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Charles Booz Jakob, Rapper und Gabriele Rossmanith, Opernsangerin an der Staatsoper Hamburg in den DiY Sudios, Karolinenstrasse 45 im Interview mit Julia Haas Eimsbuetteler Nachrichten
Rapper Booz und Opernsängerin Gabriele Rossmanith in den DiY Sudios, im Interview mit den Eimsbuetteler Nachrichten. Foto: Rainer Wiemers
Blickpunkt: Musik

Der Rapper und die Opernsängerin

Was passiert, wenn eine Opernsängerin und ein Rapper aufeinander treffen? Sie machen gemeinsam Stimmübungen. So passiert in den DIY-Studios bei den Messehallen. Dort haben wir Opernsängerin Gabriele Rossmanith und Rapper Booz zum Gespräch getroffen.

Von Julia Haas

Er hat verschlafen. Sie braucht einen Espresso, um wach zu werden. Müdigkeit schwingt in ihren Stimmen, als sich Opernsängerin Gabriele Rossmanith und Rapper Booz an einem Donnerstagmorgen zum Gespräch treffen. Kurze Nacht, resümieren beide. Sie sang am Abend auf der Opernbühne, er produzierte bis in die Morgenstunden im Tonstudio.

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Seit 34 Jahren ist Rossmanith Mitglied im Ensemble der Staatsoper Hamburg. Die 65-Jährige trat dort unter anderem als Pamina (Die Zauberflöte), Micaëla (Carmen) und Sophie (Rosenkavalier) auf. 2020 übernahm sie die Leitung der internationalen Opernstudios und kümmert sich dort um den musikalischen Nachwuchs. Die gebürtige Stuttgarterin lebt im Grindelhof in Rotherbaum.

Booz Jakob ist in Eimsbüttel aufgewachsen: „Ich bin seit Tag eins hier.” Vor zehn Jahren begann der heute 27-Jährige, Musik zu machen. Im April brachte er seine neue Single „Way Out” raus, im Sommer tritt er beim Hip-Hop-Festival Splash auf. Neben der Musik schauspielert Booz, hat unter anderem in der Netflix-Serie „Skylines” mitgespielt.

Eimsbütteler Nachrichten: Heute morgen beim Frühstück, welches Lied habt ihr gehört?

Rossmanith: Ich höre eigentlich nie Musik. Vielleicht nebenbei ein bisschen, was mein Mann hört. Aber ich selbst mache keine Musik an. Das wird mir zu viel.

Booz: Heute morgen hat mir ein Freund ein Lied geschickt: „Talk To Me Nice”. Da hab ich kurz reingehört. Ansonsten habe ich auch oft diese Phasen, wo ich keine Musik höre.

Also spielt Musik privat keine Rolle?

Rossmanith: Doch, sie ist die ganze Zeit in meinem Kopf. Gestern bin ich in „Elektra” aufgetreten. Die Musik ist kolossal und immer noch überall in mir drin. Ich habe immer Ohrwürmer.

Booz: Ich höre schon, was so abgeht. Muss ich und möchte ich auch. Aber irgendwann nach sechs Stunden im Studio, hast du einfach genug. Privat feier ich Masego sehr. Der macht viel mit Live-Instrumenten, ne Art Urban-Jazz. Diese melodische Musik mag ich. Auch wenn es ein Kontrast zu meiner Mucke ist, aber das brauch ich zum Abschalten.

Frau Rossmanith, wie wird man Opernsängerin?

Rossmanith: Eigentlich wollte ich irgendwas mit Kindern und Musik machen. Aber dann hab ich Geige studiert und später Gesang. Mit Anfang 20 hätte ich nie gedacht, dass ich Opernsängerin werde. Damals hat man zu mir gesagt, ich hätte kein Spieltalent und meine Stimme wäre nicht groß genug. Hat sich zum Glück beides nicht bewahrheitet. Als ich in der Hamburgischen Staatsoper vorsingen sollte, wollte ich erst gar nicht hin. Ich dachte nie, dass die mich nehmen. Naja, jetzt bin ich schon ewig hier.

Wie war das bei dir, Booz?

Links: Booz ist Eimsbütteler durch und durch: „Ich bin nur einmal kurz in die Holstenstraße gezogen, wollte aber sofort wieder zurück.” Rechts: Gabriele Rossmanith lebt seit über 30 Jahren in Eimsbüttel. Ihr 24-Jähriger Sohn ist hier aufgewachsen. Er kennt Booz über Freunde, erzählt Rossmanith. Fotos: Rainer Wiemers

Booz: Ich war immer ziemlich überzeugt, dass das was wird. Meine Mutter wollte, dass ich Arzt werde. Deswegen hab ich die Schule beendet und mein Abi gemacht. Damit war sie glücklich. Aber dann hab ich Musik gemacht. Erst waren alle so „haha”, aber dann plötzlich „oh, ich komm auf dein Konzert”. Deswegen: einfach machen.

