Birdland wieder auf Höhenflug
Seit 30 Jahren gibt es das Birdland an der Gärtnerstraße. Vor drei Jahren stand der Jazz-Club vor dem Aus. Zum runden Geburtstag feiert das Birdland seine Wiederauferstehung.
Von Holger VogelDas Plakat vorm Live-Musik Club Birdland lässt keinen Spielraum für Interpretationen: „Heute Ausverkauft“. Nichts zu machen. Trotzdem versuchen Jazz-Hungrige ohne Eintrittskarte immer wieder in den Kellerclub zu gelangen. Freundlich und bestimmt werden sie von Türsteher Julian am Samstagabend zurückgewiesen. Vielleicht gehe noch was, wenn zu späterer Stunde Gäste das Konzert vorzeitig verlassen haben. Er vertröstet die Interessenten, die so gerne den zweiten Teil des kleinen Festivals zum Anlass des 30-jährigen Bestehens des Birdlands gesehen hätten.
„Die Zeit ist schnell vergangen. Dass es 30 Jahre werden, hätten wir nicht gedacht“, freut sich Birdland-Gründungsvater Dieter Reichert über den runden Geburtstag. Er sitzt an diesem Abend zusammen mit seiner Frau Heidi am Tisch des Hauses. Gleich rechts um die Ecke, wenn man den Konzertraum betritt, in dem sich die Gäste wie die viel strapazierten Ölsardinen drängen. Überall hängen Bilder von Jazzmusikern, die Reicherts Frau gemalt hat. Ein Familienbetrieb. Sein Sohn Ralph hat die Geschäfte von Vater Dieter übernommen. Er wünscht sich: „Es wäre toll, wenn es so weitergeht. Wenn es jeden Abend so voll ist wie heute.“ Mit seinem Bruder Wolff sowie Julian Jasper-Koch und Julius Horn lenkt er seit 2014 die Geschicke des Jazzclubs. Der stand vor drei Jahren vor dem Aus, war über ein Jahr geschlossen – Schnee von gestern.
Große Geburtstagsfeier
Heute rappelt es wieder im Karton, wenn man die 16 Stufen in den 190 Quadratmeter großen Kellerclub geht und die schwarze Eisentür öffnet. Wie am Wochenende bei der großen Geburtstagsause: 30 wird man nur einmal im Leben. Freitag gab es Urban, HipHop und Soul mit Wanja Hasselmann an den Drums. Samstag swingte und groovte es mit der Downtown Bigband, dem Blutone Sextet und Josh Ginsburg´s Orion. Das Publikum war bunt gemischt und extrem begeistert. „Ich wünsche dem Birdland ein langes, schönes Leben“, sagt Bernd Ahlert euphorisch. Seine Tochter Laura Marie ergänzt: „Dem Club viele kreative Menschen und tolle Ideen.“ Ein besinnlicher Geburtstagsgruß von Hendrik Meyer: „Das Birdland soll mehr Förderungen von der Kulturbehörde erhalten, damit es mehr Jazz-Konzerte unter der Woche gibt.“
Der Club ist auf dem Weg dorthin. Jazz-Konzerte gibt es schon wieder. Auch wenn das Birdland kein reiner Jazzclub mehr ist. Das feste Programm: donnerstags ist Jamsession, freitags rock-pop-singer-songwriter-genre und samstags die Birdland-Jazznacht mit Tradition. Alles live. Alles gut. „Natürlich gibt es auch Veranstaltungen außerhalb der Reihe. Letzte Woche hatten wir sogar jeden Abend eine Veranstaltung“, berichtet Reichert junior stolz.
Das Birdland ist das Werk von Dieter Reichert – und seiner Frau Heidi. Der 77-Jährige hatte vor 30 Jahren den Willen, die Überzeugung und die Mittel, einen Jazzclub zu gründen. An der Gärtnerstraße baute er zwei Häuser, eines mit einem Club im Keller. Der Architekt investierte rund 30 Jahre rund 30 Wochenstunden in sein Birdland. Vor Konzerten stellte er Musikinstrumente und Verstärker ein. Er schnitt Auftritte im clubeigenen Tonstudio mit, erledigte die Buchführung. 154 Leitz-Ordner stehen bei ihm zuhause. Dabei hatte Reichert mit Widrigkeiten zu kämpfen: „Im Jazz kann man nicht so hohe Gagen zahlen wie in der Unterhaltungsmusik.“ Trotzdem holte er Größen wie Art Blakey, Brian Blade und Diana Krall in den Keller der Gärtnerstraße 122. „Die Musiker machen das gerne. Genauso gerne wie ich.“
Das Birdland als Phönix
Wer hätte das alles im Juni 2013 gedacht? Da war das Birdland abgestürzt. Es schien, als hätte ein Jazzclub in Hamburg keinen Nährboden. 15 Monate lang verstummten die Instrumente, blieb die Kellertür verschlossen. „So eine Perle geschlossen zu sehen, das tut jedem weh“, erinnert sich Julian Jasper-Koch. Er kümmert sich im Führungs-Quartett des Jazzclubs zusammen mit seinem Partner Julius Horn von Freundlich+Kompetent um die Gastronomie.
Die Wiederauferstehung des Jazz-Phönix. Schlagzeuger Wolff Reichert und sein Schlagzeugschüler Julius Horn fassen beim Bier den Entschluss, die Pforten des Birdlands wieder zu öffnen und noch einmal alles in die Waagschale zu werfen. Sie gehen „all-in“ – und gewinnen. „Wir durften nicht zu lange warten, denn sonst wäre das Birdland in Vergessenheit geraten“, erklärt Ralph Reichert. Und Vater Dieter sagt: „Ich habe mich gefreut und fühle mich gestärkt. Wenn die Kinder die gleichen Ideen haben, ist das toll.“ Mit der Zwischenbilanz nach zwei Jahren ist er – wie seine drei Mitstreiter – zufrieden. Er lehnt sich sogar aus dem Kellerfenster und sagt: „Solange das Haus steht, bleiben wir bei der Sache.“
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