Jüdischer Kulturverein will im Sinne von Peggy Parnass Brücken bauen
„Mit2wo“ richtet sich an alle – im Fokus steht der Dialog. Der jüdische Kulturverein knüpft damit an Peggy Parnass’ Einsatz an.
Von Julia HaasSie veranstalten Lichterfahrten auf der Alster, treffen sich zum koscheren Backen oder sprechen mit Schülern. Im Mittelpunkt steht, das jüdische Leben nicht abzukapseln, sondern Verbindungen zu schaffen.
Bei einem Pressegespräch gaben Giorgio Paolo Mastropaolo und Michael Batz vom jüdischen Kulturverein „Mit2wo“ Einblicke in ihre Arbeit und Ziele.
„Eine gute Tat“
Die Grundlage für den Verein entstand vor einigen Jahren. Mastropaolo erinnert sich an ein Treffen mit der Shoa-Überlebenden Peggy Parnass in ihrer Wohnung: „Sie fragte mich direkt: ‚Du und ich, was können wir tun?‘“
2022 gründete er „Mit2wo“. Der Name leitet sich vom hebräischen Begriff „Mitzva“ ab – „eine gute Tat“ – und gibt die Ausrichtung des Vereins vor.
Peggy Parnass
Peggy Parnass war eine jüdische NS-Zeitzeugin und Publizistin. Sie wuchs in der Methfesselstraße auf und verlor ihre Eltern, die 1942 in einem Konzentrationslager ermordet wurden. Parnass entkam dem nationalsozialistischen Terror durch einen Kindertransport nach Schweden. Nach Kriegsende kam sie als Waisenkind nach London. Später kehrte sie nach Hamburg zurück, studierte hier und wurde durch ihre Gerichtsreportagen, Kolumnen und ihre scharfsinnige Stimme bekannt. Ihr Leben war geprägt von einem unermüdlichen Engagement gegen Intoleranz, Antisemitismus und das Vergessen. In Eimsbüttel erinnert heute der Parnass-Platz an ihre Familie.
Vergangenheit nicht im Fokus
„Mit2wo“ gehört keiner jüdischen Institution an – grenzt sich sogar davon ab. Der Verein wolle es anders machen. Der Fokus liege auf dem Jetzt, nicht der Vergangenheit. Man müsse über den Holocaust sprechen, aber eben nicht nur, wird beim Pressegespräch deutlich.
Jüdisches Leben in Deutschland
Rund 95.000 Menschen in Deutschland gehören einer jüdischen Gemeinde an. Schätzungen zufolge leben jedoch über 200.000 Personen jüdischen Glaubens in Deutschland. Es gebe viele Juden in Deutschland, die sich durch die offiziellen jüdischen Einrichtungen nicht vertreten fühlten, sagt Mastropaolo. Mit „Mit2wo“ wolle er auch ihnen einen neuen Raum eröffnen.
Nicht-jüdische Interessierte sind ebenso willkommen. Das zeigt sich schon beim ehrenamtlichen Vorsitzenden: Michael Batz. Der Lichtkünstler und Autor ist von Anfang an dabei – bei verschiedenen Aktionen verwirklichte er seine Lichtkunst. Für Batz und Mastropaolo hat das Licht eine besondere Bedeutung. Es sei eine Art der Sprache, die auch ohne Worte auskommt.
Viele Themen des Vereins haben einen jüdischen Kern, doch „Mit2wo“ versteht sich als multikulturell – offen für alle, die die humanistische Leitidee teilen. „Peggy hat sich für alle Minderheiten eingesetzt“, sagt Mastropaolo. „Genau das wollen wir fortführen.“ In einer Zeit, in der die Gesellschaft weiter auseinanderdrifte, müsse man in den öffentlichen Raum treten und das Gespräch suchen.
Mit Blick auf den zunehmenden Antisemitismus sagt Mastropaolo: Viele Vorurteile existierten, weil zu wenig über das Judentum bekannt sei.
Was bewegt die Menschen?
Welche Themen und Veranstaltungen „Mit2wo“ aufgreift, entscheide sich häufig spontan. Im Vordergrund stehe, was die Menschen aktuell beschäftigt.
So fuhr der Verein im Vorfeld der Bundestagswahlen mit einem von Batz illuminierten Bus durch Hamburg. In Billstedt, Wandsbek und am Hauptbahnhof trugen Hamburger Persönlichkeiten Zitate zum Thema Mitmenschlichkeit vor.
Am 29. November lädt der Verein zu einem Lichter-Event auf der Binnenalster ein. Es verbindet das christliche Weihnachten mit dem jüdischen Chanukka. Zwei Stunden lang fahren die Teilnehmer in einem als „Licht-Boten“ gestalteten Schiff über die Alster. Verschiedene Programmpunkte begleiten die Fahrt – unter anderem stellt sich die „Praxis ohne Grenzen“ vor, ein medizinisches Angebot für Menschen ohne Versicherungsschutz.
Nicht in Schubladen denken
Fest im Verein verankert ist die „Mit2wo“-Akademie. Es ist ein Format, mit dem der Verein unter anderem Schulklassen und die Hamburger Polizei besucht. Die Workshops zielen darauf ab, ins Gespräch zu kommen und das Denken in Schubladen aufzubrechen.
Für die Zukunft hofft der Verein auf einen festen Standort, der regelmäßig mit Programm bespielt werden kann. Bis dahin zieht „Mit2wo“ durch Hamburg – immer auf der Suche nach Begegnungen und echtem Dialog.
lokal. unabhängig. unbestechlich.
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