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Ina Möller ist Architektin und Mitglied im Vorstand des Bürgerforums Eidelstedt. Foto: Privat
Eidelstedt und der Hörgensweg

„Es gibt kein Recht auf Nicht-Veränderung“

Ina Möller ist Architektin und Mitglied des Bürgerforums Eidelstedt. Seit Monaten diskutiert die Initiative über Flüchtlingsunterkünfte und die Konflikte im Stadtteil. Sie findet: Die Menschen im Stadtteil haben keinen Anspruch darauf, dass in ihrer Nachbarschaft alles so bleibt wie es ist.

Von Laura Wesseler

Frau Möller, wie genau würden Sie die Rolle des Bürgerforums in Eidelstedt beschreiben?

Ich sehe das Bürgerforum als Bindeglied zwischen der Bevölkerung hier im Stadtteil, der Lokalpolitik und dem Bezirksamt. Wir sind kein „Szenebezirk“ und stehen in der öffentlichen Diskussion ziemlich am Rand. Deshalb haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, Eidelstedt sichtbarer zu machen. Es geht darum zu diskutieren, was hier gebraucht wird, damit der Stadtteil besser funktioniert. Das Ziel war von Anfang an, ein niedrigschwelliges und offenes Angebot zu machen, damit auch wirklich jeder das Gefühl hat, kommen zu können. Wir sind deshalb auch kein Verein. Ich habe die Erfahrung, dass diese Struktur abschreckend wirkt. Wir fordern lediglich, dass jemand drei Mal bei unseren Treffen gewesen ist, damit er über gemeinsame Beschlüsse abstimmen kann.

Welche Projekte setzt das Bürgerforum denn konkret um, damit das Zusammenleben im Stadtteil, wie Sie sagen, besser funktioniert?

Wir fangen bei ganz kleinen Dingen an, wie in den letzten Jahren mit einem Open-Air-Kino am Eidelstedter Marktplatz. Zudem haben wir letzten September eine Denkmalrallye organisiert. Es gibt hier über 50 Denkmäler. Schüler der Stadtteilschule haben dazu Informationen gesammelt und bei der Führung vorgetragen. Zudem kümmern wir uns um die sogenannten „Bürgerbeete“, da übernehmen Anwohner die Bepflanzung von Freiflächen hier im Stadtteil. Mein persönliches Anliegen ist es, dass bei unseren Treffen nicht nur geredet wird, sondern konkret Projekte zu Stande kommen. Solche Projekte sollen von den Bewohnern an uns herangetragen werden und wir helfen mit unserer Struktur bei der Planung.

In Eidelstedt gibt es viele Bewohner mit Migrationshintergrund. Wer kommt überhaupt zu Ihren Treffen?

Das sind eher die üblichen Verdächtigen. Alteingesessene Eidelstedter, die sich einbringen wollen. Aber bei den Diskussionen zu den Flüchtlingsunterkünften sind auch viele jüngere Leute dabei. Obwohl ich erlebe, dass die eher dort hingehen, wo sie konkret zum Beispiel einer Flüchtlingsfamilie helfen können. Leider kommen kaum Zugezogene, auch mit Migrationsgeschichte zu uns. Obwohl wir deren Erfahrungen natürlich dringend in der Diskussion bräuchten. Die Hemmschwelle ist wahrscheinlich zu groß, vielleicht auch wegen der Sprache.

Die Wohnungsbaupläne für Flüchtlinge am Hörgensweg und am Duvenacker werden im Stadtteil teilweise sehr kritisch gesehen. Was ist Ihre Position?

Ich mache mir auch Sorgen, wie das denn alles gehen soll. Andererseits hat keiner einen Anspruch darauf, dass sich nie irgendetwas verändert. Ich würde mir wünschen, dass diese Tatsache von den politischen Entscheidungsträgern viel mehr mit geradem Rücken vertreten wird. Wir haben mit der Unterzeichnung der Genfer Flüchtlingskonvention die Pflicht, Flüchtlinge aufzunehmen. Mittlerweile gibt es zumindest in Teilen die nötige Infrastruktur für die Geflüchteten, aber jetzt kommen nicht mehr so viele, weil das Problem inzwischen an die europäischen Außengrenzen verlagert wurde.

Viele Eidelstedter haben offenbar das Gefühl, die Flüchtlingsunterbringung konzentriere sich im Bezirk Eimsbüttel vor allem auf Eidelstedt. Die Zahlen von 350 Wohneinheiten am Hörgensweg und 105 am Duvenacker würden geschätzt 1.500 neue Bewohner in den Stadtteil bringen. Sind das zu viele?

