Trinidad tanzt
Trinidad Martínez verbindet ihre Leidenschaft, das Tanzen, mit sozialer Arbeit. Viele Kinder, Jugendliche und Frauen in ihren Kursen leben in Unterkünften für Geflüchtete. Ihnen zeigt die Spanierin, wie man Gefühle durch Bewegungen sichtbar macht.
Von Christiane TauerWenn Kinder wie der neunjährige Ditchle schwärmen „Trini, heute war der beste Tag meines Lebens”, geht Trinidad Martínez das Herz auf. Die 47-Jährige ist Leiterin der Initiative „Tanz wo du bist”, die sich in drei Unterprojekten an Kinder, Jugendliche und Frauen aus Eidelstedt und Stellingen richtet.
Es sind interkulturelle Projekte an der Schnittstelle zwischen Kunst und Sozialer Arbeit. Tanzen, sich bewegen, den eigenen Körper wahrnehmen – all das funktioniert ohne viele Worte, denn nicht alle, die mitmachen, können Deutsch.
Trinidad Martínez arbeitet physisch. Sie zeigt den Kindern, wie sich ein Wurm bewegt oder ein Boxer tanzt. „In vielen Menschen steckt ein unentdeckter Künstler”, ist sie überzeugt. Und dass gerade Menschen mit schweren Schicksalen mehr zu sagen haben als die, die es im Leben leicht hatten. Ihnen will sie neue Horizonte eröffnen.
„Das ist meine Leidenschaft“
„Ich weiß mein Glück zu schätzen, in einer herzlichen Umgebung groß geworden zu sein”, blickt die gebürtige Südspanierin auf ihre Kindheit in Cartagena, während draußen an der Kieler Straße ein schwerer Lkw nach dem anderen vorbeidonnert. Hier, im spröde wirkenden Gemeinschaftsraum einer Geflüchteten-Unterkunft, bietet sie Kurse an. Bilder der Mädchen und Jungen, die mitmachen, hängen an den Wänden. Lachende Gesichter, glückliche Augen. Das ist es, was Trinidad antreibt.
Mit sieben Jahren kommt sie selbst zum Tanz, macht Ballett und Flamenco, merkt schnell: Das ist meine Leidenschaft. Als 16-Jährige beginnt sie, ihre Ausbildung zu professionalisieren. Abschluss mit Bestnote an der Tanzakademie, Stationen in Frankreich und Deutschland. Dann, 1998, kommt sie mit ihrem damaligen Freund, einem Musiker, nach Hamburg. Sie konzipieren zusammen Stücke, die auf Kampnagel und internationalen Bühnen aufgeführt werden.
Menschen ermutigen, sich selbst auszudrücken
Die Sehnsucht nach Sonne führt sie 2003 wieder nach Spanien, wo sie Teil eines Künstlerkollektivs wird. Dann der große Schritt in die USA: Trinidad erhält ein Fulbright-Stipendium und lernt in Seattle Tanzimprovisation. „Diese Zeit war die Erfüllung eines Traums. Ich hatte so viel von der dortigen Kreativszene gehört.” Doch bald steht sie erneut vor der Frage: Was nun?
Sie kehrt zurück nach Hamburg. Hier hat sie Freunde von früher und weiß, dass Hamburg eine Stadt ist, in der Menschen von ihrer Kunst leben können. Aber es sollte nicht nur die Kunst sein: Trinidad fängt an, auf dem Abenteuerspielplatz Wegenkamp zu arbeiten, einer Einrichtung der Kinder- und Jugendarbeit Eidelstedt. „Ich habe schon immer die Kunst und das Soziale verbunden.” Für sie ist es ein Ausgleich zu ihrem Leben als Performerin und Tänzerin – und so kann sie Menschen ermutigen, sich selbst auszudrücken. Damit sie gesehen werden.
Ein echtes Gefühl der Zugehörigkeit
Diese Arbeit ist es auch, die den Boden für Trinidads heutige Tanzprojekte bereitet. „Der Ort – tanz wo du bist” heißt das eine, das sich an Kinder von fünf bis elf Jahren richtet. In die Kurse kommen Kinder aus Afghanistan, Syrien oder Eritrea. Ihnen zeigen Trinidad und ihr Team, wie man durch Tanz sein Inneres nach außen kehrt und Gefühlen Ausdruck verleiht. Die Kleinen knüpfen Freundschaften, erleben oft zum ersten Mal ein echtes Gefühl der Zugehörigkeit.
Daraus sind zwei weitere Projekte entstanden: „Frauen in Bewegung” und „The Possibility Club”. Sie finden im ReeWie-Haus in Eidelstedt Ost, im Lißy-Haus in Eidelstedt Nord oder in der Geflüchteten-Unterkunft an der Kieler Straße in Stellingen statt. Ersteres ist für Frauen und Mädchen ab 14 Jahren aus den Geflüchteten-Unterkünften. Das andere für Kinder bis 14 Jahre mit oder ohne Fluchterfahrung. Speziell bei ihnen steht nicht nur das Tanzen im Vordergrund. Manchmal unternehmen sie Ausflüge oder gehen schwimmen. „Wir schauen immer, was sie gerade brauchen.”
Und woher zieht Trinidad selbst ihre Kraft? Meditation und Aikido, die japanische Kampfkunst, die nicht darauf zielt, den Gegner zu verletzen, sondern seinen Angriff zu neutralisieren. „Diesen Teil von mir gebe ich an die Teilnehmenden meiner Kurse weiter.” Wenn die ganze Welt in Chaos zerfällt: Wer dann einfach still sitzt, ruhig wird und in sich geht, findet einen Ausweg aus dem Durcheinander.