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Bis 21:30 Uhr dauerte die Fragerunde in der Julius-Leber-Schule an. Foto: Annika Demgen
Bis 21:30 Uhr dauerte die Fragerunde in der Julius-Leber-Schule an. Foto: Annika Demgen
Infoveranstaltung Hörgensweg

„Wir schreiben gerade Geschichte“

Ein Ex-AfDler und ein 16-jähriger Flüchtling ernten Applaus, Torsten Sevecke wird nicht geglaubt und Akrobaten sorgen für Auflockerung. Die Stimmung war gereizt, die Fronten klar und dennoch gab es Überraschungen bei der Informationsveranstaltung zur Flüchtlingsunterkunft Hörgensweg. Ein Bericht.

Von Annika Demgen

Vieles an diesem Mittwochabend in der Julius-Leber-Schule war zu erwarten. Die Aula der Stadtteilschule ist voll. Nicht jeder bekommt einen Sitzplatz und vor dem Eingang sammelt die Initiative „Eimsbüttel für gute Integration“ Unterschriften für ihr Bürgerbegehren. Die Gruppe will den Bau der Wohnungen für Flüchtlinge, um die es heute Abend in Eidelstedt geht, verhindern. Grit Brandt spricht draußen die Einkehrenden an, um sie für ihre Sache zu gewinnen. Reingehen will sie nicht: „Wir müssen uns das nicht mehr anhören.“ Sie und ihre Mitstreiter wissen bereits, was am Hörgensweg geplant ist. Etwa 800 Wohnungen sollen dort entstehen. 200 für den regulären Wohnungsmarkt, 600 davon für geflüchtete Menschen, die in Deutschland bleiben und arbeiten dürfen. In jeder Wohnung sollen fünf Personen unterkommen, bis sie eine eigene Bleibe finden. Insgesamt heißt das 3.000 neue Bewohner für Eidelstedt. Ein Bevölkerungszuwachs von rund zehn Prozent. Alle zwei bis drei Jahre soll die Belegung wechseln.

Die soziale Verantwortung

Thorsten Kruse, gebürtiger Eidelstedter und Leiter des Dezernats Soziales, Jugend und Gesundheit in Eimsbüttel, will dies als Chance verstanden wissen: „Seit meiner Jugend ist die Bevölkerung Eidelstedts um ungefähr 10.000 Menschen gewachsen. Das hat dem Stadtteil doch auch nicht geschadet.“ Das Publikum quittiert diese Äußerung mit höhnischem Gelächter. Zu groß und zu voll soll die Siedlung werden, sind sich die meisten einig, die an diesem Abend das Mikrofon ergreifen. Die Bilder in der Präsentation, die eine normale Neubausiedlung zeigen, und keine Hochhäuser à la Osdorfer Born oder Steilshoop können nicht verhindern, dass auch an diesem Abend das Vorhaben als „Ghetto“ bezeichnet wird. „Wer soll die integrieren?“ ist die allseits gegenwärtige Frage. Konsens ist, dass Flüchtlinge eine Belastung sind, genau wie Hartz-IV-Empfänger.

Völlig rassismusfrei war die Julius-Leber-Schule an diesem Abend nicht. Foto: Annika Demgen
Foto: Annika Demgen

Applaus und Gejubel erntet Wolfram Heinrich, der sich als Eidelstedter und Mitglied der Bezirksversammlung präsentiert, und von „unglaublich hohen Steuern“ und „Kindern, die nichts dafür können“ spricht. Wie der Ex-AfDler betonen viele, dass sie sich ihrer „sozialen Verantwortung“ bewusst seien. Trotzdem sind sie empört darüber, dass der Bezirk den Eidelstedtern „3.000 Flüchtlinge vor den Latz knallt“, wie es Elke Zimmermann gleich zu Beginn der Fragerunde formuliert. In dieser Größenordnung will die Mehrheit der Anwesenden keinen Beitrag leisten. Das schaffe Eidelstedt nicht.

Routine hinterm Stehtisch

Mit den Vorwürfen und Anschuldigungen gehen die, die zwischen Stehtischen und Bildschirmpräsentation stehen, routiniert um. Der Ablauf „Informationsveranstaltung“ ist gut einstudiert. Zuerst eine Stunde über die Pläne referieren und anschließend kommt die Frage-und-Antwort-Runde. Drei bis fünf Meinungsäußerungen werden zugelassen. Dann wird geantwortet. Zwei Mitarbeiter des Bezirksamts schreiben Stichpunkte zu allen Äußerungen auf Karteikarten auf und heften diese an Pinnwände. Die Meinungen, die heute Abend geäußert werden, zählen, sagt Barabara Strauß, Koordinatorin für das Ehrenamt im Bezirk, die wie immer durch die Veranstaltung moderiert. Davon überzeugt ist keiner hier im Saal. Sevecke ist für die meisten der Schuldige. Er habe entschieden, dass die „Süptiz-Fläche“ Heimat für die Expresswohnungen des Senats wird.