Ich habe zwei Kritikpunkte: Zum einen hat Eidelstedt im Verhältnis zu ganz Eimsbüttel die schlechtesten Sozialdaten. In Eidelstedt selbst hat der Hörgensweg die niedrigsten Werte im sozialen Index. Es ist zu befürchten, dass hier eine Hypothek aufgenommen wird für den Stadtteil. Wenn man jetzt falsch plant, muss man in Zukunft vielleicht noch viel mehr ausgeben für sozialräumliche Korrekturen. Zum anderen kritisiere ich die Kommunikation des Bezirksamts. Es war einfach intransparent, wie die Grundstücke ausgewählt wurden. Ich hatte das Gefühl, irgendwo anders hat jemand lauter geschrien und darum kommt es dort nicht hin. Der Senat hat entschieden, dass 800 Wohneinheiten in jedem Bezirk auf einem acht Hektar großen Grundstück entstehen sollen. In Eimsbüttel werden die zwar auf drei Grundstücke aufgeteilt, zwei davon liegen aber „zufällig“ in Eidelstedt.

Welche anderen Möglichkeiten hätte es denn gegeben? Es gibt nun Mal ein Platzproblem.

Eigentlich habe ich mir vorgestellt, das man so etwas runterbricht in den Stadtteil und etwa einen Aktionskreis für dezentrale Unterbringung gründet. Denn an die kleinen Grundstücke kommen wir nur über die Privatleute ran. Die sind überhaupt nicht in städtischem Besitz, wir müssten in jedem Stadtteil mit den Grundeigentümern beziehungsweise dem Grundeigentümerverband sprechen.

Ist das realistisch?

Weiß ich nicht, aber wenn man das macht, hat man alle in die Kommunikation einbezogen. Vielleicht bekommt man so zumindest 200 Wohnungen zusammen und für den Rest muss dann eben eine große Unterkunft her. So hätte die Politik wenigstens etwas versucht und eine Rechtfertigung. Nach dem Motto: Wenn ihr nicht bereit seid, Geflüchtete in eurem Dachgeschoss wohnen zu lassen, müssen wir eben groß bauen. So haben die Bürger lediglich den Eindruck, sie seien Sand im Getriebe. Auf der Veranstaltung zum Hörgensweg hat der Bezirksamtsleiter Torsten Sevecke endlich einmal gesagt, dass die Entscheidung, wie viele Wohneinheiten es hier für die Flüchtlinge werden, eine politische ist. Die fällt im Stadtplanungsausschuss. Das war endlich eine klare Ansage. Die hätte er von mir aus aber schon viel früher machen können, denn so wird für die Bürger klar, wer welche Entscheidung trifft. Aber ehrlich gesagt: Egal was und wo sie jetzt bauen, es gibt immer Gegenwind. Das Gerangel um Platz gibt es in der Stadt immer. Das Problem existiert doch nicht erst seit den Flüchtlingen. Immer mehr Menschen ziehen in die Städte und wir haben viel zu wenig Sozialwohnungen, weil sich darum in den letzten 30 Jahren niemand gekümmert hat.

Auf diesem Gelände am Duvenacker in Eidelstedt sollen Flüchtlingswohnungen entstehen. Foto: Robin Jaede
Auf diesem Gelände am Duvenacker in Eidelstedt sollen Flüchtlingswohnungen entstehen. Foto: Robin Jaede

Wie beurteilen Sie als Architektin die Pläne für den Hörgensweg und den Duvenacker?

Zunächst mal hat der Bezirk für das Grundstück am Hörgensweg mit der Planungsgesellschaft Holzbau mbH (PGH) eine Hamburger Firma als neue Eigentümerin gefunden, die schon viele Grundstücke mit Sozialwohnungen entwickelt hat und langfristig betreibt. Vier Büros sind vom Bezirk zu diesem städtebaulichen Wettbewerb eingeladen worden. Gleich zu Anfang der Planungsphase gab es einen Workshop mit den Anwohnern, um zu sehen welche Vorstellungen und Anregungen es gibt. Das gleiche wird es noch einmal in der Mitte der Planung geben, um zu erklären, warum etwas auf eine gewisse Art und Weise geplant wird. Ich denke, auch wenn das viele Bewohner auf einem Fleck werden, gibt es gute Beispiele wie das Konzept der „Arrival cities“. Danach helfen Menschen sich gegenseitig, wenn sie aus einer Gegend zusammen ankommen. So bauen sie sich etwas auf und ziehen weiter, wenn sie sich etwas besseres leisten können. Das funktioniert wie ein Durchlauferhitzer. Gleichzeitig gibt es natürlich die Sorge, dass die, die es nicht schaffen, dort bleiben. Generell brauchen wir Brückenprojekte, die dazu führen, dass auch Leute von außerhalb in das Viertel kommen. Man wird sicherlich eine Kita auf dem Gelände brauchen, die aber nicht für alle reicht. Im Fall der Schulen spricht das Bezirksamt schon mit der Schulbehörde, dabei geht es um Erweiterungen bereits bestehender Schulen. Das geschieht nun alles parallel, normalerweise kommt sowas erst immer nachher. Aber die Zahlen der Geflüchteten, die hierher kommen, sind ja noch in Bewegung.

