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Bei der Info-Veranstaltung der Rom und Cinti Union (RCU) wurde unter anderem über ein umstrittenes Gesetz gesprochen. Foto: Tim Eckhardt

Ablehnung – in der Heimat und in Deutschland

Wirtschaftsflüchtlinge, die schnell in ihre Heimat zurück geschickt werden sollen – mit solchen Vorurteilen werden nach Deutschland geflüchtete Roma häufig konfrontiert. Welchen Diskriminierungen und Ausgrenzungen die Minderheit in ihren Heimatstaaten dagegen ausgesetzt ist, erläuterte die Rom und Cinti Union (RCU) am Mittwoch bei einer Info-Veranstaltung in der Schnackenburgallee. Ihr nächstes Ziel: eine Verfassungsbeschwerde.

Von Julia Dziuba

Das Hauptgebäude der RCU befindet sich auf dem Gelände der Zentralen Erstaufnahme (ZEA). Vor drei Jahren stellte der Verein den Durchreiseplatz für Roma der Stadt unentgeltlich für die Flüchtlingsunterbringung zur Verfügung. Mittlerweile leben 2.400 Menschen hier in großen, weißen Zelten und mehrstöckigen Containern. Wäsche hängt aus den Fenstern, an Leinen und über den Zäunen. Polizisten patrouillieren. Es ist still hier, obwohl viele der Bewohner sich im Freien aufhalten, auf dem Weg sind Richtung Waschraum, Essensausgabe. Eine bedrückende Atmosphäre. Für zahlreiche Roma aus dem Westbalkan, aus Mazedonien oder Serbien wäre es vermutlich der Himmel. Chancen, in Deutschland Asyl zu erhalten, haben sie allerdings kaum.

Sichere Heimat?

Eine der Ursachen hierfür ist das im November 2014 verabschiedete „Gesetz zur Einstufung weiterer Staaten als sichere Herkunftsstaaten und zur Erleichterung des Arbeitsmarktzugangs für Asylbewerber und geduldete Ausländer“. Zu diesen sicheren Herkunftsstaaten werden seitdem Bosnien und Herzegowina sowie Mazedonien und Serbien gezählt, „um aussichtslose Asylanträge von Angehörigen dieser Staaten schneller bearbeiten und ihren Aufenthalt in Deutschland schneller beenden zu können“, wie es in einer Mitteilung des Bundesinnenministeriums heißt. Ein „Anti-Roma-Gesetz“ und „in der Tat verfassungswidrig“, urteilte der Völkerrechtler Norman Paech auf der Info-Veranstaltung. Er hatte das Gesetz auf Wunsch der RCU geprüft. Unter anderem bedeute nach den entsprechenden EU-Richtlinien, neben politischer Verfolgung durch den Staat, auch eine Beschneidung der sozialen und wirtschaftlichen Grundrechte, wie beispielsweise Nachteile auf dem Arbeitsmarkt oder im Gesundheitssystem, eine Einschränkung der Sicherheit für die Betroffenen.

Daneben sei die „kumulative Verfolgung“ durch die Vielzahl an Diskriminierungen und Repressionen, denen die Roma in ihrer Heimat ausgesetzt seien, zu berücksichtigen und verpflichte zu einer Aufnahme von Leuten, die vor diesen Verhältnissen fliehen. Über solche auch vom Europarat festgestellten Zustände in den betreffenden Herkunftsländern berichtete auch Robert Rustem vom European Roma and Travellers Forum, der während der Veranstaltung zugeschaltet war. Demgegenüber habe der Gesetzgeber, so Norman Paech, nur eine oberflächliche Prüfung der Gegebenheiten vor Ort vorgenommen. Durch eine Verfassungsbeschwerde solle nun auch verhindert werden, dass weitere Länder wie Albanien unter das umstrittene Gesetz gefasst werden.

Selektionen an den Grenzen

Der ehemalige Stadtrat der Hamburger Innenbehörde und Rechtsanwalt Walter Wellinghausen ergänzte, dass neben dem aktiven Handeln eines Staates auch Unterlassen unter den Begriff der Verfolgung zu fassen sei – also der fehlende Schutz für eine ethnischen Minderheit wie die Roma. Dies sei vom Gesetzgeber „nicht mal im Ansatz berücksichtigt“ worden. Der aus Mazedonien zugeschaltete Präsident des National Roma Congress, Asmet Elezovski, bestätigte entsprechende Berichte über eine Selektion von Roma an der mazedonischen Grenze, die so an der Ausreise gehindert würden. Hier habe sich eine so genannte „Zigeuner-Industrie“ etabliert, die Roma über die Grenzen schleuse, einhergehend mit geschmierten Polizisten und Grenzschützern – viele Roma würden aber auch verhaftet. Es handele sich hier um ein „europäisches Problem“, bei dem Deutschland in der Pflicht stehe, zu helfen.

