Corona-Tagebuch: Sternschnuppen mit Pommes
Martin Busche zählt mit uns allen die Tage, die uns Corona stiehlt und führt ein öffentliches Tagebuch: subjektiv, ehrlich, schonungslos. Bis Corona uns hoffentlich scheidet.
Von Martin BuscheDonnerstag, 26. März 2020
Was für Kinder, wunderbar. Anna und Mia sind die Sternschnuppen an Tag vier der Ausgangssperre, die so bekanntlich nicht heißen darf, weil das doof klingt. Anna und Mia heißen wohl auch nicht so, ich hab sie nicht gefragt. Namen tun diesmal nichts zur Sache. Sie haben auch so mein Herz verzaubert, den Tag verschönert.
Die beiden Mädchen sind noch jung, sehr jung, aber voll auf Zack, wissen alles über Corona, mindestens so viel wie die eigene Mama. Die wollte ihre beiden Racker auf die blaue Sitzbank am Eppendorfer Weg platzieren. Die kennt jeder im Viertel. Dittsche hat sie mal signiert, weil der Imbiss davor sein Wohnzimmer ist. Auf der Bank kann man prima die Pommes aus dem Laden essen, über „Ingo-Mann“ sinnieren, an Schildkröte denken, Gott hab ihn selig.
Zu Corona-Zeiten darf auch der Imbiss nur eine Person bedienen, das bedeutet Schlange stehen für eine Schale Pommes. Mia und Anna vor dem Laden, Mama drinnen. Als sie rauskam, hatte sie ein Problem. Wohin mit den beiden Pommes für die Kinder? Auf die Bank natürlich. Mia und Anna fanden das aber doof. „Da darf man nicht sitzen“, wiesen sie ihre Mama zurecht, empört, der Blick auf die Bank war vernichtend. „Die ist vielleicht nicht sauber, wegen Corona.“
In „Friedenszeiten“ ist klar, wer sich da durchsetzt. Die beiden Mädchen hätten noch ein bisschen rumgemeckert, dann aber mit den Pommes friedlich dort gesessen. Immerhin hatte Anna extra „echten Ketchup“ für obendrauf bestellt, „nicht den doofen für Kinder“. Zu Corona-Zeiten ist alles anders. Da müssen sich die Kinder zwar auch setzen, wenn Mama das sagt. Aber nur ein, zwei Pommes lang. Dann gehen die drei doch ihrer Wege, mit den Pommes, wohin auch immer. Tolle Kinder, tolle Mama, sie haben verstanden.