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André und sein Team sind im vergangenen Jahr Meister geworden beim “Copa de los Indios”. Foto: Felix Meschede

Die verlorene WM

Es hätte doch alles so schön werden können. Strände, Caipirinha und eine Weltmeisterschaft. Brasilien schien als der ideale Gastgeber für das weltgrößte Fußballfest. Doch FIFA und Regierung haben etwas Entscheidendes übersehen: die Brasilianer.

Von Felix Meschede
André trainiert zweimal die Woche auf einem Bolzplatz im Regenwald. Foto: Felix Meschede
André trainiert zweimal die Woche auf einem Bolzplatz im Regenwald. Foto: Felix Meschede

Laut knattern die Außenbordmotoren der kleinen Boote, mit denen sich André und die anderen vom Stamm der Sateré Mawé auf dem Rio Negro fortbewegen. 20 Kilometer flussaufwärts von Manaus, der Amazonashauptstadt mitten im Regenwald spielen Asphaltstraßen keine Rolle. Das Leben der Menschen findet auf dem Wasser statt. Viele der Indigenen leben in Häusern, die sie auf Flößen errichtet haben, denn in der Regenzeit steigen die Flusspegel um mehr als zwölf Meter an. Eigentlich kein guter Ort, um Fußball zu spielen. Eigentlich. Denn wo ein Wille ist, da ist auch ein Fußballfeld.

André ist Trainer, Kapitän und Vereinschef seines kleinen Teams. Er hat sein Haus auf einem Hügel errichtet, weit oberhalb des Flusses, wo es vor dem Wasser geschützt ist. Und genau dort hat er auch mit seinem Team im dichten Wald einen Fußballplatz errichtet. Die Tore bestehen aus Baumstämmen, der Platz ist so hügelig, dass man sich schnell den Knöchel brechen könnte. Mehrmals in der Woche trainieren sie hier, viele von ihnen barfuß.

Echte Leidenschaft

„Wenn der Platz in der Regenzeit aufgeweicht ist, dann können wir nicht trainieren“ sagt André. Allerdings werden die Bedingungen auch nicht besser, wenn die Sonne in den Sommermonaten beinahe senkrecht vom Himmel brennt. Temperaturen von 40 Grad machen bereits jeden Spaziergang zu einem sportlichen Ereignis. Doch der Spielfreude der Sataré Mawé schadet das offenbar nicht. Es muss also was dran sein, am Mythos der fußballverrückten Brasilianer.

André und sein Team sind im vergangenen Jahr Meister geworden beim “Copa de los Indios”. Foto: Felix Meschede
André und sein Team sind im vergangenen Jahr Meister geworden beim “Copa de los Indios”. Foto: Felix Meschede

Dabei spielt sich der brasilianische Profifußball tausende Kilometer weit entfernt ab, in den Stadien der großen Clubs in Rio de Janeiro, Porto Alegre oder São Paulo. In den Clubs stehen indigene Spieler jedoch nicht auf dem Feld. Die Vorbehalte und Ressentiments gegenüber Indigenen sind in Brasilien auch 200 Jahre nach der Unabhängigkeit noch alltäglich. Dafür braucht man nicht einmal den Amazonas verlassen. „Diskriminierung gibt es auch in Manaus“, sagt André. Dabei sind die wenigsten Städter jemals in einer indigenen Gemeinde gewesen.

Ein Stadion für vier Spiele

„Die WM kann für uns deshalb eine große Chance sein“, sagt André. Manaus wird wie Rio oder São Paulo Austragungsort der Weltmeisterschaft sein und damit für wenige Wochen im Mittelpunkt der weltweiten Öffentlichkeit stehen. Das gilt auch für die indigene Kultur, hofft der Kapitän. Das neu gebaute Stadion erinnert architektonisch an einen Korb und soll damit die indigene Handwerkskunst verkörpern. Auch die Farben der Stühle sind in den Farben des Amazonas gehalten. Neben den 44.000 Sitzplätzen gibt es noch 70 VIP-Logen. Doch all das hat seinen Preis.