Rossmanith: Das Selbstbewusstsein ist beneidenswert.


Gabriele Rossmanith hat Violine und Gesang studiert. Die Kunst der klassischen Musik liegt für sie in den „technischen Skills”. Und: viel üben. Während ihres Violine-Studiums hat sie bis zu sechs Stunden am Tag an ihren Fähigkeiten gefeilt.


Und im Rap? Einfach machen?

Booz: Am Anfang rappt man einfach und macht irgendeinen Refrain. Irgendwann hab ich aber gemerkt, dass Musik nicht nur ein Gefühl ist, das man auf 90 bpm und einen Beat packt. Jeder gute Song ist arranged, es gibt verschiedene Parts. Und es gibt Skills, wie die Lyrics besser werden. Mit mehrsilbigen Reimen hat es angefangen wirklich Spaß zu machen – sowas wie von Samy Deluxe, der reimt „Ho-tel Suit Bal-kon” auf „Po-e-sie-al-bum”. Du kannst im Rap allen möglichen Kram machen, aber um es lange zu machen, brauchst du deinen eigenen Stil. Ich bin da auch sehr genau geworden, damit das, was ich schreibe, gut geschrieben ist. Beim Deutsch-Rap ist die Kunst, so zu ­schreiben, dass Bilder im Kopf entstehen.

Rossmanith: Und dabei ist es sehr konzentriert und knapp. In der Oper wollen wir auch Bilder schaffen, aber wir singen dafür seitenlang über einen winzigen Inhalt.

Welche Rolle spielt die Stimmtechnik?

Booz: Ich hab mal Gesangsunterricht genommen, war aber nicht konzentriert genug. Ich hab es nicht geschafft, regelmäßig einmal die Woche zum Unterricht zu gehen. Ich wollte, dass das schnell funktioniert.

Rossmanith: Das geht nicht schnell. Ich habe mit fünfzehn angefangen, Gesangsunterricht zu nehmen, und seitdem immer weiter gesungen.

Booz: Sehr fleißig.

Rossmanith: Fleiß ist mein zweiter Vorname. Sonst geht das nicht. Mit Jugendkraft kannst du in der Oper fünf oder zehn Jahre überleben, danach wird es ohne saubere Technik schwierig. Nur Talent reicht nicht. Ich hab in der Oper viele gesehen, die schnell wieder von der Bildfläche verschwunden sind, weil die Stimme irgendwann schepperte oder rau wurde.

Booz: Und dann funktioniert die Stimme nicht mehr?

Rossmanith: Ja, manche Schäden sind irreparabel. Das ist ja nicht normal, was wir machen – so laut und hoch schreien, ohne Mikrofon.
Du benutzt deine Stimme auch sehr viel. Was machst du vor Auftritten, wenn sie mal nicht anspringt?

Booz: Wenn ich auf der Bühne stehe, atme ich durch den Bauch, dadurch habe ich mehr Ausdauer.


„Das ist gut”, sagt Rossmanith. Sie atmet tief ein, zieht dabei den Bauch ein und richtet ihren Oberkörper auf. „So kommst du auf deine Stimm-Stütze.” Booz macht es ihr nach. „Machst du Einsprechübungen?„, fragt sie.


Booz
: HA-HA-HA, HE-HE-HE und P-T-K-P-T-K. Für den Rap brauche ich das aber weniger. Außer wenn es melodische Refrains gibt.

Was bei beiden nicht fehlen darf:

Booz: GeloRevoice.

Rossmanith: Das habe ich immer in der Handtasche. Die Tabletten sind wie Balsam für die Stimme.

Booz: Und ich hab gehört, ein Apfel soll gut sein. Und keine Schokolade.

Rossmanith: Apfel ist wahrscheinlich gut, weil durch das Kauen alles durchblutet wird. Aber Schokolade esse ich vor Auftritten. Wenn man zu empfindlich wird, macht das wahnsinnig.

Was macht ihr in der Stunde vor dem Auftritt?

Booz: Ich sitze bei meinem Team im Backstage-Bereich, und wir sagen uns alle: Das wird großartig. So 15 Minuten vorher rede ich mit keinem mehr. Dann komme ich runter, um wieder hochzukommen.