Auf persönliche Kritik geht der Bezirksamtsleiter nicht ein. Stattdessen weist er daraufhin, dass man im Bezirksamt gerade nicht, der Vorgabe des Senats gefolgt sei, eine Fläche für 800 Wohnungen vorzuschlagen, sondern sich auf vier kleinere Flächen in Eidelstedt und Schnelsen verständigt habe. Wie viele Flüchtlinge für einen Standort verträglich seien, ist eine politische Diskussion, die im Stadtplanungsausschuss von den gewählten Volksvertretern geführt werde. Für ihn fällt der Beifall mager aus.

Kaffee statt Verhandlungen

Daniela Bohnet, Sprecherin der Bürgerinitiative Duvenacker, meldet sich zu Wort. Ja, es habe Gespräche zwischen ihrer Gruppe und Bezirksamtsleiter Torsten Sevecke gegeben. Alle Argumente, von zu hoher Lärmbelästigung der Flüchtlinge durch die nahe Autobahn, bis zur Integrationsproblematik durch die Anzahl der Menschen, seien jedoch von ihm abgetan worden. Der Umfang der Siedlung stehe für ihn nicht zur Debatte. Bei den Gesprächen werde im Allgemeinen nur „Kaffee getrunken“ und Zeit vergeudet, weshalb das Bürgerbegehren nötig sei. „Wenn wir den Bauplan durchziehen, dann holen wir uns langfristig ganz andere Probleme nach Eidelstedt“, sagt Bohnet. Beifall für sie. Zur ihrer Kritik äußert sich Sevecke nicht.

Nicht nur die erste Reihe begegnete den Aussagen der Redner mit Skepsis. Foto: Annika Demgen
Nicht nur die erste Reihe begegnete den Aussagen der Redner mit Skepsis. Foto: Annika Demgen

Als nächstes steht Heidi Naumann auf und sorgt für die erste Überraschung an diesem Abend. Sie möchte „denen eine Stimme geben, die bisher nicht geklatscht haben“ und wendet sich „gegen die ganze Aufgeregtheit“. „Die Flüchtlinge, die hier herkommen, sind keine Problempersonen, sondern das sind ganz normale Menschen aus völlig verschiedenen sozialen Schichten.“ Mitgebracht hat sie einen 16-jährigen Flüchtling aus Albanien, der seit anderthalb Jahren in der Pinneberger Straße zur Schule geht. Er glaubt, dass die Anwohner des Hörgenswegs genauso wie die Flüchtlinge vor einer Herausforderung stehen, die aber zu schaffen sei. „Wir schreiben gerade Geschichte. Die ganze Welt schaut auf uns und guckt wie wir diese Situation meistern“, schließt er seinen Beitrag. Auch er bekommt Applaus.

Es folgen Bedenkenträger, die entweder befürchten, dass sich die neuen Bewohner schlechte Angewohnheiten der Eidelstedter Hartz-IV-Empfänger abschauen oder darauf bestehen, dass die Flüchtlinge schnellstmöglich abgeschoben werden. Schließlich würden sie in Syrien gebraucht. Konstruktiver ist der Beitrag von Herrn Pampel, der Sportflächen, Gewerbe und ein Kino auf dem Gelände der Expresswohnungen einfordert, um auch Nachbarn einen Grund zu geben, die Siedlung zu besuchen. Dieser Vorschlag sorgt ausnahmsweise auch hinter den Stehtischen für große Zustimmung.

Kurz vor Schluss sorgt die Zirkus-Pädagogin Carolin Dallmeyer für die zweite Überraschung des Abends. Mit ihrer Partnerin Kathleen Kunze auf der Schulter macht sie Werbung für ihr akrobatisches Flüchtlingshilfsangebot. Auch Eidelstedter sollen an ihrer Gruppe teilnehmen: „Ihr wollt, dass euch geholfen wird. Und wir wollen euch helfen.“ Die Mini-Vorführung sorgt für Aufmunterung im Saal. Nur leider etwas zu spät. Der Großteil ist bereits gegangen.

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