Teurer Fruchtkorb

Etwa 218 Millionen Euro wird der „Fruchtkorb“ kosten, wie die Manauaras ihre neue Arena nennen. Insgesamt vier WM-Spiele finden hier am Rio Negro statt. Was danach mit dem Stadion passiert, ist noch völlig offen. Und da werden selbst Fußballfans wie André misstrauisch. „Eigentlich hätten wir das Stadion nicht gebraucht“, gibt er zu bedenken. Denn das beste Team von Manaus spielt derzeit in der vierten brasilianischen Liga, im Schnitt besuchen etwa 2.000 Menschen ein Spiel ihres Vereins. André seufzt. Es ist so eine Sache mit dem Sport und den Bedürfnissen der Menschen. Eine recht komplizierte Sache.

Dieses Foto zeigt die Arena da Amazônia (Manaus) im November 2013 aufgenommen. Foto: Felix Meschede
Dieses Foto zeigt die Arena da Amazônia (Manaus) im November 2013 aufgenommen. Foto: Felix Meschede

Den Menschen im Amazonasgebiet fehlt es nicht an Fußballstadien. Ihnen fehlt es an Schulen und Krankenhäusern. Vor ein paar Wochen ist ein Bekannter von André gestorben, weil seine Familie kein Geld hatte, um das Motorboot zu betanken, das ihn zum nächstgelegenen Krankenhaus hätte bringen können. Das Verkehrssystem in der Millionenmetropole ist völlig veraltet. Und das in einem Land, das zu den größten Volkswirtschaften der Welt zählt.

Manaus ist kein Einzelfall. Jeder Austragungsort hat nun ein teures neues Stadion und Probleme, an denen sich trotz vieler Versprechungen in den letzten Jahren der Vorbereitung in den Augen der Menschen kaum etwas geändert hat, oder einfach nicht genug.

Studenten in Rio de Janeiro protestieren gegen das marode Bildungssystem. Menschen in Fortaleza demonstrieren gegen die Gewalt in ihrer Stadt. In São Paulo streiken Busfahrer und Metro-Angestellte. Fahrgäste in Rio de Janeiro wehren sich gegen die letzte Fahrpreiserhöhung. In Brasília demonstrieren Indigene mit Pfeil und Bogen gegen die Vertreibung ihrer Familien durch Staudammprojekte und Abholzung. In vielen Bundesstaaten streiken Zivilpolizisten für mehr Lohn.

„FIFA go Home“

Vielerorts gibt es Proteste. Foto: Felix Meschede
Vielerorts gibt es Proteste. Foto: Felix Meschede

Die Probleme der Brasilianer mögen unterschiedlich sein, ihr Frust über die Politiker im Land ist es nicht. Für die Stadien und Anforderungen der FIFA ist Geld da, für uns nicht, so ihre Botschaft. Dabei sind die durchschnittlichen Löhne in der Mittelschicht in den vergangenen Jahren gewachsen. Eigentlich ein Grund zur Freude, oder? Doch während die Brasilianer fleißig Steuern zahlten, änderte sich an der Infrastruktur im Land kaum etwas. Die versprochenen Sanierungen der Verkehrssysteme zur WM sind vielerorts ausgeblieben. Das Wirtschaftswachstum belastet die Umwelt. Die Korruption erschwert Reformen. Vielleicht hat man das alles vergessen wollen, als man sich bei der FIFA um die Austragung der WM bewarb. Vielleicht hatte man es aber auch einfach nicht ernst genommen.

Es sollte eine WM für alle werden, so das Versprechen von Staatschefin Dilma Rousseff. André scheint an dieses Versprechen nicht mehr ganz zu glauben. „Wir werden sehen, ob es wirklich eine WM für alle ist.“ Für viele Brasilianer ist das Turnier bereits verloren.

[youtube http://www.youtube.com/watch?v=XCOhK7JpjW0]

Video (in portugiesischer Sprache)

Zu dem Projekt Once Amigos

Beim Projekt „Once Amigos“ (Elf Freunde) berichten deutsche und lateinamerikanische Journalisten aus dem Gastgeberland Brasilien.

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