Als ein Vergnügungspark aus Stellingen einen Ort der Superlative machte
Vor 110 Jahren eröffnete direkt neben dem Tierpark Hagenbeck der „Hugo Haase Vergnügungspark“. Acht Jahre später war bereits wieder Schluss. Der Eimsbütteler Rolf Niemeyer hat dem Park ein schriftliches Denkmal gesetzt.
Von Christiane TauerDer Hamburger Dom muss dagegen ein Klacks gewesen sein. Achterbahn, Wasserrutsche, Irrgarten – vor 110 Jahren eröffnete direkt neben dem Tierpark Hagenbeck ein Vergnügungspark, dessen Attraktionen für damalige Verhältnisse schier unglaublich waren.
Es war ein Ort des Nervenkitzels und Spektakels mitten in Stellingen. Hugo Haase betrieb den Vergnügungspark, den heute kaum einer mehr kennt. Der pensionierte Oberschulrat Rolf Niemeyer hat die Erinnerung daran in einer Broschüre festgehalten.
Niemeyers Vater war Pressechef bei Hagenbeck
Niemeyers Interesse kommt nicht von ungefähr. Der 81-Jährige, der heute in der Nähe der Grindelhochhäuser lebt, ist ein Stellinger Kind. Sein Vater Günter Heinrich Wilhelm Niemeyer war lange Zeit Pressechef bei Hagenbeck.
Die Familie wohnte in Behelfsheimen auf dem Tierparkgelände, in denen die im Zweiten Weltkrieg ausgebombten Mitarbeiter unterkamen. „Dort, wo heute das Orang-Utan-Gebäude steht“, sagt Niemeyer.
Vergnügungspark öffnete im Jahr 1914
Die Tiere und die Menschen bei Hagenbeck waren seine Welt, mit ihnen war er eng verbunden. Als er in den Ruhestand trat, schrieb Niemeyer eine Biografie über den ehemaligen Tierparkchef Carl Claus Hagenbeck – und stieß dabei auf historisches Material zum 1914 eröffneten Vergnügungspark. Es heißt, der Park soll damals nach Coney Island in New York der größte seiner Art gewesen sein.
Im Hagenbeck-Archiv fand Niemeyer Fotos, die eine Welt zeigen, die fast wie eine Utopie anmutet: Eine riesige Rampe, von der Fahrgeschäfte in ein Wasserbecken rauschen, eine wuchtige Gebirgslandschaft, die an die Alpen erinnert. Und Gaststätten wie das Restaurant Oberbayern, das 5.000 Menschen bewirten kann. In einer Broschüre fasste Niemeyer das Material über den Hugo Haase Vergnügungspark zusammen.
Der Autor Rolf Niemeyer
Die Geschichte von Hugo Haases Vergnügungspark hat Rolf Niemeyer in der gleichnamigen Broschüre niedergeschrieben. Der 81-jährige Niemeyer wuchs in Stellingen auf und studierte Deutsch, Geschichte und Englisch auf Lehramt. Er arbeitete beim damaligen Lehrerfortbildungsinstitut und später als Oberschulrat bei der Schulbehörde. Dort war er unter anderem für die Sprachförderung türkischstämmiger Kinder zuständig.
Nach seiner Pensionierung entwickelte Niemeyer eine Neigung zu historischen Schriften. So erschien die Broschüre über Hugo Haases Vergnügungspark im Mai 2014 als Erinnerung an die Eröffnung des Parks 100 Jahre zuvor. Herausgeber ist das Heimatmuseum Stellingen-Langenfelde in Zusammenarbeit mit dem Hagenbeck-Archiv.
Als Nächstes plant Niemeyer die Herausgabe einer Dinosaurier-Broschüre, ebenfalls in Kooperation mit Hagenbecks Tierpark. Er stützt sich dabei auf die Arbeit des Hamburger Historikers Dr. Philipp Wendler, der sich auf die Erforschung der Urgeschichte konzentriert hat. Unter anderem stellte er fest, dass die 1909 entstandenen Saurierplastiken im Tierpark Hagenbeck dem Stand der Wissenschaft um 1900 entsprachen.
Weitere Infos gibt es per E-Mail an rolf.niemeyer@hamburg.de.
