SPD Eimsbüttel Nord schreibt mahnenden Brief an Niels Annen
Gut ein Drittel der SPD hatte beim Mitgliedervotum im März 2018 gegen den Koalitionsvertrag gestimmt. Die SPD Eimsbüttel ist einer der mitgliederstärksten Ortsverbände Deutschlands. Der Vorstand fordert nun vom Eimsbütteler Niels Annen, der inzwischen Staatsminister im Auswärtigen Amt ist, „anzupacken, damit wir stolz auf unsere Arbeit sein können.“
Von Eva Boller„Lieber Niels“, so beginnt der fünf Seiten lange offene Brief des SPD Eimsbüttel-Nord Vorstands an Niels Annen. Man habe es sich mit dem Votum für die Große Koalition nicht leicht gemacht und viele hätten gar mit sich selbst gerungen, um diesen Koalitionsvertrag zuzustimmen.
Versprechen an die SPD-Basis müssen eingelöst werden
Umso wichtiger sei es nun, die Versprechen an die Basis einzulösen, die damals gemacht wurden: „Wir erlauben uns deshalb, euch, die ihr in Regierungsverantwortung steht, daran zu messen, wie ernst ihr es mit den Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag nehmt, wenn es um deren konkrete Umsetzung geht.“
Gabor Frese, Agata Klaus und Ralf Meiburg vom SPD Eimsbüttel-Vorstand haben daher in dem Schreiben die Punkte aus den Politikfeldern Wirtschaft und Finanzen, Digitalisierung und Migration herausgearbeitet, die ihnen zum einen am wichtigsten erscheinen und die zum anderen mit konkreten Zielen im Koalitionsvertrag formuliert waren, sodass sie überprüfbar sind.
Eine Vereinbarung zwischen dem SPD-Vorstand und der Basis
Sie schreiben: „Für uns ist der Koalitionsvertrag nicht nur ein Vertrag zwischen der SPD und der Union im Bund. Für uns ist er auch eine Vereinbarung zwischen dem Vorstand und der Basis innerhalb der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. (…) Wenn ihr gute Politik in Berlin macht, dann schaffen wir es auch, das vor Ort so weiterzuerzählen.“
Mehr Geld für Azubis, geringere Kosten für Meisterprüfungen
Beim Thema Wirtschaft und Finanzen und Steuern des Koalitionsvertrags liegen den Eimsbüttelern demnach u.a. die folgenden Punkte „besonders am Herzen“:
- „Die Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRW). Dies sei u.a. wichtig, da die Infrastruktur in vielen ländlichen Räumen immer weiter ausgedünnt werde und die Bewohner sich von „den Politikern“ mit ihren Problemen zunehmend alleingelassen fühlten.
- Ein Fachkräfte-Einwanderungsgesetz, dass Deutschland für qualifizierte internationale Fachkräfte attraktiver machen soll, sollte unverzüglich verabschiedet werden.
- Meisterprüfungen im Handwerk sollten nicht mehr so skandalös teuer sein, dass sich Menschen sogar dafür verschulden müssten.
- Zudem sollte eine Mindestausbildungsvergütung im Berufsbildungsgesetz verankert werden. Häufig würden Menschen eine Ausbildung nicht antreten oder diese abbrechen, da sie sich von dem Geld nicht ausreichend und eigenständig ernähren könnten.
Digitale Teilhabe, Digitalpakt Schule und Glasfasernetz bis 2025
Beim Thema „Digitalisierung“ fordern die Eimsbütteler:
- Die Chancen der Digitalisierung nutzen, um den Beschäftigten mehr Zeitsouveränität zu ermöglichen. Wichtig sei jedoch, dass die Lockerungen beim Arbeitsort und den -zeiten nicht auf dem Rücken der Arbeitnehmer und auf Kosten der Belegschaft ausgetragen würden.
- Digitalkompetenzen bei älteren Menschen sollten gefördert werden, genauso sollte dies bei sozial- und ökonomisch schwächeren Bevölkerungsgruppen geschehen. Digitale Teilhabe dürfe nicht durch das Einkommen begrenzt werden.
- 3,5 Milliarden Euro für den „Digitalpakt Schule“ stehen im Koalitionsvertrag. Das bedeutet für die Eimsbütteler: Geld für die IT-Infrastruktur: Hardware, Software, Cloud-Services und LehrerInnenausbildung. Das Geld sollte zügig zur Verfügung gestellt, gerecht verteilt und unkompliziert abgerufen werden können.
- Bis zum Jahr 2025 soll Deutschland laut Koalitionsvertrag flächendeckend mit Glasfasernetz ausgebaut sein. Für die Finanzierung werden zehn bis zwölf Milliarden Euro eingeplant. Die Eimsbütteler unterstützen dies und wollen es überprüfen. Es könnte nicht sein, dass ein hochentwickeltes Land einen großen Teil seiner Bevölkerung sehenden Auges von alltäglichen digitalen Anwendungen ausschließe, weil das Internet nicht schnell genug sei.
Familiennachzug, Obergrenze und Seehofer-Rücktritt
Beim Kapitel „Zuwanderung und Integration“ thematisieren die Schreiber des Briefes die folgenden Punkte:
- Laut der SPD Eimsbüttel steht das Aussetzen des Familiennachzugs im Widerspruch zur UN-Kinderrechtskonvention und zur Europäischen Menschenrechtskonvention.
- Die Migrationsbewegungen nach Deutschland und Europa solle angemessen und mit Blick auf die Integrationsfähigkeit der Gesellschaft gesteuert werden, damit sich eine Situation wie 2015 nicht wiederhole.
- Die „Obergrenze von 180.000 bis 220.000 Geflüchteten pro Jahr“ werfe jedoch sehr viele Fragen auf, die nach der Meinung der SPD Eimsbüttel dringend beantwortet werden müssten.
- Menschen mit Migrationshintergrund gehörten zur deutschen Gesellschaft und prägten sie mit: „Warum kann dann der zuständige Minister (Seehofer) das genaue Gegenteil behaupten ohne, dass man ihm sein Amt entzieht?“
Am Ende des Briefes bittet der Vorstand Annen darum, die „Anregungen mit in die Bundestagsdebatten“ zu nehmen. Man werde in Bürgergesprächen und bei Veranstaltungen auch künftig darauf achten, „was ihr euch ins Pflichtenheft geschrieben habt“. Denn man wisse, dass es in Eimsbüttel nicht lange dauern werde, bis man gefragt werde, was von den Versprechen der SPD übrig geblieben ist.