Die späte Liebe
Rene Eichenauer und Algimantas, genannt Algi, Gurinskaite waren über 70, als sie sich verliebten. Nach etwas mehr als einem Jahr starb Rene.
Von Christiane Tauer„Rene war 78 und ich 73 Jahre alt, als wir offiziell zusammenkamen. Es war der 1. Juni 2023, ich war gerade an der Osterstraße aus dem Bus gestiegen und rief sie an. ‚Rene, hast du Zeit? Ich möchte mir gerne einen Kuss abholen.‘ Sie wohnte ganz in der Nähe, am Stellinger Weg, kam sofort rüber, und dann haben wir uns geküsst. Einige Zeit später habe ich ihr einen Ring gekauft, als Symbol unserer Liebe. Wirklich heiraten wollten wir aber nicht.
Kennengelernt hatten wir uns Jahre zuvor über den Hamburger Blinden- und Sehbehindertenverein. Ich habe nur noch fünf Prozent Sehkraft, Rene konnte etwas besser sehen. Wir besuchten Kulturveranstaltungen des Vereins, halfen dort bei der Organisation und führten viele Gespräche. Dann brach der Kontakt ab, weil sie nicht mehr zu den Veranstaltungen kam.
„Das ist Algi, das ist meiner“
Rene hat sich in dieser Zeit im Eimsbütteler Kreativhaus verstärkt engagiert und dort unter anderem das Sonntagsfrühstück mit Kultur angeboten. Weil mein Nachbar beim dortigen Klönschnack als Musiker auftrat, bin ich auch mal mit nach Eimsbüttel gefahren. Ich selbst wohne in Lurup. Beim Klönschnack habe ich nach fünf Jahren Rene wieder getroffen! Trotz meiner Sehbehinderung habe ich sie sofort erkannt. Wir haben Kaffee getrunken, sind am Weiher spazieren gegangen oder ins Theater gefahren. Witzig war, wie Rene den anderen beim Klönschnack erzählt hat, dass wir zusammen sind. Sie stellte sich hin und sagte: ‚Das ist Algi, das ist meiner. Und wehe, da geht eine bei, der gehört mir!‘
Obwohl wir in gewisser Weise unterschiedlich waren – ich bin eher Perfektionist und Minimalist, sie war genau das Gegenteil – haben wir einfach wie Pott und Deckel zusammengepasst. Wir liebten beide Musik, Deutschrock von Peter Maffay zum Beispiel, sie auch französische Chansons. Wir haben gerne getanzt und sind einmal sogar zusammen ins Gruenspan gefahren, zur Irish Night. Da war es uns aber zu voll.
Schmetterlinge im Bauch
Wir haben uns ohne Worte verstanden und wussten direkt, was der andere dachte. Wenn ich sie traf, hatte ich Schmetterlinge im Bauch. Zu ihrem 79. Geburtstag vor einem Jahr habe ich auch ihre Söhne kennengelernt, Rene hatte drei Kinder, ich selbst habe vier.
Als Rene am 14. August 2024 plötzlich starb, war sie bei mir. Sie war nicht allein. Zu ihrer Beerdigung auf dem Ohlsdorfer Friedhof bin ich mit unseren Freunden vom Kreativhaus gefahren. Wir haben uns Hüte von Rene aufgesetzt – Rene liebte Hüte – und sie als Erinnerung an sie behalten. Am Grab lief das Lied „Ich liebe dich“ von Reinhard Mey. Unsere Liebe im Alter war für uns beide ein Geschenk. Wir haben nicht zusammen gewohnt, aber trotzdem den Alltag miteinander verbracht wie ein altes Ehepaar – nur ohne 40 Jahre miteinander verheiratet gewesen zu sein.“
lokal. unabhängig. unbestechlich.
Eimsbüttel+
Mit Eimsbüttel+ hast du Zugriff auf alle Plus-Inhalte der Eimsbütteler Nachrichten. Zudem erhältst du exklusive Angebote, Deals und Rabatte von unseren Partnern.
