
Lesesaal: Einfach abtauchen
Am 3. September wird zum zweiten Mal der Hamburger Buchhandlungspreis verliehen. Aus Eimsbüttel sind vier Buchhandlungen nominiert. Eine davon ist der Lesesaal in der Lappenbergsallee. Wir haben die Besitzerin Stephanie Krawehl getroffen, die uns erzählt, warum Onlinehandel bei ihr keine Chance hat.
Von Jannika GrimmIn einer Buchhandlung stehen und ein Buch aus dem Regal nehmen. Es in den Händen halten. Dieses Gefühl, das schlagartig einsetzt, wenn die Finger über das Cover fahren und die Augen die Farben und Motive wahrnehmen. Und dann der Geruch nach frischer Druckfarbe.
Zum zweiten Mal waren die Hamburger aufgefordert, ihre Lieblingsbuchläden zu nominieren. Gleich vier Buchhandlungen aus Eimsbüttel haben es in die Top 10 geschafft.
Darunter auch der Lesesaal in der Lappenbergsallee. Seit fünf Jahren ist der kleine Laden hier in Eimsbüttel ansässig. „Bücher waren schon immer Teil meines Lebens“, sagt Stephanie Krawehl, Inhaberin des Lesesaals. Deswegen war es auch ihr Traum eine eigene Buchhandlung zu eröffnen. Für sie ist es der ganz intime Umgang mit den Büchern, der das Arbeiten in einer Buchhandlung so besonders macht. Mit 37 Jahren hat sie noch einmal angefangen Literaturwissenschaften zu studieren. Während des Studiums hat sie nebenbei in einer Buchhandlung gejobbt. Acht Jahre später ist sie über Umwege zu einem eigenen Buchladen gekommen und führt seitdem mit viel Hingabe ihren Lesesaal.

Buchhandlung mit Charme
Das Programm des Lesesaals ist speziell – nicht bestsellerorientiert, sondern Bücher mit einer besonderen Linie gehören zu seinem Sortiment. Aus diesem Grund kommen vor allem Stammkunden in den Buchladen. Einige sind bereits seit der Gründung im Februar 2011 regelmäßig im Lesesaal. Mittlerweile kennt Stephanie Krawehl den Geschmack ihrer Kunden, über die Jahre hat man sich gut kennengelernt.
Im Lesesaal finden sich vor allem unabhängige Verlage, interessante Neuauflagen und Wiederveröffentlichungen. Auch Kinder- und Jugendherzen schlagen im Lesesaal höher. Der Fokus liege auf fantasievollen, nicht ‚vorgekauten‘ Büchern. „Kinder sollen in ihrer eigenen Welt bestärkt werden, denn ohne Fantasie ist das Leben nichts“, sagt die Quereinsteigerin. Im Mittelpunkt steht dabei die Sprachförderung. Außerdem gibt es Kochbücher. „Denn zum Lesen gehört Essen“, sagt Stephanie Krawehl schmunzelnd. In den Bücherregalen reihen sich spannende Krimis neben Biographien, lyrischen Bänden und englischen Originalausgaben.
Einmal im Monat werden ein Verlag und ein Autor des Monats vorgestellt. Das Schaufenster gestaltet Stephanie Krawehl jede Woche um, als kleinen „Appetizer für ihre Kunden“. Stolz ist sie auf ihre Geflüchtetenlesung, die im Juni in Kooperation mit Christiane Hoffmeister vom Büchereck Niendorf Nord stattfand. Zwei jugendliche Afghanen, ein junger kurdischer Syrer, ein erwachsener Syrer und zwei Hamburger Schriftstellerinnen führten ein Gespräch über Literatur und was Literatur in der heutigen Zeit bewegen kann – und vielleicht auch muss. Das Projekt nennt sich „Wir machen das“ und kommt ursprünglich aus Berlin. In den kommenden Monaten wird es eine zweite Lesung geben.

Im Internet kein Stöbern
Den Onlinebuchhandel und E-Books lehnt Stephanie Krawehl bewusst ab. „Ich möchte, dass die Menschen zu mir kommen und den ganzen ‚Kosmos Buch‘ entdecken – und das kann man nun mal nicht über das Internet,“ sagt sie. Online fehle das Stöbern, es sei zu zielgerichtet: „Man bestellt nur genau das, was man will, hat rechts und links nichts gesehen, lässt sich nicht inspirieren.“ Die Städter merken ihrer Meinung nach oftmals nicht, dass sie durch den Kauf im Internet ihr Milieu zerstören. Und das nur, um ein Produkt zwei Euro günstiger zu kaufen.
Ein Buch hat Krawehl ganz besonders beeindruckt. Es hat sie in eine Welt entführt, mit der sie normalerweise nichts zu tun hat, wie sie erzählt. Das Buch „Theoda“ von S. Corinna Bille spielt in den Bergen der Schweiz Mitte der 1940er Jahre. Die Icherzählerin berichtet über die Dramen in der Ehe ihres ältesten Bruders mit Theoda, eingewoben in die atemberaubende Bergatmosphäre. „Das ist für mich Literatur, wie sie sein sollte: in neue Welten abtauchen, neue Lebensweisen kennenlernen.“
Am Abend der Verleihung des Hamburger Buchhandlunsgpreises findet zur langen Nacht der Literatur noch Programm im Lesesaal statt. Erst danach ab 22 Uhr wird Stephanie Krawehl in der Kunsthalle Hamburg sein, wo der Preis verliehen wird.
Den Deutschen Buchhandlungspreis hat die quereingestiegene Buchhändlerin bereits gewonnen. Auch dieses Jahr ist sie wieder nominiert.

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