Die Schließung der Grenzen wie auch die zunehmende Diskriminierung hätten zudem eine „Torschlusspanik“ bei den Betroffenen verursacht, heißt es in einer Mitteilung der RCU: Schätzungsweise über 50.000 Roma seien in den letzten Monaten aus den jugoslawischen Nachfolgestaaten geflohen, mit weiteren 100.000 wird gerechnet. Der Vorsitzende des Landesverbands deutscher Sinti und Roma Schleswig-Holstein, Matthäus Weiß, appellierte auf der Veranstaltung an das historische Verantwortungsbewusstsein der Gesellschaft: „Hat man vergessen, was ’33 und weit davor mit uns passiert ist?“ Die Situation der Roma komme für ihn „einem Krieg gleich“. Rechtsanwalt Alexander Munz, der viele Roma-Flüchtlingsfamilien beraten hat, betonte, dass bei der Stellung eines Asylantrags gerade auch Aspekte, die rechtlich mitunter nicht haltbar seien, aber an Moral und Menschlichkeit appellierten, hervorgehoben werden sollten – oft würden diese Fälle dann absichtlich liegen gelassen. Zudem sei jeder Antrag „eine Akte mehr auf der Behörde und bei Gericht“, was in der Summe ebenfalls Wirkung entfalten könne.

Der Vorsitzende der RCU, Rudko Kawczynski, kritisierte unter anderem den fehlenden Einsatz der Bundesrepublik für in ihren Herkunftsländern diskriminierte Roma in deren Heimat. Foto: Tim Eckhardt
Der Vorsitzende der RCU, Rudko Kawczynski, kritisierte unter anderem den fehlenden Einsatz der Bundesrepublik für diskriminierte Roma in deren Heimat. Foto: Tim Eckhardt

Abschreckende Strafen für Rückkehrer

Der Verbleib der seit Donnerstag im Michel ausharrenden Flüchtlinge ist weiterhin ungewiss. Sie genießen dort Gastrecht, so Anwalt Paech, der zu dem Unterstützer-Kreis zählt. „Bis auf Weiteres“ seien sie im alten Pfarrhaus der Gemeinde untergebracht, es werde sich weiterhin um die Erwirkung eines Bleiberechts für die Flüchtlinge bemüht und auf ihren Schutz geachtet. Menschen, die zurück geschickt werden, müssten grundsätzlich mit harten Bestrafungen rechnen, insbesondere, wenn sie sich wie die Flüchtlinge im Michel offen positioniert haben – dies soll weitere Ausreisewillige abschrecken.

Der Vorsitzende der RCU, Rudko Kawczynski, betonte im Interview nach der Veranstaltung, dass die qua Gesetz und Selektionen eingeschränkte Flucht der Roma „eine neue Welle von Menschen, die illegal in Deutschland leben“ und deren „weitere Verelendung“ hervorrufe. Auch müsse der Diskurs über die Roma „von dieser unsäglichen Sozialschmarotzer-Diskussion weg“. Der Antiziganismus, also die Ablehnung und Diskriminierung der Roma, sei in der deutschen Gesellschaft „tief verwurzelt“ – im Gegensatz zu anderen Minderheiten verfügten sie nicht über eine starke Lobby, die sich für ihre Interessen einsetze: „Wir haben keine Druckmittel, um wirklich die Meinungen zu ändern in Deutschland“, erklärte Kawczynski. Auch bei Politikern werde eine ablehnende Haltung gegenüber Roma deutlich – für den RCU-Vorsitzenden kein Wunder,  „dass aus der Mitte heraus der Rassismus wächst“. Deutschland dürfe sich nicht „zum Arm dieser Staaten“ machen, in denen Roma diskriminiert und ausgegrenzt würden, forderte er. Man müsse die Situation der Roma in ihrer Heimat stärker in den Blick nehmen und hier Änderungen erzielen.

Nach dem Interview fahren wir an den Containern vorbei Richtung Tor. In einem der Fenster, ganz oben, hängen mehrere kleine Deutschland-Fahnen. Vielleicht aufgehängt von einem Roma, der es bis hierher in die Schnackenburgallee geschafft hat – und bleiben will.

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