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Rückfront der Mattisburg. Foto: Anja von Bihl

Ein Haus für gewaltgeschädigte Kinder

In Schnelsen ist am Donnerstag die „Mattisburg“ feierlich eröffnet worden. Hier finden ab dem 1. September misshandelte und missbrauchte Kinder Schutz und Hilfe.

Von Anja von Bihl
Florian Fischötter, Johanna Ruoff, Dorothea Urban und Wilfried Hans von der Großstadt-Mission. Foto: Anja von Bihl
Florian Fischötter, Johanna Ruoff, Dorothea Urban und Wilfried Hans von der Großstadt-Mission. Foto: Anja von Bihl

Das Haus in der Heidlohstraße reiht sich ein zwischen Einfamilienhäusern und Gärten. Es wurde errichtet von der Stiftung „Ein Platz für Kinder“ gemeinsam mit der D. und H. Urban-Stiftung. Träger ist die Großstadt-Mission Altona. Bis zu zehn Kindern im Alter von vier bis zwölf Jahren bietet die „Mattisburg“ ein geschütztes Umfeld. Erste Anfragen von Jugendämtern der Region liegen bereits vor, sagt Carsten Schüler von der Großstadt-Mission. Dabei hat die Bewerbungsfrist noch gar nicht begonnen.

Carsten Schüler erklärt den Eingangsbereich. Foto: Anja von Bihl
Carsten Schüler im Eingangsbereich. Foto: Anja von Bihl

Die Kleinen haben in der Regel eine extreme Lebens- und Leidensgeschichte hinter sich. Vorrangig sei die diagnostische Arbeit, so Schüler. Denn wenn ein Kind sich sehr auffällig verhalte, müsse herausgefunden werden, was genau passiert ist, um wirksam helfen zu können. Ein Beispiel aus der Praxis: Ein Junge ist von seinem Vater schwer geprügelt worden,  „und ich spreche hier nicht von Ohrfeigen“. Jedesmal hatte der Vater vorher laut geschimpft, für das Kind das Signal: „Jetzt bin ich in existenzieller Gefahr“. Diesen Zusammenhang muss man erst einmal herausfinden, um zu verstehen, warum der Junge in Panik gerät und vollkommen ausrastet, wenn ein Erzieher oder jemand anders die Stimme hebt und etwas lauter wird.

Erst dann könne man anfangen, dem Kind klar zu machen: „Du bist nicht gestört, sondern du konntest dir nicht anders helfen,“ sagt Schüler – Verstehen als  Voraussetzung zum Umlernen.

Betreuung rund um die Uhr

Hausleiter Thorsten Bierbaum. Foto: Anja von Bihl
Hausleiter Thorsten Bierbaum. Foto: Anja von Bihl

Es ist immer jemand im Haus, auch nachts. Hausleiter Thorsten Bierbaum erklärt, in den Nachtstunden komme noch eine Rufbereitschaft dazu, die im Bedarfsfall schnell vor Ort sein könne. In den Tagschichten sind zu den Kernzeiten immer mindestens drei Pädagogen und Therapeuten da. Die neusten Erkenntnisse der aktuellen Traumaforschung sollen in der Mattisburg angewandt werden. Die Mitarbeiter der Großstadt-Mission sind speziell geschult und qualifiziert, um traumasensibel auf die Kinder eingehen zu können.

Während des Aufenthaltes in der Heidlohstraße gehen die Kleinen zudem ganz normal zur Kita und die Größeren zur Schule. Sie werden als Gastschüler in der Nähe angemeldet.

Bis zu sechs Monaten sollen die Mädchen und Jungen in der „Mattisburg“ Schutz, Begleitung und Förderung erhalten. In enger Zusammenarbeit mit dem Jugendamt wird danach sorgfältig geprüft, wie es mit den Kleinen weitergeht.

Erschreckende Statistik

„Jeder Fall von Gewalt an Kindern ist eine Tragödie und bedarf höchster Aufmerksamkeit und langfristiger Fürsorge,“ sagt Johanna Ruoff, die Vorsitzende der Stiftung „Ein Platz für Kinder.“ Die aktuellen Zahlen des Bundeskriminalamts: Jede Woche sterben in Deutschland, durchschnittlich, drei Kinder durch Gewalt. Allein 2013 waren das 153 Jungen und Mädchen.

Kindgerechte Architektur

Verletzungssichere Waschbecken. Foto: Anja von Bihl
Verletzungssichere Waschbecken. Foto: Anja von Bihl

In 14 Monaten Bauzeit ist das zweistöckige Haus in der Heidlohstraße entstanden. Die Nachbarn wurden früh informiert und eingebunden und stehen dem Projekt positiv gegenüber.

Architekt Florian Fischötter spricht von einer ungewöhnlichen Bauaufgabe: Das Gebäude ist innen streng in zwei Bereiche geteilt, einen für die Kinder und einen anderen für die Eltern. Denn auch die sollen hier Hilfe und Therapie erhalten können. Um zufällige, für die Kinder schädliche Begegnungen zu vermeiden, gibt es zwei getrennte Eingänge.

Das Gefährdungspotenzial wurde minimiert, es gibt keine Balkone und Geländer, von denen man abstürzen kann. Sicher sollte das Haus sein, aber eine „Heim-Atmosphäre“ vermieden werden. Und das ist gelungen mit den hellen Doppel- und Einzelzimmern oben, die jeweils eine andere Farbe haben. Sie sind durch Türen verbunden, so dass die Kinder allein sein können, aber nicht müssen. Es ist überall hell und freundlich, von jedem Raum aus kann man nach draußen sehen. Im Erdgeschoss liegt ein großer Küchen- und Essbereich mit dem Ausgang zur Terrasse und zum Garten.

Tischer Falk Gembus und das Apfelbäumchen. Foto: Anja von Bihl
Tischler Falk Gembus und das Apfelbäumchen. Foto: Anja von Bihl

Ein Apfelbäumchen für den Garten hat Falk Gembus mitgebracht. „Da können die Kinder etwas wachsen sehen und im Herbst schon ein Äpfelchen ernten,“ sagt der Tischler. Falk Gembus hat die stabilen Möbel entworfen und gebaut, vom großen Esstisch, dessen einzelne Elemente je nach Bedarf umgruppiert werden können, bis zu den Betten und Schränken in den Kinderzimmern. Sie halten großer Beanspruchung stand. Da fällt nicht so leicht eine Schranktür heraus, auch wenn sie mal richtig grob zugeknallt wird.

Es geht weiter

„Klappern gehen, Sponsoren suchen,“ so Dorothea Urban, das war und ist die Aufgabe, die sich die Stiftungen gesetzt haben, um die Mittel für das Projekt aufzubringen. Sie haben Unternehmen wie Hagebau, Baumschule von Ehren und AviationPower motiviert, sich mit Sachspenden, Geld und tatkräftiger Mithilfe zu beteiligen. Die Allianz will noch fehlende Möbel sponsern.

Mit der Finanzierung und Fertigstellung der „Mattisburg“ sehen die Stiftungen aber ihre Aufgabe nicht als beendet an. Das erklärt Johanna Ruoff, die Gründerin von „Ein Platz für Kinder“. Sie wollen einspringen, wenn etwas benötigt wird: Ferienprogramme, Renovierungen, Veranstaltungen, vielleicht ein zusätzlicher Pädagoge. Dabei zu bleiben, zu verfolgen, wie es den Kindern geht: „Eine absolute Herzensangelegenheit,“ so Johanna Ruoff.

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