Der Hindu-Tempel mitten in Stellingen
In Eimsbüttel sind viele verschiedene Religionen Zuhause. Eine davon ist der Hinduismus. Mitten in Stellingen – über einer Kneipe und neben einer S-Bahn-Station – liegt der Jyoti Maiyya Hindu Tempel. Hier können Gläubige ein kleines bisschen Südasien aufsaugen.
Von Jannika GrimmDirekt neben der S-Bahn Station Stellingen liegt der Jyoti Maiyya Hindu Tempel, in einem unauffälligen hellgestrichenen Haus. Drinnen strömt der Geruch von Räucherstäbchen in feinen Schwaden durch das Treppenhaus. Trommeln, Rasseln und Gesang – das sogenannte Volkslied, „Bhajan“ ist zu hören. Oben angekommen, stehen aneinandergereiht einige Schuhregale aus Holz. Denn jeder Besucher muss, bevor er die Räume betritt, seine Schuhe ausziehen.
Rot ist die Farbe der Fröhlichkeit
Der große Gemeinderaum ist mit roten Perserteppichen ausgelegt. Entlang der Wände sind dunkelrote Sitzkissen ausgebreitet. Die Farbe Rot steht im Hinduismus für Fröhlichkeit. Frauen tragen sie beispielsweise zu ihrer Hochzeit. Das Summen und Rasseln kommt aus einem der hinteren Räume, dem Gebetsraum. „Wie man hört, wird viel gesungen. Unter uns liegt eine Kneipe, ein Stück weiter die S-Bahn: Hier stören wir also niemanden“, sagt Anil Chaudhry und lächelt.
Anil Choudhry arbeitet ehrenamtlich für seine Gemeinde und übernimmt die Gruppenführungen durch den Tempel. Seit fünf Jahren ist der Jyoti Maiyya Hindu Tempel in der Volksparkstraße zu finden.
„Der Tempel ist für jeden geöffnet. Dabei spielt es keine Rolle, ob man Hindu ist oder nicht“, berichtet der 38-jährige Anil Choudhry. Es gibt dampfenden Chaitee und Halva, eine Süßspeise bestehend aus Mehl, Öl und Zucker.
Ungefähr 100 Mitglieder zählt der Tempel. Aber mehrere Hundert Gläubige aus ganz Hamburg kommen nach Stellingen, um zu beten.
Innere Ruhe finden
Auch wenn es in den Tempelanlagen laut ist, geht es im Hinduismus um die innere Ruhe. „Denn wenn man die innere Ruhe hat, kann man den Alltag bewältigen.“ Jeden Tag müsse sich der Mensch mit vielen verschiedenen Dingen auseinandersetzen. Die Götter sollten daher dem Einzelnen die Kraft geben, die Hürden des Alltags zu meistern.
Der größte Unterschied im Hinduismus zum Islam oder Christentum ist die unzählige Anzahl an Göttern. An jedem Wochentag wird ein anderer Gott verehrt und jeder Hindu hat einen Lieblingsgott, den er anbetet.
Glaube und Hilfe im Alltag
Heute sind rund 20 Gläubige im Gebetsraum. Zu besonderen Festen besuchen bis zu 400 Menschen den Tempel. Vier Mal in der Woche werde für die Gemeindemitglieder Essen angeboten, erzählt Anil Choudry. Zudem arbeiten vier Priester eherenamtlich in dem Tempel.
Die Gemeinde ist vielseitig. Neben Indern kommen auch Gläubige aus Pakistan und Afghanistan in den Jyoti Maiyya Hindu Tempel. Nicht nur der Glaube steht im Mittelpunkt. Jeder in der Gemeinde erhält Hilfe, wenn er darum bittet. Ob es nun darum geht, ältere Menschen zum Arzt zu begleiten oder ein Bewerbungsschreiben zu verfassen. Für Anil Choudhry bedeutet Glaube in unserer heutigen Zeit Schutz für seine Familie und sich. Anil Choudhrys Vorfahren stammen aus Indien, er selbst wurde in Kabul geboren und als Kind nach Deutschland gezogen. Aufgewachsen ist er in Hamburg – und mit dem Hinduismus, der immer ein Teil von ihm sein wird.
Heimat in der Ferne
Der Altarraum ist für jeden zugängig. Die verschiedenen Altäre sind bunt verziert. Es gibt Schüsseln für Opfergaben. Neben Essen und Trinken wird häufig auch Geld oder Blumen gespendet. Die heiligen Bücher, die „Bhagavad-Gita“ sind ebenfalls ausgelegt. Dort stehen die elementaren Voraussetzungen für einen Hinduisten. Dazu zählen zum Beispiel die Wiedergeburt und das Leben auf der Erde. Auch das Verbot Rindfleisch zu essen gehört dazu, denn die Kuh ist im Hinduismus heilig. „Unser Glauben sagt, dass alles von Herzen kommen muss“, sagt Choudhry.
Nach dem Tod werden gläubige Hinduisten eingeäschert, nach Indien gebracht und in den heiligen Fluss, den Ganges gestreut, damit die Seele ihre Ruhe findet. Jeder Hindu sollte sich einmal in seinem Leben im Ganges reinwaschen.
Die Gemeinde sei sehr dankbar, dass sie ihren Glauben hier in Eimsbüttel frei ausleben kann und einen Tempel hat. „Die freie Religionsausübung in einem fremden Land bedeutet, dass man sich ein Stück weit die Kultur erhält“, so Choudhry. Es sei für viele auch ein bisschen Heimat in der Fremde.
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