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Intendant des MUT! Theaters in Eimsbüttel Mahmut Canbay
Intendant Mahmut Canbays auf der Bühne seines "Mut!Theaters". Foto: Babak Bataghva
Eimsbütteler des Monats

Und sie fliegen trotzdem

Mahmut Canbays „Mut!Theater” bietet politischem Schauspiel und interkulturellem Theater eine Bühne. Von der Arbeit gegen Widerstände – und trotzigen Hummeln.

Von Alana Tongers

Man möchte ­meinen, dass es schwere Tage für die Theater der Stadt sind. Die Vorhänge sind seit Monaten zugezogen, die Bühnen leer und Applaus ist für viele mittlerweile nicht mehr als ein Emoji auf Zoom. Mahmut Canbays Perspektive auf die Krise ist deshalb erstmal überraschend. „Ich sehe in der Corona-Zeit kein Problem, sondern eine Herausforderung”, sagt der Intendant des Eimsbütteler Mut!Theaters. Und die möchte er annehmen.

Er ist selbst einer, der sich mit Herausforderungen auskennt. Seit 30 Jahren lebt der gebürtige Kurde in Hamburg. Mit dem Theaterspielen beginnt er in seiner Schulzeit in der Türkei. Nicht, weil er das Scheinwerferlicht sucht, sondern weil er die Bühne politisch nutzen will. Doch erst als er in Hamburg beginnt, Amateurtheater zu spielen, wird ihm klar, wie politisch seine Beziehung zur Kunst wirklich ist.

Bei fünf Stücken führt er damals Regie. In den Proben zur letzten Inszenierung spricht ihn ein Schauspieler an. Viermal hatte dieser in Canbays Stücken gespielt, jedes Mal einen Gefangenen verkörpert. „Gibt es eigentlich ein Stück von dir, bei dem ich nicht hinter Gitter muss?”, will er wissen. Canbay kann darüber herzlich lachen. Er weiß, dass seine Stücke stark von den eigenen Erfahrungen geprägt sind: von Verletzungen der Menschenrechte in der Türkei und einer Demokratie, die keine ist.

Programmkino auf der Bühne

Mit dem Mut!Theater hat Canbay in Eimsbüttel eine Bühne für politisch-soziales Theater geschaffen. Im Vergleich zu den etablierten Häusern sei es ein wenig wie ein Programmkino, denn es sind vor allem Themen, denen er Gehör verschaffen will. „Wir spielen nicht für die Zuschauer”, sagt er. Natürlich seien sie wichtig, aber eben nicht erste Priorität. Das sollen die Stücke und ihr Inhalt selbst bleiben. Und die Begegnungen, die in seinem Haus stattfinden. Denn das Mut!Theater ist auch ein sicherer Raum für interkulturellen Austausch, für das gemeinsame und freie Schauspiel fern jeglicher Grenzen.

Der studierte Theaterpädagoge weiß, dass das nicht überall selbstverständlich ist. 2019 besucht Canbay mit einer Gruppe Jugendlicher ihr Austauschtheater in Izmir für ein gemeinsames Projekt. Noch am Flughafen in der Türkei wird er verhaftet. Die Beamten nehmen ihm sein Handy ab, finden darauf eine Karikatur des Präsidenten Erdogan, die ihm ein Freund geschickt hat. Acht Stunden lang wird er verhört, dann muss er zurück nach Deutschland fliegen. Er bekommt ein lebenslanges Einreiseverbot in das Land, in dem er Familie und Freunde hat. Momentan geht er gerichtlich dagegen vor – viel Hoffnung macht er sich aber nicht.

Gegen die Angst

Die Verhaftung hat ihm Angst gemacht. Noch mehr sorgt es ihn aber, zu wissen, dass er kein Einzelfall ist. Vor kurzem hat er einen digitalen Austausch mit deutschen Jugendlichen und dem Theater in Izmir organisiert. Sie kochen gemeinsam, machen Theaterübungen, am Ende singen die Schauspieler am Bildschirm türkische Lieder. Wenige Tage später erfährt Canbay, dass alle von ihnen verhaftet wurden, weil sie ein regierungskritisches Stück insziniert haben. Nach drei Tagen Gefängnis werden sie freigelassen. „Natürlich bekommen sie dadurch Angst”, meint er. Doch fügt dann hinzu: „Oder sie machen weiter – weil sie denken, dass sie alles richtig gemacht haben.”

Mahmut Canbay will weitermachen. Nicht trotz, sondern gerade wegen der aktuellen Schwierigkeiten. Die Theaterbranche habe auch vor Corona mit Publikumszahlen zu kämpfen gehabt. „Wir hatten ausverkaufte Vorstellungen und solche, zu denen nur 15 Personen gekommen sind. Das Theater kennt diese Probleme”, sagt er. Jetzt heißt es Mut für neue Formate zu fassen. Die Digitalisierung sieht er als Chance. Vier Inszenierungen haben sie schon über einen Livestream und auf Spendenbasis gezeigt – gerade arbeiten sie an einem weiteren Stück. Auch wenn wieder Zuschauer kommen dürfen, wollen sie das Format beibehalten.

Eigentlich, sagt er, stünde das MUT im Namen seines Theaters gar nicht für Mut im eigentlichen Sinne, sondern soll eine Abkürzung für „multikulturell” sein. Mittlerweile hat er sich aber auch mit der anderen Bedeutung des Namens mehr als gut angefreundet. „Physikalisch gesehen dürfte die Hummel nicht fliegen”, sagt er. Zu dick sei sie, die Flügel zu klein. „Aber die Hummel weiß davon nichts und fliegt trotzdem.” Ähnlich denke er manchmal über sein Theater. Zu wenig Ressourcen hätten sie für die ambitionierten Projekte, die sie anstreben. Doch am Ende sind sie mutig – und irgendwie funktioniere es dann doch.

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