Wie ist die Situation am Duvenacker?

Dort nimmt die Stadt Gebäudetypen, die schon einmal durchgeplant und verwendet wurden. Die Typologie und die Gebäude stehen schon fest, das Konzept musste praktisch nur aus der Schublade gezogen werden. So geht die Baugenehmigung schneller. Normalerweise braucht man für die gesamte Planung mindestens ein Jahr und vorher muss der Bebauungsplan geändert werden. Aufgrund der Gesetzesänderung in Bezug auf Flüchtlingswohnungen gelingt die Umsetzung des Projekts nun viel schneller. Das ist einerseits gut, andererseits haben wir hier nicht die geforderte „Durchmischung“ etwa mit Sozialwohnungen. Ich finde das aber nicht dramatisch, das werden voraussichtlich 105 Wohneinheiten, ganz im Gegensatz zum Hörgensweg, wo uns ein richtiges städtebauliches Projekt bevor steht.

Dennoch hat sich am Duvenacker eine Bürgerinitiative gegründet, die ihr Anliegen vehement vertritt.

Ja, die werden sicherlich klagen. Allerdings sehe ich deren starre Vorgaben nicht als umsetzbar an. So funktioniert Planung nicht. Ich kann einige Bedenken verstehen,  habe aber auch das Gefühl, dass sich dahinter auch einige Menschen verstecken, die eigentlich keine Flüchtlinge haben wollen, auch wenn sie das so nicht sagen. In Anbetracht dessen, was die Leute angetrieben hat, hier herzukommen, finde ich unsere Sorgen manchmal beschämend.

In Eidelstedt wird es bald das RISE-Programm geben. Wie kann der Stadtteil davon profitieren?

Für mich ist RISE eine Maßnahme zur Bürgerbeteiligung, zur Quartiersentwicklung zusammen mit den Bewohnern. Es wird einen Stadtteilbeirat geben, der aus allen Beteiligten im Quartier besteht. Zum Beispiel junge Leute, dem Seniorenbeirat, sozialen Trägern, Schulen, dem Einzelhandel, aber auch den Marktbetreibern auf dem Eidelstedter Platz. Mein Wunsch ist eigentlich, dass solch eine Insitution dauerhaft finanziert wird und nicht nur durch Projekte wie RISE. Die Entscheidungen hängen natürlich immer am Geld. Der erste Schritt im Rahmen des Programms ist, einen Gebietsentwickler zu finden. Europaweit können sich Büros bewerben und ein Konzept für den Stadtteil erstellen. Im September soll dann die Entscheidung fallen.

Was würden Sie sich für die RISE-Entwicklung wünschen?

Es geht darum, alle an einen Tisch zu bekommen und mehr hinzukriegen als eine Weihnachtsbeleuchtung. Der Eidelstedter Platz braucht mehr Barrierefreiheit, Spielgeräte und Sitzgelegenheiten. Er sollte ein „shared place“ zur gemeinsamen Nutzung werden. Wir sollten die Möglichkeiten des Wochenmarkts noch mehr nutzen. Vielleicht durch Kochprojekte mit regionalen Produkten. Eine innovative energetische Sanierung des Eidelstedt Center mit Vorbildcharakter könnte ein Baustein zu einer guten Quartiersentwicklung sein. Das steht und fällt natürlich auch mit dem Willen der Besitzer der jeweiligen Gebäude. RISE stellt aber auch eine Struktur für die neue Situation mit den Geflüchteten. So könnte man Einwohnerkioske als Treffpunkte am Hörgensweg und Duvenacker schaffen, oder kleinere gemeinsame Bauprojekte mit Bewohnern der Viertel und von außerhalb. Aber mir ist natürlich klar, dass RISE allein das alles nicht bewirken kann. Dafür braucht es sehr viel ehrenamtliches Engagement. Für einen erfolgreichen Entwicklungsprozess benötigen wir daher eine Bürgerbeteiligung auf Augenhöhe.

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