Rossmanith: Runterkommen, um wieder hochzufahren – so machen wir das auch. Ich komme am liebsten richtig früh in die Oper, um mich zu sammeln und in die Rolle einzutauchen. Davor singe ich mich zuhause ein. Dann muss ich in die Maske, bei „Elektra” sind das 2 ¼ Stunden, und danach gibt es eine musikalische Probe.
Ich hab ein paar Videos von dir angeguckt. Ich hab keine Ahnung, wie man so schnell sprechen und sich so viel Text merken kann. Das ist Präzisionsarbeit.

Booz: (grinst) Egal, wie oft ich den Text schon gemacht habe, ich muss ihn einen Tag vorher nochmal üben. Sonst fang ich an zu stottern. Ich bin zwar ein guter Improvisationskünstler, aber die Leute verdienen zu 100 Prozent eine gute Show.

»Die Klassik ist die Lehrerin, Rapper sind die Schüler«

Improvisieren – geht das auch in der Oper?

Rossmanith: Gar nicht, wir sind total an die Musik gebunden. Das Orchester spielt immer weiter. Wenn ein Requisit nicht da ist oder eine Tür nicht aufgeht, müssen wir was anderes spielen, aber was anderes singen geht nicht.

Booz war noch nie in der Oper.

Hast du trotzdem einen Bezug zu klassischer Musik?

Booz: Ich hab vor drei Jahren einen Künstler in Amsterdam kennengelernt: Young Sor. Der macht Rap auf klassische Musik. Das ist schon nice. Ich bin ein Fan davon, wenn Welten aufeinander treffen.

Rossmanith: Ich finde das toll. Auch für die Zukunft der Oper. Ich will nicht, dass das ausstirbt. Es gab so viele junge Leute, die mit meinem Sohn in die Oper gekommen sind und das total spannend fanden und schön und bewegend. Aber da ist dieses Schwellenproblem, dass man überhaupt hingeht. Alles ist sehr gesetzt und nicht attraktiv für jüngere Menschen.

Booz: Kann auch daran liegen, dass man mit Oper eine gewisse Strenge assoziiert. Nicht so eine Lockerheit.

Rossmanith: Aber das hat sich total verändert.

Booz: Krass, ich könnte mir nicht vorstellen, dass da jemand mit einer Punker-Jacke hingeht.

Rossmanith: Doch, wir würden das alle feiern. Vielleicht ein paar nicht, aber die meisten.

Klassische Musik und Rap sind also nicht zwei völlig getrennte Welten?

Booz: Für mich ist die klassische Musik der Lehrer in der ganzen Musikblase und die Rapper sind die Schüler.

Rossmanith: Ich sehe das nicht so: Wir können noch sehr viel lernen, was Authentizität betrifft. Wir geben nur Aufgeschriebenes wieder, sind Reproduzenten. Klar versucht man ein bisschen was von sich selbst reinzugeben, aber was ihr macht, ist viel direkter. Du erzählst von deinem Leben, deinen Gefühlen. Und ich spiel irgendeine Person.

Könntet ihr euch vorstellen, die Musikwelten zu verknüpfen?

Rossmanith: Ich würde sowas gerne machen. Wenn junge Leute hören, dass die Oper was mit Booz macht, dann gucken sie es sich vielleicht an.

Booz: Hundertpro. In ­unserer Industrie muss man zu­­sammen­arbeiten. Nur so passieren neue Dinge.

Wie geht es für euch und die Musik weiter?

Rossmanith: Als Sängerin hört das langsam bei mir auf, aber ich kümmere mich um den Nachwuchs und bleibe noch eine Weile im Business.

Booz: Ich werde immer Musik spielen – hundertprozentig. Aber vielleicht kommt irgendwann der Moment, an dem ich andere Musik mache. Ich glaube nicht, dass ich immer rappen werde.

Rossmanith: Was wäre das für Musik?

Booz: Vielleicht bisschen erwachsener – ich mag das Wort eigentlich nicht. Aber Musik, die du dir anhören kannst, wenn du mit mir als Fan groß geworden bist. Und dir nicht denkst: Ey Diggi, ich hab jetzt Frau und Kind, und du rappst immer noch darüber, dass du der flyeste im Club bist. Das ist dann vorbei

Rossmanith: (lacht) Man hat als junger Mensch seine Vorstellungen, aber es kommt alles anders.


Am Ende tauschen Gabriele Rossmanith und Booz ihre Handynummern aus. Sie wollen in Kontakt bleiben, die Musikwelten verknüpfen.

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