Bezirksamt will „Nachtisch“ abbauen
Das Nachbarschaftsprojekt „Nachtisch“ könnte in der kommenden Woche seinen Standort im Stellinger Weg verlieren. Das Fachamt für das Management des öffentlichen Raumes im Bezirksamt Eimsbüttel will das Tauschhaus an der Ecke zum Hellkamp räumen lassen. Die Ankündigung stößt bei den Projektmitgliedern auf Unverständnis.
Von Annika DemgenDer Zuname „Tisch“ passt eigentlich nicht mehr zu dem Nachbarschaftsprojekt im Stellinger Weg. Wo im Oktober 2014 noch ein einfacher Schreibtisch stand, befindet sich inzwischen ein kleines Haus, das Hab und Gut vor Regen und Schnee schützt. Ein Zeichen dafür, dass das Projekt von der Nachbarschaft angenommen wird. Einer der Initiatoren des Projekts versichert uns am Telefon, dass er nichts mit dem Hausbau zutun hat. „An einem Sonntag sind dort einfach zwei Anwohner aufgetaucht und haben angefangen daran zu basteln“, sagt er. Wie viele Menschen dafür sorgen, dass der „Nachtisch“ funktioniert, weiß er nicht.
Jeder, der will, kann Kleidung, Spielzeug oder auch Bücher vor Ort ablegen und sich etwas mitnehmen, was er braucht. Das Tauschhaus ist ein Projekt „von Eimsbüttelern für Eimsbütteler“, sagen die Initiatoren. Aus diesem Grund wollen sie anonym bleiben. Sie verstehen sich nicht als Chefs des Projekts, sondern nur als Anstoßgeber. Kommenden Mittwoch nun könnte das Tauschprojekt an der Ecke Hellkamp aus dem Straßenbild verschwinden.
Fachamt pocht aufs Wegerecht
Am 12. Januar hat das Bezirksamt Eimsbüttel in Form des Fachamts für das Management des öffentlichen Raumes (MR) einen Hinweis an dem Haus befestigt: Das Tauschhaus sei unbefugt auf öffentlichem Grund abgestellt worden, ist dort zu lesen. In zwölf Werktagen wird es abgeholt und verschrottet mit Berufung auf das Hamburgische Wegerecht (§16 und §19). Die, die sich um das Projekt kümmern, sind entrüstet: „Überdacht, auf Paletten stabil aufgebaut und aufgeräumt, keine Vermüllung (ganz im Gegensatz zu den Altpapiercontainern gegenüber) und nun will das Bezirksamt Eimsbüttel unsere Tausch-Station weg machen!!“, schreibt Daniel Seaflower in einem Facebook-Post zu dem Tauschhaus. Ihn erinnert die Ankündigung an die Plättung des Blumenbeets von Andreas Böhle im Heußweg, die im Sommer 2014 für Aufregung sorgte. Letztlich konnte Böhle sich durchsetzen und darf sein Beet inzwischen ganz offiziell betreiben. Könnte auch der „Nachtisch“ rückwirkend „legalisiert“ werden?
Eine Zulassung steht nicht zur Debatte, weil kein Antrag für eine Sondernutzung vorliegt, lässt das MR via Pressestelle verlauten. Doch auch wenn ein Antrag vorliegen würde, sind die Erfolgsaussichten offenbar gering: „Die Verwaltung hat die Einschätzung, dass eine Sondernutzungserlaubnis nicht erteilt würde“, heißt es in der schriftlichen Stellungnahme. 2013 wurde ein Antrag für ein Tauschprojekt auf dem Else-Rauch-Platz abgelehnt. Darauf beruft sich das Fachamt und schätzt die Erfolgsaussichten entsprechend gering ein.
Initiatoren wollen abwarten
Die Initiatoren des Nachtisch wollen in dieser Hinsicht auch nicht den ersten Schritt machen: „Die tun immer nur so, als würden sie sich bewegen und machen dann doch nichts“, sagt uns ein Mitbegründer. Schon 2013 kam es nicht zu einem Austausch: „Das haben wir schriftlich abgelehnt und darauf hingewiesen, diese Einrichtung auf privatem Grund zu errichten“, schreibt das Fachamt.
Es ist nicht das erste Mal, dass das Tauschprojekt im Stellinger Weg geräumt wird. Bisher dauerte es stets nur wenige Wochen bis der nächste Tisch vor Ort auftauchte. Eine erneute Räumung in der nächsten Woche wäre diesmal jedoch besonders ärgerlich, sagt unser Gesprächspartner aus der Initiative: „Meiner Meinung nach ist der Zustand gerade ideal.“ Auf den unüberdachten Tischen wurden Gegenstände immer wieder durch Wettereinwirkungen unnutzbar. Die jetzige Hauskonstruktion verhindert dies.
Wenn das Fachamt seiner Ankündigung Taten folgen lässt, bedeutet dies wohl kaum das Ende für das Nachbarschaftsprojekt. Wahrscheinlicher ist, dass wenige Wochen später wieder ein Tisch an der Ecke Hellkamp auftaucht.
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