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Foto: Marianne Bruhns
Glosse: Dreizehnter Teil

Corona-Tagebuch: Anarchie in Grünanlagen

Martin Busche zählt mit uns allen die Tage, die uns Corona stiehlt und führt ein öffentliches Tagebuch: subjektiv, ehrlich, schonungslos. Bis Corona uns hoffentlich scheidet.

Von Martin Busche

Montag, 6. April

Ich bin dem Andy Grote echt dankbar. Sonst nicht so, aber jetzt. Unser Innensenator hat gestern ein Machtwort gesprochen. Rechtzeitig vor Ostern. Sitzen auf Parkbänken ist offiziell erlaubt. Es gibt auch keinen Timeslot. Jeder nur eine halbe Stunde oder so. Rentner länger, Jugendliche kürzer. Schwangere öfter. Überprüft vielleicht noch von einer App, die in Friedenszeiten misst, wie lange man joggt, als Corona-Update aber die Sitzzeit mitschneidet. Und natürlich klingelt, hupt, vibriert, bellt, irgendsowas, wenn es Zeit ist zu gehen. Alles Quatsch.

Das ist eine gute Nachricht, besonders für Menschen wie mich, die sowieso kein Problem haben, den Mindestabstand zum Mitmenschen einzuhalten, weil derzeit niemand am Start ist, der überhaupt Lust hat, mal kurz rüberzurutschen. Leider.

Wildwuchs im Park

Grotes Machtwort wurde auch Zeit. In Hamburger Parks herrschte Wildwuchs. Fast wie damals bei G20. Anarchie, diesmal in Grünanlagen und von Staats wegen.

Ich übertreibe nicht, weiß, wovon ich spreche. Erinnere mich noch mit Schrecken an einen jener Tage, an dem ich voller Vertrauen auf unseren Staat, Lust verspürte, am Kaifu ein wenig meinen Gedanken freien Lauf zu lassen. Luft schnappen wollte, mich kurz setzen: Die Vögel sangen, die Enten schnatterten. Wie Menschen in meinem Alter das manchmal so tun. Futter war natürlich dabei. Alles war gut. Trotz Corona.

Schlimmer als Schwarzfahren

Doch kaum hatte ich mich in den Staub gesetzt, Hamburgs Bänke sind leider nur selten sauber, 30 Sekunden den als Holz getarnten Billigkunststoff mit Seife geputzt, nur obenrum, untenrum ist selten schön, nicht nur bei öffentlichen Parkbänken, und echte Desinfektionsmittel sind aus. Da ging das Theater los. Statt der niedlichen Enten kamen Freischärler ums Eck, als Polizisten getarnt, blieben breitbeinig vor mir stehen, hatten wohl den Befehl: böse gucken, sehr böse gucken.

“Präsenz zeigen”, heißt das wohl im Fachjargon der Sicherheitsbranche. “Angst machen” könnte man auch dazu sagen. Und Eindruck. Bis auch der letzte Jogger mitbekommen hatte, dass ich Depp die neuen Regeln immer noch nicht kapiert hatte, die Hamburger Polizei deshalb jetzt Flagge zeigt: “Wir sind Hamburg und du nicht”. Gaffen war diesmal übrigens erlaubt, filmen sogar erwünscht.

Widerstand natürlich zwecklos. Das Ganze war ja schon peinlich genug, viel schlimmer als Schwarzfahren. Da ist die Menschheit noch solidarisch, steckt dem Verdächtigen gerne einen Fahrschein zu, hält zufällig die Tür auf, damit er noch rausspringen kann. Quatscht den Kontrolleur mit irgendeinem Zeug voll, bis die nächste Station kommt. Im Park gehen die Leute lieber auf Abstand, nicht zur Polizei. Natürlich zu mir.

Dabei darf ich da ja sitzen, ganz offiziell. Jeder und jede andere dürfte auch. Die Polizei sollte das wissen. Doch neue Erkenntnisse sind manchmal schwer vermittelbar. Dafür müsste man schon amtliche Verlautbarungen lesen. Die Polizei tut das wohl nicht. Zumindest nicht lang genug. Der entscheidende Paragraph steht irgendwo in der Mitte.

Hamburgs neue Sitzmöbel

Dann findet sich auch, dass sogar liegen im Park erlaubt ist. Nur nicht unter einer Decke, das läuft unter Campieren. Auf einer Decke schon. Auch zu zweit. Solange 1,50 Meter dazwischen sind. Im Liegen ist das kein Problem, lässt sich zumindest machen. Auf der Bank sieht das blöd aus, was das Nebeneinandersitzen überhaupt delikat macht.

Ich erzähl das hier einfach mal, auch wenn die Polizei das Problem sicher noch nicht erkannt hat. Hamburger Parkbänke sind kurz, meist nur 1,80 Meter. Auf 1,50 Meter Abstand könnten da nur Miss Piggy und Karl Lagerfeld sitzen, aber beide sind ja schon tot. Zwei Meter sollten es schon sein, um der Abstandsverordnung Folge zu leisten. Dafür müsste Hamburg aber aufrüsten, nicht nur mit Masken, auch mit neuen Sitzmöbeln.

Firmen wie resorti haben sogar gerade was im Angebot, die beliefern auch Kommunen, sagen sie, trotz Corona. Arthur zum Beispiel oder Taka. Beide sind aber zu klein. Line ist toll, aber teuer. 9.000 Euro. Dafür bekommt man edles Design mit Blumenkübel in der Mitte. Voll der Abstand und echt öko.

Ich persönlich steh auf Ilma. Die Bank meiner Träume, kann sich echt sehen lassen.

Echtes Edelstahl, gewölbte Rückenlehnen. Schickes Design. Genau zwei Meter breit, ideal zum Kuscheln. Nur, wie ist das eigentlich mit dem Küssen? Wieder so eine Frage. Andy Grote hat dazu nichts gesagt. Die Verordnung schweigt. Probiert es doch mal aus. Ich nicht.

Bis morgen.



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