Sang- und klanglos verschwunden
Ein Stück altes Eimsbüttel ist zu einem Haufen Schutt zusammengesunken: Das älteste noch erhaltene Wohngebäude in der Osterstraße wurde abgerissen.
Von Anja von Bihl„Ich habe es schon länger geahnt, weil das Haus vollkommen leergeräumt war“, sagt Joachim Grabbe. Er ist im Bezirk Eimsbüttel aufgewachsen und gibt heute sein Wissen über historische Orte auf Stadtteilrundgängen der Geschichtswerkstatt an Interessierte weiter.
Die kleine Villa mit der Hausnummer 35 wurde 1871 erbaut. Damals war die Osterstraße noch ein einfacher Lehmweg, weiß Joachim Grabbe zu berichten. Erst 1884 wurde die Osterstraße gepflastert und von einer privaten zu einer öffentlichen Straße ausgebaut. Das Gebäude mit Hochparterre, zwei Obergeschossen und einem kleinen Ladenvorbau hat die beiden Weltkriege leicht beschädigt überlebt. So ließ es bis jetzt erahnen, wie die Osterstraße zwischen Emilienstraße und Schulweg aussah, als sie noch jung war. Nun sollen hier sechs Wohnungen, ein Laden und eine Tiefgarage entstehen. Der Baubeginn ist für März vorgesehen; spätestens im Frühjahr 2017 wird mit der Fertigstellung gerechnet.
Verschwindet die Erinnerung?
Bereits 1943 wurden zwei der ältesten Häuser, in denen die Familien Bartels und Roth zu Hause waren, ein Opfer der Bomben und waren nicht mehr zu retten. Aus den alten Zeiten ist nun nach dem Abriss der Nummer 35 noch das vierstöckige rote Nachbarhaus übrig, das aus derselben Epoche stammt. Das Nebenhaus auf der anderen Seite wurde bereits vor einigen Monaten abgebrochen; an seiner Stelle ist ebenfalls ein Gebäude mit sechs Wohnungen, einem Ladengeschäft und acht Tiefgaragenplätzen geplant.
Joachim Grabbe hofft, dass das Denkmalschutzamt eingreift. Er befürchtet, sonst würden auch die letzten Gründerhäuser aus diesem Teil der Osterstraße bald „rigoros eingestampft und vom Erdboden verschwinden“. Dem Amt liege derzeit kein entsprechender Antrag vor, teilt dazu Enno Isermann mit, der Pressesprecher der Kulturbehörde. In der Vergangenheit wurde das rote Haus allerdings schon einmal vom Denkmalschutzamt in Augenschein genommen. Es sei durch eine „wuchtige Aufstockung“ und den Anbau eines Kiosks so stark verändert worden, dass die rechtlichen Vorgaben für eine Unterschutzstellung nicht gegeben seien.