U2: Station Sehnsucht Lutterothstraße
Unser Kolumnist Harald H. Haase kann nicht länger an sich halten. Er möchte unbedingt einer wahren Dame im besten Alter seinen Respekt und Dank zollen. Eine abgefahrene Nummer.
Von Harald H. HaaseKuckuck Eimsbüttel!
Zurückbleiben bitte! Luftzug anhalten! Zeit für eine Huldigung. Eine Huldigung für eine Dame im besten Alter. Etwas über 50 ist sie, doch Kurven fährt sie wie eine 25-Jährige. Na gut, an der Seite schimmert´s etwas grau-weiß, dafür zeugt ein roter Streifen ähnlich einer getönten Strähne von ihrer endlosen Jugend. Sie ist bestens in Fahrt und Schuss, kommt spielend auf 80 Stundenkilometer. Selbst wenn die platte Nase nicht sofort Herzflimmern verursacht, elektrisiert sie alle.
Station an der Lutterothstraße
Ihre Charaktereigenschaften: gastfreundlich, aufgeschlossen, meistens ausgesprochen taktvoll. Sie kommt alle fünf Minuten. Sie zeigt jedem, wo sie hin will. Öffnet ihr Innerstes mit einem vielfachen Klacken, um sich schnell wie eine Auster zu verschließen und wieder in Eimsbüttels Untergrund abzutauchen. Nicht um auf den Kiez zu ziehen, da zieht es sie gar nicht hin. Sie treibt sich oft in Niendorf herum, ist gerne gesehen in Mümmelmannsberg. Macht regelmäßig Station, ist nie haltlos in der Lutterothstraße, wo man sich ihr gleich auf drei Wegen von vorne und von hinten nähern kann.
Die Bahn in voller Pracht und ihr natürliches Umfeld – die Station – gibt es hier in Bildern:
Abfahren in der Lutterothstraße
Alle stehen auf sie. Viele in ihr. Manche lässt sie auch sitzen. In ihrem Herzen lodert ein heißes, elektrisches Feuer. Die Wärme gibt sie im Winter fürsorglich an ihre Gäste weiter und schützt in voller Fahrt vor Schnee, Regen und Graupel. Nur im Sommer kann ihr heißer Atem ganz schön nerven und die Schweißperlen auf der Stirn und unter den Achselhöhlen sprießen lassen. Ihre Fenster lassen sich öffnen und sind in der Not auch Ausgänge. Ihre Augen sind Kameras. Ja, sie ist käuflich, aber nicht bestechlich. Dafür sehr geduldig.
Großer Bahnhof für die Bahn
Manche Gäste weniger. Viele können ihre Ankunft kaum erwarten, würden ihr gerne einen großen Bahnhof bereiten. Verspätet sie sich nur um fünf Minuten, schauen manche schon 50 Mal auf die Uhr. Sie hat Platz für Mütter mit und ohne Kinderwagen. Rollatoren, Rollstühle, Fahrräder und deren Fahrer. Sie schmunzelt, wenn der Liebhaber auf dem Rückweg aus Billstedt verschlafen hat und statt an der Lutterothstraße auszusteigen erst in Niendorf Nord aufwacht. Sie erträgt klaglos, wenn Feiernde zu Silvester trotz Alkoholverbot die Sektkorken an die Wagendecke knallen lassen. Dabei muss sie sich noch einiges mehr bieten lassen. Vornehmlich jüngere Zeitgenossen stellen entspannt ihr Fußwerk auf dem gegenüberliegenden Sitz zur Schau, Betrunkene schlafen und kotzen sich auf ihrem Boden aus. All dies nimmt sie klaglos mit einem Surren hin.
Ehre, wem Ehre gebührt: Eine außerordentlich erfolgreiche irische Rockband hat sich ihren Namen als Bandnamen gewählt. Ihr Signum ist purpurrot wie das einer Königin. Und sie ist die Königin der Herzen, weil sie alle und alles verbindet!
Liebe U2, das musste mal raus!
Schönen Tag noch. Ich hab jetzt frei.
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