„Private Peaceful“ in den Kammerspielen
Am Freitag sind die Hamburger Kammerspiele mit der Premiere des Stücks “Private Peaceful” in die neue Spielzeit gestartet. Vor ausverkauftem Haus überzeugt Robert Stadtlober in der Rolle des Soldaten Tommo Peaceful mit einem eindrucksvoll intensiven und lebendigen Spiel. Ein Anti-Kriegsdrama über verlorene Menschlichkeit.
Von Robert BeckerBei Private Peaceful ist weniger mehr: Ein Schauspieler steht überwiegend alleine auf der Bühne, es gibt ein konstantes Bühnenbild, welches elliptisch angeordnete, spitze Granitfelsenblöcke erkennen lässt und eine Musik- und Klangkunst, die live von einem DJ-Pult aus eingespielt wird. Von Reduktion oder gar Rücknahme kann bei diesem Stück aber keinesfalls gesprochen werden.
Private Peaceful ist eine eindrucksvolle Ein-Personen-Performance, bei der Robert Stadlober in der Rolle des jungen Soldaten Tommo stimmlich wie körperlich alles gibt. Die von Andreas Spechtl eingespielte Musik erzählt die Geschichte des jungen Soldaten atmosphärisch packend mit. Die deutschsprachige Erstaufführung des Stücks, das auf die gleichnamige Romanvorlage des in England sehr bekannten Jugendbuchautoren Michael Morpurgo aufbaut, ist ein sehr privates und intensives Kammerspiel. Regie führte Martin Dueller gemeinsam mit Robert Stadlober. Das gesamte Team des Stücks erntete bei seiner Premiere in den Hamburger Kammerspielen am vergangenen Freitag – zugleich Eröffnung der neuen Theaterspielzeit – langanhaltenden, tosenden Applaus.
„3 Tage schliefen wir wie Menschen.“
In dem Stück geht es um den Gefreiten Thomas Peaceful, der in die Maschinerie des Militärs gerät. Thomas, genannt Tommo, erzählt in der Ich-Perspektive seine Geschichte, die tragisch verläuft. Der junge Soldat öffnet sich in seinem virtuos gespielten Bericht seiner Erlebnisse voll und ganz gegenüber den Zuschauern. Seine Anspannung, Verlorenheit und Zerrissenheit werden eindrucksvoll rübergebracht, genauso wie Tommos Versuche, trotz Kriegsalltag und Befehlsdruck wieder Mensch zu sein und gedanklich aus den Erfahrungen von Tod und Leid auszubrechen.
Die Lebenswirklichkeit Tommos und seiner Kameraden wird tagtäglich unmenschlicher, die Szenerie von Tod und Brutalität des Kampfs weitet sich aus und vernebelt die Erinnerungen an ein ziviles Leben, wie die jungen Männer es alle einmal hatten. Robert Stadlober läuft über die Bühne, wirft sich in Deckung, schreit lauthals den Gasalarm heraus. Das Stück lebt von den schnellen Wechseln zwischen ruhigeren Abschnitten und hektischen Szenen, in denen Panik und Todesgefahr Tommo ins Gesicht geschrieben stehen. Stadlober setzt seine Stimme unterschiedlich sein, variiert Lautstärke und Sprechrichtung, spricht aber immer deutlich und klar. Die eingespielte, variationsreiche Musik von Andreas Spechtl erzählt stets mit und dient nicht nur zur Untermalung. Am Schluss des Stücks tritt Spechtl vom Mischpult im Hintergrund ab und agiert zusammen mit Robert Stadlober auf der Bühne. Durch den Sprechpart des zunächst über gut 80 Minuten im Hintergrund wirkenden Musikers öffnet sich das Stück und schenkt den Zuschauern ein intensives Finale.
Da Private Peaceful an vielen Stellen Übertragungen in die heutige (Kriegs-)Welt anbietet, so werden etwa computergesteuerte Drohnen angesprochen, ist das Stück auch all jenen empfohlen, denen das Thema Erster Weltkrieg zunächst einmal als zu weit weg erscheint. Die Inseln der Ablenkung durch Alkoholbetäubung und Träume, zu denen der jungen Soldat Peaceful zeitweise findet, und die schnellen Wechsel, die den Zuschauer die Wucht der einprasselnden, äußeren Einflüsse miterleben lassen, bilden ein zentrales Element. Von der Hoffnung einer jungen Generation, von Zwängen, Druck und leidvollen Erfahrungen, und auch davon die eigenenTräume am Leben erhalten zu können, davon handelt Private Peaceful.
Das Stück läuft noch bis zum 4. November. Zum Programm der Kammerspiele.