
Tapetenwechsel für Maruschka
Der Tierpark Hagenbeck hat am Freitag zum feierlichen Erstbezug des neuen Tigergeheges geladen. Zur Freude des dreijährigen Amur-Tigerweibchen Maruschka – und zu großer Freude der Fotografen und Kameraleute.
Von Moritz Gerlach
Zuerst kann man sie nur hören. Ein beeindruckendes Brüllen durchfährt den Tierpark an diesem grauen Morgen um kurz vor 11 Uhr. Maruschka, die junge Tigerdame, ist ein wenig aufgeregt. Gleich soll sie zum ersten Mal einen Blick in ihr neues Zuhause werfen. In den letzten Monaten haben die Pfleger des Tierparks das aus den 50er Jahren stammende Gehege aufwändig umgestaltet.
Die bisherigen Bewohner scheint man noch nicht über den Zuzug informiert zu haben. Eine Ringeltaube baut emsig an ihrem Nest und ist sehr beschäftigt frische Zweige heranzuschaffen. Dies geschieht unter den wachsamen Augen einer Elster. Zwischen einer Birke und einem Heidelbeerstrauch lugt ein Kaninchen hervor. 1.200 m² Fläche misst die neue Tundralandschaft, durch die jetzt Tierpfleger Fischer eine letzte Runde macht. An prominenter Stelle, einem von allen Seiten gut einsehbaren Felsvorsprung, deponiert er eine saftige Portion Fleisch. Eiligen Schrittes verlässt der Pfleger das grundrenovierte Gehege.

Als das Tor aufgeht, stürmt Maruschka in ihre neue Manege. Ein lautes Grollen macht klar, wer hier nun Chef ist. Die Vögel suchen das Weite. Das Kaninchen ist auch verschwunden. Der Tapetenwechsel scheint anzukommen. Neue Bäume, Kieselboden und 300 m² mehr Fläche hat das Gehege zu bieten. Wie lange die Vegetation so bleiben wird, ist ungewiss. Die junge Raubkatze hat einen ausgeprägten Spieltrieb und verteilt erste Streicheleinheiten an die umstehenden Büsche.


Zusätzlich hat man rund um die an Sibirien angelehnte Landschaft auch die Zäune verstärkt und den Graben erneuert. Für eine jugendliche Amur-Tigerin genau das Richtige. Den freien Blick ohne Gitterstäbe und Maschendraht erlaubt ein breiter Wassergraben. Für Maruschka hat das Wasser einen weiteren Vorteil. Sie liebt es, zu baden. Davon ist jetzt wenig zu merken. Die Tigerdame ist dazu übergegangen, die Geländevorteile für sich zu nutzen. Auch das ist wichtig: Die Tiere haben jederzeit die Möglichkeit sich den neugierigen Blicken der Menschen zu entziehen. So macht sich die Großkatze zum großen Felsen auf, sammelt das Futter ein und zieht sich erst einmal zurück. Die Kamerateams stürzen sich indes auf Tierpfleger Uwe Fischer. Geduldig erzählt er von den Finessen der Tigerhaltung und seinem Tagesablauf.
Wie viel Kraft und Geschwindigkeit hinter der größten Katzenart steckt, kann man sehr plötzlich erkennen, als sich das Kaninchen aufmacht, den Neuankömmling zu begutachten. Nur mit ein paar Haken und einem beherzten Sprung unter den Maschendraht kann sich der Nager in Richtung Wapiti-Hirsche in Sicherheit bringen. Maruschka hingegen springt mit voller Wucht gegen den Zaun. Die Botschaft war eindeutig: Kaninchen haben in der Tundra von Stellingen keine Ruhe. Und auch der Zaun hat eine erste Probe bestanden. Das siebenfache Gewicht eines springenden Tigers kann er abhalten.



Nach Wunsch des Tierparks soll Maruschka nicht allein bleiben. Einen Partner hat man für sie bereits ausgesucht. Jetzt muss nur noch auf die Zuchtfreigabe gewartet werden. So lange dies nicht der Fall ist, haben die beiden die Möglichkeit, sich durch ein „Kuschelgitter“ im Stall zu beschnuppern und die Tatzen aneinander zu halten. Mehr ist vorerst jedoch nicht drin, denn vor der Liebe kommt die Bürokratie des Europäischen Erhaltungszuchtprogramms (EEP). Zu wichtig die Nachwuchsfrage der durch den Menschen stark bedrohten Tiere. Nach einer Stunde haben die Medienvertreter genug. Langsam kehrt Ruhe ein. Maruschka kann zufrieden sein. Sie hat das Gehege ausgiebig erkundet. Einzig und allein das Bad im Tigergraben hat sie sich bis zum Schluss aufgehoben. Ein schöner Ausklang.




