Im Kampf gegen das Vergessen: Stolpersteine in Eimsbüttel
Stolpersteine – das sind die zehn mal zehn Zentimeter großen Steine, die vor Häusern in die Straße eingelassen sind. Wer genau hinschaut, entdeckt zahlreiche dieser kleinen Denkmäler, etwa 200 auch in Eimsbüttel. Welche Geschichte steckt dahiner?
Von Birte BlömersÜber die Grenzen hinaus
Mitte der 1990er-Jahre verlegte der Kölner Künstler Gunter Demnig zum ersten Mal einen Stolperstein und begann damit ein Projekt, das mittlerweile in ganz Deutschland, aber auch über die Landesgrenzen hinaus verbreitet ist. Kleine Messingplatten, die auf der Oberseite der Stolpersteine befestigt sind, erinnern mit einem eingravierten Namen sowie Daten zu Geburt und Tod an die im nationalsozialistischen Deutschland ermordeten oder in den Tod getriebenen Menschen – darunter Juden, Homosexuelle, psychisch Kranke und andere.
4.500 Stolpersteine in Hamburg
Im Jahr 2002 holte der Kunstsammler Peter Hess das Stolpersteinprojekt nach Hamburg. Seitdem wurden 4.500 Stolpersteine in der ganzen Stadt verlegt – der Viertausendfünfhundertste erst Mitte August am Neuen Wall in der Innenstadt. In Eimsbüttel und Hoheluft-West sind es rund 200 Stolpersteine, die auf den Gehwegen zu finden sind – 200 Schicksale, deren Hintergründe ein Forschungsteam aus Historikern der Geschichtswerkstatt Eimsbüttel und engagierten Bürgern jetzt beleuchtet und für die Nachwelt festgehalten hat.
Stolpersteine in der Nachbarschaft
Entstanden ist das Buch „Stolpersteine in Hamburg-Eimsbüttel und Hamburg-Hoheluft-West“. Es ist der 14. Band einer von der Landeszentrale für politische Bildung und dem Institut für die Geschichte der deutschen Juden herausgegebenen stadtteilbezogenen Reihe. Bei einer Lesung am 20. August in der Geschichtswerkstatt Eimsbüttel in der Sillemstraße lasen einige der Autoren aus den zum Teil spannenden und tragischen Biografien von Menschen, die in Eimsbüttel und Hoheluft-West gelebt haben, dann jedoch verfolgt, deportiert und größtenteils ermordet wurden.
Spannende Recherchen
Ein besonders außergewöhnlicher Fall, der in dem Buch geschildert wird, ist die Geschichte des Israel Johannes Rubanowitsch: Geboren 1866 als Jude in Weißrussland, konvertierte er im Jahr 1885 zum Christentum und wurde zu einem – aus heutiger Sicht – radikalen Prediger mit vielen Anhängern. 1902 kam Rubanowitsch nach Hamburg, wo er zum geistlichen Leiter der Holstenwallgemeinschaft zu Hamburg berufen wurde. Er und seine Familie wohnten zu dieser Zeit am Schulweg 48. Nachdem die Nationalsozialisten 1933 die Macht übernommen hatten, wurde Rubanowitsch als Jude in Hamburg verfolgt. 1939 wurde er schließlich verhaftet und 1940 in das KZ Sachsenhausen deportiert. Nach einer Verlegung in das KZ Pirna-Sonnenstein wurde Johannes Rubanowitsch 1941 ermordet.
Ein großes Puzzle
In der Geschichtswerkstatt Eimsbüttel ist die Geschichte der Juden und des politischen Widerstands traditionell ein wichtiger Themenschwerpunkt. Bereits in den 1980er-Jahren wurde auf diesem Gebiet geforscht, unter anderem von Susanne Lohmeyer aus Stellingen. Die Diplom-Soziologin und Dokumentarin treibt heute die Nachforschungen zu den Stolpersteinen federführend voran. Sich für die Recherchen zu motivieren, die mitunter mühselig und anstrengend sein können, ist für Susanne Lohmeyer nicht schwierig: „Für mich hat das Ganze auch etwas ‚Spielerisches‘: Die Biografien sind wie ein Puzzle, das es zu legen gilt.“
Pate für einen Stolperstein werden
Die Patenschaften für die Stolpersteine koordiniert in Hamburg Peter Hess. Über die Website www.stolpersteine-hamburg.de können Interessierte Kontakt aufnehmen, sich über eine Patenschaft informieren und eine solche übernehmen. Wer einen Stolperstein in der Nähe der eigenen Wohnung spenden möchte, kann dort auch Hilfe bei der Suche nach einem geeigneten Menschen bekommen.