
Vom Sozialkaufhaus zur Boutique: „Spenda Bel“ wird zu „Zweitwert“
„Spenda Bel Charity“ erfährt einen Relaunch: Das Sozialkaufhaus in der Weidenallee wird zur nachhaltigen Secondhand-Boutique für jedermann und heißt ab morgen „Zweitwert“.
Von Sophia KleinerGeschäftsführerin Grietje Bergmeyer führt durch die verschiedenen Abteilungen im Secondhandladen in der Weidenallee 38. Seit Wochen sind sie dabei den Laden umzugestalten. Denn in Hamburgs ältestem Sozialkaufhaus können bald alle Secondhand-Gegenstände von Kleidung und Accessoires bis hin zu Haushaltswaren erwerben. Bisher konnten hier nur Geringverdiener einkaufen, deren Einkommen unterhalb der Pfändungsgrenze liegt. Vom Image eines Sozialkaufhauses entfernt sich der Laden nun: „Wir wollen Einkaufen im Secondhandbereich zu einem ansprechenden Boutique-Erlebnis machen“, sagt die Geschäftsführerin.
Vor zwanzig Jahren eröffnete Spenda Bel, das vor einem Jahr in Spenda Bel Charity umbenannt wurde. Spenda Bel war das erste Sozialkaufhaus in Hamburg. Von Anfang an beschäftigten sie Langzeitarbeitssuchende, die hier sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze erhielten. Dies werde sich auch nach der Umgestaltung nicht ändern, sagt Bergmeyer.
Das Zwei-Preis-System
„In Arbeitsmarktprojekten machen wir häufig die Erfahrung, dass dort ausschließlich Hartz-IV-Empfänger einkaufen“, stellt Bergmeyer fest. Dies führe zu einer Parallelgesellschaft und fördere kein lebendiges Miteinander im Quartier. Wenn aber jeder im Laden einkaufen kann und dabei Arbeitsplätze gefördert werden, sei das ein Gewinn für alle.
Menschen, deren Einkommen unterhalb der Pfändungsgrenze liegt, können auch im Zweitwert günstig einkaufen: „Wir sind unserer alten Bestimmung treu geblieben“, erklärt Bergmeyer. An der Kasse gilt ab sofort ein Zwei-Preis-System: Einkommensschwache Menschen zahlen für die Stücke etwa 40 bis 50 Prozent weniger als Normalverdiener.
Arbeitsplätze für Langzeitarbeitssuchende
Auch das Einstellen von Mitarbeitern läuft ein wenig anders. „Während die Menschen in der freien Wirtschaft auf Arbeitsplätze zugeschnitzt werden, ist es bei uns umgekehrt: Die Menschen kommen zu uns, und wir suchen eine passende Beschäftigung für sie“, erzählt Grietje Bergmeyer.
Dafür ist Sabrina Beul zuständig. Als Beschäftigungstrainerin achtet sie darauf, welche Fähigkeiten, aber auch welche Herausforderungen die Menschen mitbringen. Das können Schulden, Familienprobleme, Alkohol- und Drogensucht sowie andere gesundheitliche Einschränkungen sein, erklärt Bergmeyer.
„Viele müssen sich selbst erst wiederfinden“, sagt Beul. Eine Arbeitslosigkeit von zehn Jahren oder länger verändere einen Menschen. Langzeitarbeitssuchende sähen sich oft nicht mehr als Teil der Gesellschaft. Beul arbeitet mit ihnen an ihrem Selbstbewusstsein. Dabei sei das Coaching bei jedem Mitarbeiter unterschiedlich: Manche müssten in der Kommunikation mit Kunden sicherer werden, andere dagegen überfordere die Auswahl der Ware.
Nachhaltige Arbeit und nachhaltige Mode
Diese ist ausschließlich aus zweiter Hand. Sie freuen sich, wenn Spender Kleidung, Haushaltswaren und Accessoires abgeben, erklärt Bergmeyer. Aber die Menschen sollen auch mit Lust im Laden einkaufen.
„Hier ist alles Secondhand und zutiefst nachhaltig“, so die Geschäftsführerin. „Ein Großteil der Kleidung, die auf der Welt hergestellt wird, schafft es gar nicht in die Läden, sondern wird verbrannt und geschreddert“, sagt Beul. „Das Stück, das man heute kauft, sieht man morgen im Schlussverkauf“, meint auch Bergmeyer. Diesem Wahnsinn wollen sie ein bisschen entgegenwirken. Hier bringen Kunden ihr einmal getragenes Ballkleid in den Laden und können ein neues Lieblingsstück finden.
Was sie an Spenden im „Zweitwert“ nicht gebrauchen können, geben sie weiter an den Mitternachtsbus und die Alimaus, eine Tagesstätte für Obdachlose und bedürftige Menschen, sagt Beul. In der Boutique gebe es keine Ladenhüter. „Mich vielleicht“, lacht die Beschäftigungstrainerin.
Der Laden wird mit EU-Mitteln kofinanziert
Ohne eine Kofinanzierung würde der Betrieb aber nicht funktionieren, erkärt Bergmeyer. Über das Förderinstrument „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ werden für 2020 Mittel aus dem Europäischen Sozialfond bereitgestellt. Diese Förderung fließe in die Mitarbeiter. „Eine Boutique mit diesem speziellen Konzept ist kein Selbstläufer. Dahinter steht eine Infrastruktur, unter anderem Betreuungskosten, die finanziert werden müssen.“ Auch nach 2020 sei eine Förderung zwingend notwendig.
Am 8. Februar um 17 Uhr feiert Zweitwert in der Weidenallee 38 Neueröffnung. Zu Gast ist die Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank.