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2024 gaben Florence Mends-Cole und Patricia Neumann in Zusammenarbeit mit der Agentur Weissraum Design ein Buch über die Daniela Bar heraus. Es ist gefüllt mit Texten und Bildern, Anekdoten und Erinnerungen.
2024 gaben Florence Mends-Cole und Patricia Neumann in Zusammenarbeit mit der Agentur Weissraum Design ein Buch über die Daniela Bar heraus. Foto: Rainer Wiemers
Magazin #40

Vom kleinen Bürgersteig zur breiten Piazza

Für viele war die Daniela Bar eine Institution. Irgendwann reichte das nicht mehr. Betreiberin Florence Mends-Cole über den Wandel der Bar-Szene am Schulterblatt.

Von Alexis Milne

Das Schulterblatt ist ein Ort der Gegensätze. Hier kaufen Menschen ein, trinken Aperol auf dem Bordstein oder diskutieren über Gentrifizierung – manchmal alles gleichzeitig. Die Straße ist Szene-Treffpunkt und Einkaufsmeile, Symbol linker Politik und Ort des Wandels.

Drei Jahrzehnte lang war sie auch das Revier von Florence Mends-Cole: Gemeinsam mit Patricia Neumann führte sie von 1995 bis 2022 die Daniela Bar am Schulterblatt. Jahrzehnte, die das Viertel und mit ihm das Barleben veränderten.

Mends-Cole sitzt vor einem Café an der Schulterblatt-Piazza, nur ein paar Meter von der ehemaligen Daniela Bar entfernt. Es ist ein ruhiger Vormittag, Biergarnituren säumen den Platz und warten auf die ersten Gäste. Das Viertel wacht auf. Mends-Cole kennt hier jeden Laden und seine Besitzer – sie weiß um ihre Geschichten und Probleme. Und sie weiß, wie sich alles verändert hat.

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Am Morgen ist die Schulterblatt-Piazza noch leer. Foto: Rainer Wiemers
Am Morgen ist die Schulterblatt-Piazza noch leer. Foto: Rainer Wiemers

Niemandsland

1990 zog Mends-Cole nach Ham­burg – vom niedersächsischen Osna­brück ins Arbeiterviertel. Ihr erstes WG-Zimmer fand sie in der Schanze. „Früher war hier Niemandsland“, erzählt sie. Die Rote Flora war gerade besetzt worden. Viele, die in der Schanze lebten, arbeiteten am Schlacht­hof oder in den Gewürzwerken der Familie Laue. In den Läden drum­­herum gab es Fleisch und Gemüse – alles, was Arbeiterfamilien brauchten. Das Schulter­blatt durchzog ein kleiner Bür­ger­steig, keine breite Piazza.

Mends-Cole begann in dieser Zeit, im Hamburger Nachtleben zu arbeiten. Zuerst auf dem Schulterblatt in der Taxifahrerkneipe Golem, dann auch im Komet auf dem Kiez. 1994 kam sie zur Daniela Bar, die sie ein Jahr später mit Neumann übernahm.

Ein Safe Space für alle

Erst kurz zuvor hatte die Daniela Bar am Schulterblatt 86 eröffnet. Sie folgte auf das Highlander, eine Kneipe mit Verbindungen zu Bikergruppen. Früher war wohl ein Animierschuppen in den Räumen, sagt Mends-Cole. Als das Highlander-Schild abgenommen wurde, fand sich dahinter der Schriftzug Daniela. Der Name blieb.

Bekannt wurde die Daniela Bar unter anderem für das Gemälde einer barbusigen Frau, die den Raum überblickte. Hinter dem Tresen standen fast ausschließlich Frauen, Männer durften nur „weiblich gelesen“ im Fummel arbeiten. Sie alle – die Frau im Gemälde und die Barkeeperinnen – bekamen ebenfalls den Namen Daniela. Mit dem Decknamen schützten sie ihre Identitäten. Die Fenster waren blickdicht, sodass niemand von draußen sehen konnte, wenn eine Barfrau alleine war. Wer sich nicht benahm, flog raus. „Es war ein Safe Space, obwohl man das Wort noch nicht kannte“, sagt Mends-Cole.

Die Bar wurde zum Wohnzimmer der Schanze. Menschen haben sich kennengelernt oder zum ersten Mal geküsst. 104 Ehen und 431 Kinder sollen auf das Konto der Daniela Bar gehen. Über die Jahre trafen sich hier Kreative, Taxifahrer nach der Nachtschicht und andere Gastrokollegen. „Das ging bis vier oder fünf Uhr – manchmal auch bis acht“, sagt Mends-Cole. Die kleine Bar war ein Ort für alle; ein Ort zum „betreuten Trinken“.

Von der Bar zum Kiosk

Doch mit dem Wandel des Viertels änderte sich auch das Nachtleben. Als der Bürgersteig zur breiten Piazza wurde und die Mieten stiegen, begannen viele Besuchende, lieber an den Kiosken zu trinken, statt in Bars einzukehren. Um 2010 sei das „Cornern“ salonfähig geworden, sagt Mends-Cole. Für Bars ein wirtschaftliches Problem – denn Kioske müssen keine kostspielige Schanklizenz beantragen und unterliegen weniger Auflagen.

Mends-Cole und Neumann reagierten 2016 mit einem kreativen Protest: Aus der Daniela Bar wurde für einige Zeit „Dein Kiosk“. Drinks für einen Euro, kein Toilettenzugang, Ausschank nur zum Mitnehmen – Bedingungen wie im Trinkkiosk. Der humorvolle Protest erreichte zwar keine Gesetzesänderung, er reihte sich aber in die vielen Daniela-Aktionen ein, die das Team über die Jahrzehnte veranstaltete.

Nur wenig ist geblieben

2020 rollte die erste Corona-Welle durch Deutschland – und mit ihr der Lockdown. Deutschlandweit mussten laut der Wirtschaftsauskunftei Creditreform zwischen 2020 und 2023 rund 48.000 Betriebe in der Gastronomie endgültig schließen. Auch die Daniela Bar schaffte es nicht durch die Pandemie. Dabei hatten Mends-Cole und Neumann noch kurz zuvor beschlossen, ihre Arbeit eine weitere Dekade fortführen zu wollen. Doch nach zwei Lockdowns war das Geld knapp und – auch wegen ständig wechselnder Vorschriften – die Leidenschaft gestorben. Sie gaben sich ein halbes Jahr, um alles zu beenden, allen Bescheid zu geben. Am 13. März 2022 veranstalteten sie die letzte Party.

Nach einem kurzen Abschied von der Gastro ist Mends-Cole mittlerweile wieder zurück: Sie arbeitet im Pallas am Neuen Pferdemarkt. Die Schanze bezeichnet sie ­heute als „durchgentri­fiziert“. Die Schulterblatt-Piaz­za? „Ver­brannte Erde.“ Nur ­wenige Or­te aus früheren Tagen sind ge­blieben: das Café Unter den Linden, die Buchhandlung, der Mädchentreff, die Bar Le Fonque. Auch vom Gefühl der Nachbarschaft sei kaum etwas übrig.

Heute arbeitet Florence Mends-Cole im Pallas am Neuen Pferdemarkt. Foto: Rainer Wiemers
Heute arbeitet Florence Mends-Cole im Pallas am Neuen Pferdemarkt. Foto: Rainer Wiemers

In der Weidenallee sei das anders, die Straße sei bisher weniger kommerzialisiert. „Mir wurde mal gesagt, dass das daran liegt, dass dort viele weibliche Betreiberinnen sind.“ Heute gehe sie noch ins Vienna oder auf einen Drink in die Bar 439 – beides Institutionen, die der Gegend um die Schanze geblieben sind.


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