
Mami, Mama, Kind
Als Paulina und Verena ein Paar werden, ist ihnen schnell klar, dass sie ein gemeinsames Kind wollen. Doch der Weg dorthin ist für zwei Frauen in Deutschland immer noch kompliziert.
Von GastOb sie zwischendurch an ihrer Kinderwunschbehandlung gezweifelt haben? Daran, dass sie diesen aufregenden, aber auch anstrengenden Weg wirklich gehen wollen? Paulina Rügge und Verena Reineke-Rügge schauen sich an und überlegen kurz. Nein, an grundlegende Zweifel oder Meinungsverschiedenheiten erinnern sie sich nicht – trotz aller Hürden. „Wir waren uns sehr einig, dass wir das machen wollen“, sagt Paulina.
Das Ergebnis ihrer Kinderwunschreise heißt Rubi Lou, ist heute gut eineinhalb Jahre alt und an diesem sonnigen Samstagvormittag im Januar mit Oma im Grindelviertel spazieren. So haben Paulina und Verena ein bisschen Ruhe, in der Wohnung von Paulinas Mutter von ihrem Weg zum Wunschkind zu erzählen.
Der gemeinsame Kinderwunsch
Die beiden Frauen haben sich im Frühjahr 2020 in Hamburg kennengelernt. Und damals schnell über einen Kinderwunsch gesprochen, erzählt Paulina, die heute 30 Jahre alt ist. „Wahrscheinlich macht man das als lesbisches Paar schneller als heterosexuelles Paar“, ergänzt Verena, 36 Jahre alt. Weil von vornherein klar sei, dass es auf „herkömmlichem“ Weg nicht funktioniere und deshalb viele Dinge besprochen werden müssten.
Für Verena und Paulina stand schnell fest: Sie wollen ein gemeinsames Kind – der Weg dorthin war weniger klar.
Die Familiengründung führte sie nach Spanien
Sie begannen zu recherchieren und stießen auf die Partnerinnenspende, auch ROPA-Methode genannt, bei der einer Partnerin die befruchtete Eizelle der anderen Partnerin eingesetzt wird. Damit ist eine Frau die genetische Mutter des Kindes, die andere Frau bringt es zur Welt – beide sind von Anfang an beteiligt, das war Paulina und Verena wichtig. Doch in Deutschland ist diese Methode verboten, weil sie unter Leihmutterschaft fällt.
Die beiden Frauen ließen sich davon nicht abhalten, reisten nach Spanien, wo die Partnerinnenspende erlaubt ist, und schauten sich verschiedene Kinderwunschkliniken an. Sie entschieden sich, die Behandlung auf Mallorca durchführen zu lassen und mit einem Urlaub zu verbinden. Und dass Paulina das Kind austragen soll – sie wollte gerne schwanger sein, Verena konnte sich das nicht vorstellen.
Eine Reise zum Kinderwunsch
Im Herbst 2022 flogen sie auf die spanische Insel – inzwischen als verheiratetes Paar. Vor der Reise hatten sie einen Kredit über 10.000 Euro aufgenommen, um die Behandlung zu finanzieren.
Auf Mallorca ließ sich Paulina eine Eizelle von Verena einsetzen, die mit dem Sperma eines anonymen spanischen Spenders befruchtet worden war.
In Spanien sind nur vollanonyme Spenden möglich – die beiden haben kaum Informationen über den Spender. „Wir konnten aber angeben, dass er eher Paulina ähnlich sehen soll, also gerne ihre Augenfarbe, ihren Hauttyp und blonde Haare haben soll“, sagt Verena. Sie selbst hat schwarze Haare.
Das Paar hatte Glück: Beim ersten Versuch wurde Paulina schwanger.
Sie genoss die erzwungene Entschleunigung durch die Schwangerschaft. Als es eine schwierige Phase gab, in der nicht klar war, ob die Schwangerschaft weiterging, merkten die beiden, wie unterschiedlich sie mit Problemen umgehen: „Ich hab den ganzen Tag ferngesehen und Verena hat die ganze Wohnung geputzt“, erzählt Paulina. Und Verena merkt: „Wenn Paulina eine Fehlgeburt gehabt hätte, hätte ich nicht direkt einen neuen Versuch gewollt, sondern erstmal eine Pause gebraucht.“
Viel Bürokratie
Was die beiden während der Schwangerschaft begleitete, war viel Papierkram. In Deutschland ist eine doppelte Mutterschaft – anders als in Spanien – nicht möglich: Die Frau, die das Kind geboren hat, ist automatisch die Mutter – in diesem Fall Paulina, obwohl das Kind die Gene von Verena in sich trägt. Für die beiden bedeutete das: Verena muss das Kind adoptieren – die sogenannte Stiefkindadoption. Mit einer Anwältin besprachen sie die nötigen Schritte.
Besuch vom Jugendamt
Nach der Geburt von Rubi Lou hatten sie Termine beim Familiengericht, Mitarbeiterinnen vom Jugendamt kamen zu ihnen nach Hause, um zu schauen, ob dort alles in Ordnung ist. „Wir hatten zumindest Glück – die Mitarbeiterinnen, die für uns zuständig waren, waren sehr nett und entspannt“, sagt Verena.
Trotzdem ärgert es die beiden, dass diese Besuche überhaupt notwendig sind – und nicht immer so ablaufen, wie sie es erlebt haben. „In Whatsapp-Gruppen mit lesbischen Müttern habe ich viele schlimme Geschichten gehört, etwa von langen Befragungen durch das Jugendamt und viel Willkür“, erzählt Paulina.
Kurz nach dem ersten Geburtstag von Rubi Lou hielten Paulina und Verena das finale Schreiben des Familiengerichts für die Stiefkindadoption in den Händen.
Auch wenn bei ihnen alles relativ reibungslos geklappt hat und sie viel Unterstützung aus ihrem Umfeld erfahren haben: Paulina und Verena wünschen sich, dass eine Behandlung nach der ROPA-Methode auch in Deutschland möglich wird und die Kosten zumindest teilweise übernommen werden, damit auch homosexuelle Paare mit weniger Geld die Chance auf ein gemeinsames Kind haben.
Zwei Mütter sollten kein Aufsehen erregen
Vor allem aber wünschen sie sich von der Politik die Anerkennung der doppelten Mutterschaft, die den langwierigen Prozess der Stiefkindadoption hinfällig machen würde. „Was wäre gewesen, wenn Paulina im ersten Jahr verunglückt wäre, als ich noch nicht als Mutter von Rubi Lou eingetragen war?“, sagt Verena. Und sie wünschen sich, dass ihr Familienmodell immer normaler wird und sie als zwei Mütter kein Aufsehen mehr erregen.
Beim Abschied fällt Paulina doch noch eine grundlegende Meinungsverschiedenheit mit Verena zum Thema Kinder ein: „Wir wollten beide, dass Rubi Lou uns Mami nennt.“ Doch auch davon haben sich die beiden Mütter nicht aus der Ruhe bringen lassen. Am Ende hat Paulina nachgegeben: Verena heißt jetzt Mami und Paulina Mama.
Text: Imke Plesch
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