Vom Lebensabend eines Baumseniors
Lediglich ein paar Jogger und Hundebesitzer konnten es im Park am Weiher miterleben: Mit einer frischen Neuschneedecke war der letzte Tag im Leben eines Silberahorns angebrochen. Zuerst ging es den Ästen an den Kragen, dann fiel der ganze Baum.
Von GastDie alte Baumallee mit ihren Sitzgruppen, die den Zugang zum Weiher säumt, ist vielen Eimsbüttelern vertraut. Die Baumgruppe gehört zum ältesten Inventar der Eimsbütteler Parkanlage. Sie wurde um 1907 gepflanzt, nachdem der Park Ende des 19. Jahrhunderts in die städtische Verwaltung eingegliedert worden war.
Ein Baumriese
Der Silberahorn zählt nicht zu unseren einheimischen Baumarten. Er stammt aus dem Osten Nordamerikas, wo er zwischen Quebec und Florida zu finden ist. Seit Anfang des 18. Jahrhunderts wird die Baumart auch in Parks und Gärten gepflanzt. Durch seine Größe von bis zu 30 Metern hatte die Baumart jedoch keine Aussicht, als Alleebaum im europäischen Straßenbild genutzt zu werden. Ihre Kronen sind bis zu 15 Meter weit und damit zu breit für die Nutzung als Straßenbäume. Stattdessen nutzte man den Silberahorn als Zierbaum, der durch sein Aussehen und seine Blattfärbung in Parks und Gärten beeindruckt.
Silberne Baumkronen
Der Name Silberahorn stammt von den silbernen Farbverläufen in den Baumkronen. Die tief gelappten Blätter der amerikanischen Wildart sind auf der Unterseite silbrig weiß und auf der Oberseite dunkelgrün. Bei jedem Windstoß ändert sich daher der Farbverlauf in der Baumkrone. Im Herbst färben sich die Blätter gelb bis dunkelrot und begeistern die Kinder in unserem Eimsbütteler Park. Zahlreiche Zuchtvarietäten sind inzwischen entstanden: die Sorte Wieri erkennt man an den tief eingeschnittenen Blättern und hängenden Zweigen – zu finden beispielsweise am Parkeingang neben dem Studentenwohnheim. Die Sorte Lutescens beeindruckt durch die Farbe ihrer Blätter, die zunächst orangefarben ist und sich später gelb verfärbt.
Gefahren für den Silberahorn
Die beeindruckende Kronenbreite ist leider auch die Schwachstelle der Baumsenioren. Gerade bei Sturmtiefs und orkanartigen Winden kommt es immer wieder zu gefährlichen Astbrüchen. Äste mit einem Durchmesser von bis zu einem halben Meter stürzen dann zur Erde und werden zur Gefahr für Passanten.
Christoph Meier vom Amt für Stadtgrün beim Bezirksamt Eimsbüttel kennt diese Gefahren sehr gut. Er erklärt, dass die Bäume ständig mit einem speziellen Verfahren, dem Visual Tree Assessment, kontrolliert werden. Besonders bei den Silberahornen müsse immer wieder die Krone gestutzt werden, um ihr Überleben zu sichern. Drei der sechs Silberahorne im nördlichen Parkbereich ständen deshalb schon seit längerem unter strenger Beobachtung. Der nun gefällte Baum hätte schon 2002 und 2008 eine mechanische Kronensicherung erhalten. Doch das habe trotzdem nicht verhindern können, dass Sturmtief Christian im Oktober 2013 erneut einen mächtigen Ast ausgebrochen und bei seinem Sturz auch einen benachbarten Baum in Mitleidenschaft gezogen habe. Passanten seien bei dem Vorgang nicht zu Schaden gekommen, der Baum habe aber endgültig gefällt werden müssen.
Angsttriebe retten den Baum
Verluste in der Krone gleicht der Baum durch sogenannte „Angsttriebe“ am Stamm noch einige Jahre aus. Die Baumallee am Weiher betreibt ihren Stoffwechsel schon lange Zeit über diese Methode. Trotzdem sind zwei der verbliebenen fünf Silberahorne als stark gefährdet zu betrachten (davon einer wegen eines zusätzlichen Pilzbefalls) und müssen eventuell bald gefällt werden. Dies ist bei Baumsenioren dieser Ahornart aber durchaus natürlich: Mit einer Lebensspanne von über hundert Jahren haben sie nämlich auch ihre biologische Grenze erreicht.
Gastautor Gerhard Höfer hat im Park am Weiher nahezu 100 Bäume und Gehölzpflanzen bestimmt und bietet im Sommer botanische Führungen für Interessierte an.