Sprache, andere Kultur, anderes Wetter.” Und: „Es ist schwer, wenn man hier eine Arbeit sucht, viel schwerer als in Tunesien.”

Es ist immer wieder die Sprache, auf die sie zurückkommt. Denn wie tief und vernetzt können Wurzeln sein, wenn die Botschaften, die man sendet, nicht ankommen? Ihre Muttersprache ist Arabisch.

Früher sprach Sabrine auch Französisch, aber ihre Zweitsprache zerfasert wie die Maschen eines alten Pullovers. Trotzdem halfen ihr die vielen ähnlichen Wörter beim Deutschlernen. Eigentlich fällt ihr Sprachenlernen nicht schwer, aber wenn sie schnell spricht, schwirren die Wörter durcheinander.

Am Anfang, als Sabrine neu in Hamburg war, freute sie sich jedes Mal, wenn sie ihre Sprache auf der Straße hörte. Sie ging dann auf die Menschen zu: „Ich bin aus Tunesien, ich spreche deine Sprache.” Das änderte sich mit der Zeit. „Wenn ich heute Arabisch auf der Straße höre, gehe ich weiter.” Sie will mit Menschen reden, die deutsch mit ihr sprechen. Sie will besser werden.

Kein einfaches Jahr zum Deutschlernen

Wenn sie träumt, dann auf arabisch und auf deutsch. Doch wenn sie alleine zu Hause ist, und das ist sie oft, spricht sie deutsch mit sich. Das kommt ganz von selbst. Einmal schrieb sie einen ihrer Monologe zu Hause auf, zeigte das Papier ihrem Mann.

„Das ist alles richtig. Wer hat das geschrieben?”, fragte er. „Das war ich, ich habe das geschrieben!”, antwortete sie stolz. „Aber wenn ich mit Leuten rede, ist oft alles durcheinander.”

Sie will weiterkommen. Aber dieses Jahr macht Corona es schwer, Deutsch zu lernen. Weniger Kontakte, weniger Möglichkeiten, die neue Sprache zu sprechen. Seit kurzem macht sie ihren zweiten Sprachkurs – digital. „Ich bin keine Hausfrau, ich will nicht zu Hause bleiben.”

Ihr Mann arbeitet Vollzeit, sie ist gerne aktiv. „Nur kochen und saubermachen? Nein, das will ich nicht. Ich arbeite gerne.” Deshalb lernt sie viel, wenn sie zu Hause ist. Mittlerweile, wenn sie mit ihrer Familie in Tunesien telefoniert, sind die deutschen Wörter plötzlich schneller als die arabischen. Das freut sie.

Was sie sich für die Zukunft wünsche? „Ich hätte gerne Kinder. Ich arbeite gerne. Also, was sonst?”

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