Diesen Park der Superlative eröffnete Haase, ein Karussellbauer aus Winsen/Luhe, im Mai 1914, kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Das Gelände südlich des 1907 eröffneten Tierparks, zwischen Elefantentor und heutiger Koppelstraße gelegen, hatte er von Hagenbeck gepachtet.
Fahrgeschäfte wurden mit Elektroenergie betrieben
Haase war in der Branche kein Unbekannter, hatte er doch bereits auf dem Münchner Oktoberfest und dem Hamburger Dom seine damals aus technischer Sicht revolutionären Fahrgeschäfte präsentiert: Er nutzte für ihren Betrieb Elektroenergie. In seinen Stellinger Park investierte er insgesamt mehr als anderthalb Millionen Mark, schreibt Niemeyer.
Es sollte sich lohnen. Mit der Straßenbahn strömten die Hamburger anfangs zu Tausenden über die heutige Hagenbeckstraße unkompliziert zum Tierpark sowie zum Vergnügungspark. Dort erblickten sie zunächst eine 33 Meter hohe Rampe, auf die Boote per Schleppseil hochgezogen wurden, um dann mit Wucht hinabzusausen. Hauptattraktion war die Riesen-Gebirgsbahn, seinerzeit die „größte aller bisher gebauten Szeneriebahnen“, zitiert Niemeyer eine historische Anzeige der Hugo Haase A.G.
Auf die Sicherheit „denkbar größte Sorgfalt“ verwendet
Wie alte Postkarten zeigen, fuhren die Züge auf Holzbohlenbahnen auf einer mehrfach gewundenen Strecke von insgesamt 1,5 Kilometern. Dabei ging es über Brücken und Steigungen sowie durch Tunnel und Unterführungen. „Auf die Sicherheit dieses Wunderwerks der Technik ist die denkbar größte Sorgfalt verwendet worden“, soll das Hamburger Fremdenblatt geschrieben haben.
Der Erste Weltkrieg und die anschließende wirtschaftliche Talfahrt der jungen Weimarer Republik machten es dem Vergnügungspark schwer, ein Erfolgsmodell zu sein. Schon 1916 verzeichnete die Hugo Haase A.G. einen Verlust von 350.000 Mark. Die Besucherzahlen sanken, ebenso beim benachbarten Tierpark.
Vergnügungspark schloss 1922 seine Tore
Wie genau es zum Ende des Vergnügungsparks kam, ist nicht eindeutig belegt. Bei Wikipedia wird der Besuchermangel als Grund angeführt. Rolf Niemeyer schreibt, die Verantwortlichen bei Hagenbeck wollten lieber einen Vergnügungsbereich in eigener Verantwortung schaffen, „der dem Tierpark angemessener ist“. Sie wollten Hugo Haases Park entfernen.
Ob sie seinen Pachtvertrag kündigten oder er im Einvernehmen beendet wurde, sei nicht feststellbar, so Niemeyer. Im Jahr 1922 schloss der Vergnügungspark seine Tore.
Haase übernahm den Lunapark in Altona
Für Hugo Haase ging es jedoch an anderer Stelle weiter. In Altona-Nord, unweit der heutigen S-Bahnstation Diebsteich, übernahm er 1923 den Lunapark. Dieser hatte bereits von 1913 bis 1914 bestanden, aber wegen des Ersten Weltkriegs geschlossen.
Mit Haase wurde der Park wiederbelebt, er verlagerte einige der Stellinger Fahrgeschäfte dorthin. Die Attraktionen waren stabil aus Stahl oder Holz gebaut und ließen sich ab- und wieder aufbauen.
Heute sind dort ein Hotel und Wohnhäuser
Aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Verhältnisse der 1920er Jahre hielt der Lunapark allerdings nicht lange durch. Haase gab den Betrieb bald endgültig auf. Heute erinnert die Straße „Lunapark“, die von der Kieler Straße abgeht, an seine Existenz.
In Stellingen nutzte Hagenbeck das ehemalige Gelände des Vergnügungsparks zunächst für Kinderfeste und Zirkusveranstaltungen. Heute befinden sich dort Wohnungen und das 2009 eröffnete Park-Hotel Hagenbeck. Die Architektur des Hotels lässt Erinnerungen an das alte Eingangsportal des Vergnügungsparks wach werden.
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