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Vom Star-Komponisten zum Flüchtling

In den Hamburger Kammerspielen läuft noch bis Ende November „Abraham“ – ein Stück über den ungarischen Komponisten Paul Abraham, dessen steile Karriere in Berlin begann, aber durch das NS-Regime jäh beendet wurde – und ihn zu einer Flucht über die Kontinente zwang.

Von Julia Dziuba
Jörg Schüttauf (l.) spielt Paul Abraham, Susanne Bard seine Frau - und alle weiteren Frauenrollen. Foto: Bo Lahola
Jörg Schüttauf (l.) spielt Paul Abraham, Susanne Bard seine Frau – und alle weiteren Frauenrollen. Foto: Bo Lahola

Einen „angenehmen Aufenthalt in Deutschland“ wünscht die Stewardess im Landeanflug auf Frankfurt am Main im April 1956 – wohlwissend, dass ihre Passagiere die schlimmsten Erinnerungen mit diesem Land verbinden. In einem Sammeltransport werden 52 geistig kranke Emmigranten, die vor den Nazis fliehen mussten, aus New York ausgeflogen. Unter ihnen ein orientierungsloser Mann mit weißen Handschuhen. Es ist der Komponist Paul Abraham (Jörg Schüttauf): Ein gebürtiger Ungar, der in Berlin Anfang der 30er-Jahre mit Operetten wie „Die Blume von Hawaii“ und „Ball im Savoy“ seine größten Erfolge feierte und damit Weltruhm erlangte.

Knapp 30 Jahre später ist hiervon nichts mehr übrig – außer den weißen Handschuhen, mit denen Abraham in seiner Hamburger Wohnung, die er nach seiner Rückkehr bezogen hat, ein imaginäres Orchester dirigiert. Er wähnt sich weiterhin in New York, kurz vor der Premiere seines nächsten Stücks, einer „Sensation“ am Broadway. Seine Frau Sarolta Feszelyi (Susanne Bard) verzweifelt an der Hilflosigkeit ihres Mannes, die auch finanzieller Natur ist. Vor seiner Flucht aus Berlin vertraute Abraham den Safe-Schlüssel mit all seinen Kompositionen seinem Chauffeur an, der sie anschließend an „arische“ Komponisten verkaufte – die gaben die Stücke als ihre eigenen aus. So lebt das Paar nun in der Hamburger Klosterallee 80 von einer Entschädigung von 500 Mark monatlich – und erinnert sich in Rückblenden an die Jahre des Erfolgs, der Verfolgung, Trennung und Vereinsamung.

Krieg – nicht nur gegen die Operette

Jörg Schüttauf und Susanne Bard begeistern in der Wandelbarkeit, mit der ihre Figuren in den unterschiedlichsten Lebenssituationen und Stimmungen agieren – in Budapest, Berlin, Wien, Paris, Havanna, New York- und eben Hamburg. Gerade noch gedanklich – und auf der Bühne – feiernd im Berlin der späten Weimarer Republik, jetzt verzweifelt auf dem Boden ihrer Hamburger Wohnung im Nachkriegsdeutschland, das von den Opfern der NS-Diktatur (noch) nichts wissen will.

Trotz der stetigen Sprünge in der Chronologie wird dem Publikum von Schüttauf eindrucksvoll der rasche Aufstieg des baldigen Star-Komponisten wie auch sein durch die Machtergreifung der Nationalsozialisten eingeleiteter, sozialer wie gesundheitlicher Abstieg eindrucksvoll vor Augen geführt: Abraham, der den unglaublichen Welterfolg seiner Operetten gar nicht recht begreifen kann, dann aber in seinem plötzlichen Reichtum nahezu ertrinkt, während er die Nächte in Spielkasinos oder bei Prostituierten verbringt. Seine wachsende Fassungs- und Hilflosigkeit im Zuge der Machtergreifung der Nazis, seiner Flucht und der Ausdehnung der NS-Herrschaft („Sie können doch keinen Krieg gegen die Operette führen!“), verbunden mit der steten Hoffnung, nach Berlin zurückkehren und an seine früheren Erfolge anknüpfen zu können – eine Hoffnung, die schließlich zum Wahn mutiert.

Erinnerung an einen großen Künstler

Susanne Bard brilliert als Ehefrau des Komponisten, der ihr Ehemann im Zuge seiner großen Erfolge fremd wird und die ihn nicht auf seine Flucht begleitet, ihn aber nach seiner Rückkehr in Hamburg pflegt – hingebungsvoll und gleichzeitig verzweifelt, resigniert und doch hoffend, dass er aus seiner geistigen Verwirrung aufwacht. „Erinner‘ dich!“, fordert sie ihn immer wieder auf. Sie denkt dabei auch an seine Kompositionen, die in der Zwischenzeit andere reich gemacht haben. Dann wieder schlüpft sie in die Rollen der Sängerinnen, die an der Seite Abrahams berühmt werden, ist Stewardess, Prostituierte, Schallplattenverkäuferin – immer raumfüllend, immer einzigartig.

Zusätzlicher roter Faden ist dabei zum einen die Einbeziehung des Publikums als Orchester oder Flugzeugpassagiere und – natürlich – das Werk Paul Abrahams, das beide Darsteller mit Unterstützung von Jens-Uwe Günther am Klavier präsentieren – eine Basis, die nicht nur das Handeln der Protagonisten wunderbar trägt, sondern auch auf das Werk eines fast vergessenen Künstlers neu aufmerksam macht. Die „Tragikomödie mit Musik“ von Klaus Noack, in Kooperation mit den Kammerspielen Magdeburg produziert, läuft noch bis zum 28. November.

Weitere Infos findet ihr hier.

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