Kleine Läden am Schulterblatt müssen raus
Drei Läden am Schulterblatt stehen vor dem Aus. Die Kündigungen der Hausverwaltung ohne Angabe von Gründen lässt sie um ihre Existenz fürchten. Die benachbarte Shisha-Lounge will dort neue Läden eröffnen.
Von Vanessa Leitschuh„Im Mittelpunkt der Firma Baumgarten Immobilien stehen Sie, unser Klient. Die Erfüllung Ihrer Wünsche, Vorstellungen und Bedürfnisse rund um die Immobilie sind unser Auftrag und der Maßstab für unser tägliches Handeln.“
Die Philosophie der Hausverwaltung Baumgarten Immobilien klingt, als stehe das Kundenwohl an oberster Stelle. Doch ist zu vermuten, dass sich die Besitzer einiger kleinen Läden am Schulterblatt von ihrer Hausverwaltung alles andere wünschten als eine bedrohte Existenz.
Denn ohne Angaben von Gründen bekamen bisher drei Geschäfte eine Kündigung ihres Mietvertrages.
Der Gebrauchtwarenladen „Genbrug“
„Ach Mensch, es ist so schade. Ihr passt genau hierher!“, verabschiedet sich eine Kundin von Sonja Paulmann. Die Inhaberin des Gebrauchtwarenladens „Genbrug“ am Schulterblatt 116 hat Mitte des Jahres überraschend von ihrem Vermieter die Kündigung erhalten.
Mit nur drei Monaten Kündigungsfrist sollte der Laden eigentlich bereits im September verschwunden sein. Doch Sonja Paulmann und ihr Mann konnten eine Verlängerung bis Ende des Jahres erreichen.
„Wir sind ein Einzelhandel – wir leben vom Weihnachtsgeschäft. Nach vielem Hin und Her wurde uns zugestanden, den Laden bis Ende Dezember zu behalten“, erklärt die Inhaberin. Seit sieben Jahren betreibt das Ehepaar Paulmann den Laden.
„Viele Kunden sprechen uns darauf an. Eine Kundin hat sogar eine Liste mit Mail-Adressen angefertigt, damit wir Bescheid geben können, falls wir eine neue Ladenfläche finden“, erklärt Paulmann.
Die „Genbrug“-Besitzer fragten ihre Hausverwaltung, ob Geld eine Rolle spiele. Doch Baumgarten Immobilien erklärten dem Ehepaar Paulmann, dass eine höhere Mietzahlung nichts ändere.
Die Waren des Ladens entstammen aus Haushaltsauflösungen, diese werden das Ehepaar weiter betreiben. Nur fehlt ab Januar der Ort, um das Mobiliar und die Haushaltsgegenstände zu verkaufen.
Der Kiosk am Schulterblatt 116
Während die Betreiber des Gebrauchtwarenladens noch ein zweites Einkommen durch Haushaltsauflösungen und Firmendienstleistungen haben, war der Kiosk am Schulterblatt das einzige Standbein von Emin Kaya.
Mehr als 13 Jahre betrieb Kaya den Kiosk in Eimsbüttel bis er im Februar 2016 die Kündigung erhielt. Er versuchte sich juristisch zu wehren. „Bis zuletzt möchte ich gegen diese Gauner vorgehen!“, erklärt Kaya.
Doch auch vor Gericht erhielt er keine Antwort auf die Frage nach den Beweggründen der Hausverwaltung. Trotzdem entschied das Gericht zu Ungunsten des kleinen Ladens: Bis Ende diesen Monats muss auch der Kiosk raus.
Dabei haben erst die kleinen Geschäfte die Ecke gleich hinter der Bahnbrücke belebt.
„Als ich den Laden hier vor 13 Jahren mietete, war es eine unbeliebte Gegend. Wir haben diese Ecke erst lebendig gemacht und jetzt wollen sie uns rauswerfen“, erklärt Kaya. „Der Kiosk wurde zu einem Treffpunkt der Nachbarschaft, die Menschen haben sich hier wohlgefühlt.“
Das Modegeschäft „Inci Hakbilen Design“
Gegenüber der beiden Läden baute sich eine Schneiderin über Jahre mit maßgeschneiderten Brautmoden und Abendkleidern einen Kundenstamm auf. Seit Anfang 2011 mietete Inci Hakbilen die Ladenfläche am Schulterblatt 115.
„Ich habe seit sechs Jahren für den Laden gekämpft. Mein Mietvertrag ging eigentlich bis Ende November diesen Jahres mit der Option bis 2022 zu verlängern“, erklärt die Modeschöpferin. Obwohl sie den Vermietern frühzeitig Bescheid gab, sie wolle den Laden behalten, reagierte dieser einfach nicht.
„Erst im September kam dann die Kündigung. Es ist eine Katastrophe für mich, sie wollen, dass ich sofort gehe. Herr Baumgarten selbst meinte, er habe ab September schon einen neuen Mieter.“
Auch sie konsultierte einen Anwalt. „Irgendjemand muss uns helfen. Soll ich nun schließen und zum Sozialamt gehen?“, meint die Geschäftsfrau.
Shisha-Bar Besitzer wird neuer Mieter
Neuer Mieter sei der Besitzer der Shisha-Bar „Rebel Lounge“ gleich nebenan.
Inci Hakbilen stellte den Inhaber der Bar zur Rede: „Ich habe ihn gefragt, ob er meinen Laden haben möchte. Er sagte, er wolle einen Tabakladen eröffnen und gegenüber einen Friseursalon.“
„Der 7.000. Friseur, den hat das Viertel noch gebraucht“, spottet Sonja Paulmann. Und auch an Tabakwaren fehlt es an der Ecke nicht, den gibt es schließlich zurzeit noch in Emin Kayas Kiosk.
Das Unternehmen Baumgarten Immobilien selbst war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.