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Der Karstadt an der Osterstraße. Foto: Illustration: Susan Kubny
Warum der Karstadt-Klotz so liebenswert ist. Illustration: Susan Kubny
Magazin #25

Karstadt: Alles nur Fassade

Über den Karstadt-Klotz wird oft gespottet. Unsere Autorin sieht das anders. Eine Liebeserklärung an das Kaufhaus der Osterstraße.

Von Alana Tongers

Kein Sonnenstrahl dringt durch die Mauern, hier scheint das Licht aus hellen Strahlern. Mein Refugium ist ein grauer Betonbunker. Ein alter James-Blunt-Song aus Lautsprechern. Reklame für Staubsauger auf Bildschirmen. Das ganze Universum deutscher Einkaufskultur komprimiert auf drei Etagen, mitten in der Osterstraße.

Karstadt ist mein Ruhepol

Die Eimsbütteler KarstadtFiliale sticht heraus. Die Listen-Seite Topmania führt sie sogar unter den Top 5 der „Hässlichsten Bauwerke Deutschlands”. Da kann die wildeste Schlechtwetterfront aufziehen – gegen die Bunkerfassade gewinnt sie nicht. Die ist immer grauer. Der Klotz trotzt allem. Ihm scheinen Investorenwechsel, rote Zahlen, selbst die Insolvenz aus dem letzten Jahr egal zu sein. Der letzte Ausverkauf ist jedes Mal in einer anderen Karstadt-Filiale. In der Osterstraße gibt es höchstens mal Sale.

Gott sei Dank, denn immer, wenn das Stresslevel steigt, ist Karstadt mein Ausgleich. Von außen ist das Gebäude schroff, drinnen aber ist die Welt friedlich. Draußen „Squid Game”, drinnen deutsche Dauer-Telenovela. Es herrscht eine Gemächlichkeit, die ich nirgends sonst in Eimsbüttel finde. Nicht am Weiher, nicht am Kaifu-Ufer, nicht an der Alster. Nichts senkt meinen Puls mehr als einmal durch Karstadt schlendern. Parfüm inhalieren, Kaschmir-Pullover streicheln, mit älteren Frauen das Wetter diskutieren, als ginge es um mehr als die Frage, ob es nun Sprüh- oder Nieselregen ist. Karstadt ist mein Ruhepol.

Das Traumschiff-Lebensgefühl

Ein Besuch hier ist wie einer bei den Großeltern. Es gibt vieles, über das man sich wundert: Wer zur Hölle kauft diese Tischdecken? Selbstgießende Blumentöpfe und Toilettenpapierhalter mit Befeuchtungsfunktion? Schokolierte Früchte und Erfrischungsstäbchen? Ich mag Karstadt nicht trotzdem, sondern gerade deswegen. Vielleicht auch, weil die Eimsbütteler Filiale vom Kaufhausriesen zum Osterstraßen-Underdog geschrumpft ist. Karstadt-Kundinnen kennen sich untereinander. Man nickt sich zu, schließlich schätzt man die gleichen Dinge: die Tatsache, dass es eine Abteilung für Einsteckkragen gibt. Oder Wollhüte in sämtlichen Farben. Wie Sonnenbrillen und Regenschirme präzise auf gegenüberliegenden Seiten der Rolltreppe drapiert sind.

Aus den Lautsprechern wird eine Kreuzfahrt beworben, im hauseigenen Reisebüro kann man sie direkt buchen, daneben ein Sonnenvisier und Zigarillos für die Tage auf Deck erwerben. Karstadt hat das „Traumschiff”-Lebensgefühl konserviert.

Lieblingsort: ganz oben

Es gibt Ecken, die so versteckt liegen, dass ich mich fühle, als wäre ich der erste Mensch, der sie betritt. Die Kundentoiletten im ersten Stock zum Beispiel, mit ihren lindgrünen Kacheln und skurril arrangierten Kunstblumen, die vom Lufterfrischer vernebelt sind. Als seien sie vom Set eines Wes-Anderson-Film geliehen. Der Fahrstuhl, in dem es noch ein Telefon mit Kabel gibt.

Mein Lieblingsort bei Karstadt liegt ganz oben, auf dem Parkdeck. Von dort hat man die schönste Sicht über die Osterstraße, kann sogar den Fernsehturm sehen. Ich habe hier im Sommer Bücher gelesen, später Wein getrunken, meistens zu viel. Abends geht die Sonne über Edeka unter. Ich brauche keine Kreuzfahrt, mein Liegestuhl steht hier. Romantik Eimsbush-Style.

Illustration: Susan Kubny

Doch mein Refugium ist bedroht wie ein Quadratmeter Regenwald. Bei Karstadt gibt es jetzt ein Amazon-Hub, bei dem man bestellte Pakete abholen kann. Das Restaurant, in dem es Buffet aus geriffeltem Tiefkühlgemüse und Filterkaffee gab, hat schon 2018 geschlossen. Unten ist dafür die Aldi-Filiale eingezogen. Jetzt kommt auch noch der komplette Umbau der Warenhäuser. Mehr schnieke Restaurants, mehr Dienstleistungen, alles verknüpft durch eine App. Karstadt soll cool werden. Ich finde, das klingt, als richte man seinen Großeltern das Smartphone ein. Man möchte vielleicht einmal die Woche FaceTimen, am Ende bekommt man WhatsApp-Nachrichten, die aus mehr Emojis als Wörtern bestehen. Hätte man es bloß gelassen.

Mein Karstadt ist kaum mehr als ein Koma-Patient, den man nicht mehr retten, aber auch nicht gehen lassen kann. Karstadt gehört zu Galeria-Kaufhof. Und Galerias Zukunft ist nicht viel hoffnungsfroher als Karstadts Außenfassade.

Bis es da ist, das Ende der alten Karstadt-Zeit, wisst ihr, wo ihr mich findet. Erdgeschoss, erster Gang links, zwischen Bademänteln und „Faszinierende Lokomotiven”–Wandkalender. Oder oben. Mit einem Glas auf dem Parkdeck.

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