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Die Suche nach einem Kita-Platz ist oft wie ein Castingtermin. Foto: Melda Arslan
Die Suche nach einem Kita-Platz ist wie ein Castingtermin. Foto: Melda Arslan

Castingstar

Frau Sisyphos bloggt über ihre Erlebnisse als Journalistin, Wahl-Eimsbüttelerin, Weltenbummlerin und Alltagsheldin. In Ihrer Kolumne bei den Eimsbütteler Nachrichten schreibt sie diesmal über harte Jurys in Pflicht-Castings für Kinder.

Von Frau Sisyphos

Heute morgen, mein Mann und ich saßen in einem Café und schlürften Kaffee, schaute sich das Kind interessiert eine Hamburger Boulevardzeitung an, die aufgeschlagen auf dem Nebentisch lag. “Wie schön”, rief es aufgeregt und tippte auf ein Foto, das eine junge Frau in einem sehr kurzen, sehr glitzernden Trallafittikleidchen zeigte.

“Na großartig”, sagte ich zu meinem Mann. “Sie interessiert sich jetzt schon für Germany’s next Topmodel.” Mein Mann verschluckte sich an seinem Kaffee.

“Naja”, fuhr ich fort und klopfte meinem hustenden Mann auf den Rücken. “Sie ist ja schon von klein auf an Castingshows gewöhnt.”

Vor etwa fünf Jahren, meine Tochter schwamm noch ahnungslos in ihrem Fruchtwasser, ging das erste Casting los.

“Wann ist denn der Geburtstermin?”, fragte mich die Frau, abschätzend auf meinen schon recht stattlichen Schwangerschaftsbauch stierend.

“In zwei Monaten”, erwiderte ich.

Die Frau schnalzte mit der Zunge und zog die Stirn besorgt in Falten. “Sie kommen aber recht spät. Da kann ich sie nur auf die Nachrückerliste setzen.”

Ich war gekommen, um meiner künftigen Tochter einen Kita-Platz zu sichern. Mehr als ein Jahr im Voraus.

Viel zu spät, wie mir auch eine andere Mutter versicherte. Andere, so erzählte sie mir, meldeten ihre Kinder schon an, bevor sie dem werdenden Vater vom Plus auf dem Schwangerschaftstest berichtet hatten.

“Aber”, riet sie mir verschwörerisch, “bleib jetzt dran!” Sie hätte sich monatlich bei der Wunschkita gemeldet, hätte das handwerkliche Geschick ihres Gatten angepriesen und beim Sommerfest der Kita selbstgebackenen Kuchen vorbeigebracht. Wohlgemerkt, lange bevor ihr Kind überhaupt die Einrichtung besuchte.

Ich begann, mir Sorgen zu machen. Aufgestachelt begann ich nicht nur, nach einem Kitaplatz Ausschau zu halten, wo Kinder bis zu einem Alter von drei Jahren betreut werden, sondern auch schon nach einem Kindergartenplatz, wo es ab Beginn seines vierten Lebensjahrs bleiben könne.

Als ich den Kindergarten, den mein Kind heute besucht, das erste Mal aufsuchte, war es sechs Monate alt. Genau richtig, denn – so erzählte mir damals der Leiter – zweieinhalb Jahre Wartezeit seien durchaus üblich, aber keine Gewähr, dass es tatsächlich mit einem Platz klappen werde (tatsächlich sind wir auch erst durch das Nachrückverfahren zum Zuge gekommen).

