Eimsbütteler Mützenmanufaktur produziert ökologischen Mundschutz
Ein Textilbetrieb aus Stellingen setzt Zeichen: Neben Mützen nähen sie jetzt Schutzmasken.
Von Vanessa LeitschuhEr ist das Must-have der Pandemie und macht sich derzeit ähnlich rar wie Klopapier: der Mundschutz. Zwar schützt er seinen Träger nicht vor einer Ansteckung mit dem grassierenden Coronavirus, doch er setzt Zeichen: „Ich möchte dich nicht anstecken, ich nehme die Lage ernst“.
Von der Mütze zum Mundschutz
Dass der Mundschutz jetzt en vogue sind, führt aber zu mehreren Problemen: der Markt für Schutzmasken wird angeheizt, eine wichtige medizinische Ausrüstung verknappt und Anreize geschaffen, die Masken aus Krankenhäusern zu stehlen. Hinzu kommt: Einmalmasken produzieren Müll.
Das Eimsbütteler Familienunternehmen Pickapooh hat darauf reagiert: Die Mützenmanufaktur stellt jetzt auch Mundschutz her. Denn Inhaberin Kerstin Tollmien ist überzeugt: „Wenn jeder einen trägt, verlangsamen wir die Ausbreitung.“
„Davon träumt man nachts“
Seit 1991 werden in dem kleinen Stellinger Textilbetrieb Mützen und andere Accessoires aus ökologischen Naturfasern genäht. Insgesamt 30 Mitarbeiter gehören dazu. Weil nur drei von ihnen eigene Nähmaschinen haben und im Homeoffice arbeiten können, trägt in der Manufaktur nun jeder einen Mundschutz.
„Ohne geht es nicht“, erklärt Tollmien. Hauptsächlich zum Schutz der anderen, aber auch zum eigenen: „Wir fassen uns intuitiv ständig an Mund und Nase – auch das grenzt der Mundschutz ein.“
„Wenn jemand von uns krank wird, muss der ganze Betrieb schließen, davon träumt man nachts.“
Nachhaltiger Schutz
Bei Pickapooh gehört die Schutzmaske nun zur Arbeitsuniform. Das Problem dabei: Es gibt kaum welche zu kaufen. Seit Corona ist der Billigartikel zur Luxusware geworden. Der Betrieb musste handeln, stellt nun selbst Masken her.
Dafür verwendet die Manufaktur ein Material, das sich bewährt hat, aus dem die Mitarbeiter sonst Sonnenhüte für Kinder nähen. Das Gewebe ist so dicht, dass es selbst vor krebserregenden UV-Strahlen schützt.
Noch gelten die Masken offiziell als Behelfsmundschutz. Sie sind noch nicht geprüft. Daran arbeitet Kerstin Tollmien zurzeit. Doch die Zertifizierung dauert, darauf wollte sie nicht warten. „Wir haben schon Bestellungen von Personen, die ihre Eltern pflegen müssen oder von Pflegediensten. Es fehlt überall und Lösungen müssen her.“
Überleben und helfen zu überleben
Die Pickapooh-Schutzmaske schließt Mund und Nase großzügig ab, hat ein elastisches Band, ist waschbar und damit wiederverwendbar. Das Unternehmen empfiehlt, den Mundschutz nach dem Tragen bei 60 Grad zu waschen.
Auch Mützen verkaufen sie weiterhin, doch viele Kunden haben ihre Aufträge storniert, weil sie ihre Geschäfte nicht mehr öffnen dürfen. „Hier liegen Berge von Mützen. Wir müssen erstmal sehen, wie wir die loswerden“, erzählt Tollmien.
Die Unternehmerin möchte mit ihrem neuen Produkt gegen die angespannte Marktlage vorgehen. Gleichzeitig versucht sie aber auch, ihr Unternehmen zu retten: „Ich möchte dafür kämpfen, dass all die Menschen hier ihre Arbeitsplätze behalten.“ Aus eigener Kraft, ohne staatliche Hilfen. Die will sie für die lassen, die es nötiger haben. „Wir wollen es schaffen, mit einem guten Produkt aus uns selbst heraus zu überleben. Jeder muss jetzt versuchen, sich etwas einfallen zu lassen.“
Bisher verkaufte der Textilbetrieb seine Produkte ausschließlich über den Einzelhandel. Den Mundschutz können Kunden direkt bei Pickapooh per Mail oder direkt auf der Website bestellen.
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