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"Habt ihr Schwimmwesten gesehen?" Foto: Adina Bischoff
"Habt ihr Schwimmwesten gesehen?" Foto: Adina Bischoff
Projekt der Ida-Ehre-Schule

„Unerwünscht“ im Thalia Theater

Vier Tage lang setzten sich die Fünftklässler der Ida-Ehre-Schule aus Harvestehude mit den Themen Flucht und Unerwünscht sein auseinander. Das Ergebnis: Ein Theaterstück, dessen Grundlage der Weg von zehn geflüchteten Mitschülern bildet – inklusive Rollentausch. Die Geflüchteten spielen die Schleuser, die Schüler die Flüchtlinge. Aufführung war am 25. April im Thalia Theater.

Von Adina Bischoff

Montag. Kurz vor 18 Uhr. Das Foyer des Thalia Theater in der Gaußstraße füllt sich. Gewusel unter den Schülern. Letzte Absprachen der Lehrer. Gleich geht es los mit der Vorführung. Sechs Schulen aus Hamburg wurden eingeladen. Alle präsentieren einen Ausschnitt laufender Projekte. Jeder ist also mal Zuschauer und mal Schauspieler an diesem Abend. Mit dabei die Ida-Ehre Schule aus Harvestehude. Heute vertreten durch 22 Schüler. Begleitet werden sie nicht nur von Klassenlehrern, sondern auch von Schauspieler Patrick Abozen, der vor allem durch seine Auftritte im Tatort bekannt ist und das Schauspiel der Kinder mitgestaltet.

Ein großes Thema

„Die Frage steht natürlich im Raum, aber die Schüler waren schnell dabei zu überlegen: Wie würde es mir gehen, wenn ich in so einer Situation bin“, antwortet Olaf Bublay, Berufsschullehrer und Regisseur des Stücks „Unerwünscht“, auf die Frage, ob das Thema Flucht nicht zu schwer für eine fünfte Klasse ist. Bublay zweifelt nicht an der Eignung seiner Schützlinge, die ja auch täglich in den Nachrichten mit dem Thema konfrontiert werden. „Die sind pfiffig und total motiviert. Die haben das richtig gut gemacht“, sagt Bublay. Das Ziel ist, die eigene kulturelle Herkunft zu hinterfragen, um so Verständnis für andere zu schaffen. Auch Barbara Ehlers, eine der Klassenlehrerinnen, findet, dass die Schüler „ganz großartig verstanden haben, was sie da machen“. Die Fünftklässler haben sich zehn Flüchtlinge der Berufsschule für Handel und Verwaltung (H1), zu der auch Regisseur Bublay gehört, zum Vorbild genommen: „Da ist ganz viel zwischen den Großen und den Kleinen untereinander gelaufen“, sagt Bublay. Die geflüchteten Schüler der H1 stehen nicht nur als Ideengeber für das Stück zur Verfügung. Sie selber spielen an diesem Abend die Schleuser.

Der Abend im Thalia Theater ist nicht das erste Mal, dass die Kinder „Unerwünscht“ aufführen. Im April präsentierten sie das Stück bereits in ihrer Schule. Dort begann die Inszenierung nicht erst mit der Öffnung des Vorhangs. Kinder patroullierten am Eingang. Der Weg zur Aula führte an Tischen vorbei, an denen die Besucher gefragt wurden, ob sie gerne Kartoffeln essen oder ob sie Drogen nehmen. Umgehen konnten die Zuschauer der Vorführung diese Fragen nicht. Darüber hinaus wurde die Distanz zum Publikum reduziert, da das Stück in der Mitte des Raums und nicht auf einer Bühne stattfand. Theater, Tanz und Musik wechselten sich ab. Der Ausschnitt im Thalia Theater muss leider ohne Live-Musik und Cheographie auskommen. Auch die Befragung der Zuschauer fehlt. Die Inszenierung in der Gaußstraße ist statischer als das Ausgangsstück. Thematisch ändert sich jedoch nichts.

Während der ersten Proben herrscht noch Verwirrung bei den Schülern. „Sollte jetzt nicht eigentlich“ ist der meistgesagte Satzanfang. Eine Stellprobe und drei Durchgänge später, sind jedoch alle Fragen geklärt. Aufgeregt sind die meisten nicht mehr. „Es ist ja schon die dritte Vorstellung“, sagt ein Schüler. Anders sieht das bei den Geflüchteten aus. „Ich bin sehr aufgeregt“, sagt einer der Schüler der H1. Grundsätzlich finden sie, dass die Ida-Ehre-Schüler ihre Geschichte gut nachempfunden haben. Fünf Stunden später beziehen die Schüler Stellung im Saal. Danach nehmen die Zuschauer der anderen Schulen Platz. Jetzt kommt der Moment, der laut Patrick Abozen der schönste ist: „Der Moment, in dem du loslassen darfst und du merkst, dass die Kinder das alleine schaffen.“

„Ich sehe die Grenze“

Dunkelblaues Licht. Dramatische Musik. Plastikplanen, die sich schnell bewegen. In der Mitte ein Gummiboot, besetzt mit zehn Schülern. Vom Wind werden sie hin und her geworfen. Sie beklagen sich: „Dieses Boot ist viel zu teuer.“, „Sollten wir nicht eigentlich ein viel größeres und festeres Boot bekommen?“ Schweigen. Ein Zischen durchbricht die Stille. Ein Leck im Boot. Gepäck muss über Bord geworfen werden. Es ist zu schwer. „Habt ihr Schwimmwesten gesehen?“, fragt ein Passagier ängstlich. Lachen aus dem Dunkeln. „Sind wir hier auf nem Kreuzfahrtschiff oder was?“, „Wenns bald nicht ruhig wird, gibt es gar kein Boot mehr.“ Sätze, die die Schüler der H1 vor zwei Jahren selbst gehört haben. Jetzt sind sie die Schleuser. Jetzt sind sie es, die diese Sätze sagen.

Auch über das Land wird geflüchtet. Hitze, Wassermangel und Angst sind die Begleiter der Flüchtenden. „Ich sehe die Grenze“, ruft ein Reisender. Doch damit ist die Flucht noch nicht zu Ende. Es wird ruhig im Saal. Die Flüchtlinge sind wieder sie selbst, stehen nicht mehr auf der anderen Seite. Sie rufen gemeinsam: „Wir haben Angst. Angst, die euch hoffentlich fremd bleiben wird!“. Das Licht geht an. Alle Schüler stellen sich zusammen: „Es ist egal, wer du bist! Hauptsache ist: Hier lebst du glücklich.“

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