Für einen Kita-Platz muss man sich sehr früh bewerben. Foto: Nora Helbling
Für einen Kita-Platz muss man sich sehr früh bewerben. Foto: Nora Helbling

Also klapperte ich weitere Kindergärten ab und fing an – nun ja – unlautere Methoden einzusetzen. Dem Kindergarten um die Ecke erzählte ich, dass die zwei Nachbarskinder, die die Einrichtung bereits besuchten, die besten, unzertrennlichsten Freunde meiner Tochter wären (obgleich sie sich in Wirklichkeit keines Blickes würdigten). Dem spanischsprachigen Kindergarten sagte ich, mein Mann und ich spielten mit dem Gedanken, in einigen Jahren nach Spanien auszuwandern, deshalb sei es unerlässlich, dass das Kind sich schon jetzt mit der Sprache vertraut mache. Dem konfessionellen Kindergarten berichtete ich von regen Kirchbesuchen und der Einbettung in die Gemeinde, die uns am Herzen liege.

Zu einem vierten Kindergarten schickte ich auf Anraten einer Bekannten meinen Mann, weil die Einrichtung wohl aktive Väter besonders schätzte.

Besonders im Kopf geblieben sind mir zwei Stätten. Beim Besuch eines städtischen Kindergartens hatte ich meine Tochter und mich extra besonders sorgfältig gekleidet. Wir waren einige Minuten zu früh, die Leiterin bat mich, in einem Spielraum mit meinem Kind zu warten. Als alle anderen Eltern eingetroffen waren, sollte die Besichtigungstour durch die Einrichtung losgehen. Nur: Mein damals etwa anderthalbjähriges Kind hatte gerade angefangen, mit einer Holzeisenbahn zu spielen und schrie wie am Spieß, als ich es von selbiger loseiste. Es heulte vor Wut, als wir die Küche besuchten. Es kreischte, als wir die Ruheecke betrachteten, es warf sich bockig zu Boden, als wir einen Musikraum vorgeführt bekamen. Alle anderen Eltern trugen friedlich dreinschauende Kleinkinder in den Armen, die freundlich die Erzieherinnen anlächelten.

Am Ende der, in unserem Fall, sehr lauten Besichtigungstour, fragte mich die Kindergartenleiterin nach dem Namen meiner Tochter. Sie suchte ihn auf der Interessentenliste, auf die ich mich schon Monate vorher hatte eintragen lassen, dann setzte sie ein rotes Kreuz dahinter. Was es zu bedeuten hatte, verriet sie mir nicht, aber wir hörten nie wieder von dieser Kindertagesstätte.

Draußen griff ich schweißgebadet, mit hochrotem Kopf zum Handy und sagte meinem Mann, er solle sofort Feierabend machen, um sich von seiner Tochter zu verabschieden bevor ich sie zur Adoptionsbehörde brächte.

Die andere Einrichtung, an die ich mich noch lebhaft erinnere, obwohl ich sie nie von innen betreten hatte, war ein elitärer Privatkindergarten mit Rund-um-die-Uhr-Service, den die Tochter unserer Nachbarn, zwei Opernsänger aus Skandinavien, besuchte.

“Guten Tag”, flötete ich ins Telefon, “ich suche einen Kitaplatz für meine Tochter. Dürften wir einmal bei Ihnen vorbeikommen, um uns vorzustellen?”

“Was”, fragte die Dame an der anderen Leitung, “sind Ihr Mann und Sie den von Beruf?”

Es kostete mich einige Mühe, Contenance zu wahren. Am Ende des Telefonverhörs, das noch unser Einkommen, die musikalische Früherziehung unserer damals zehnmonatigen Tochter sowie unsere Fremdsprachenkenntnisse und üblichen Urlaubsziele anschnitt, riet mir die Kindergärtnerin zu einer schriftlichen Bewerbung. “Am Ende des Monats reden wir über alle Bewerber, die sich für unsere Einrichtung interessieren und entscheiden dann, wer sich bei uns vorstellen darf.”

Frau Klum, falls Sie für ihre nächste Topmodel-Staffel noch ein strenges Jurymitglied suchen: Ich hätte da einen Tipp.

PS: Als geübte Castingteilnehmer haben wir für unsere zweite Tochter übrigens auf Anhieb einen Kitaplatz gefunden.

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