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Eimsbüttel sagt Tschüss zur wichtigsten kulturellen Institution des Bezirks: der Videothek in der Osterstraße. Ein Nachruf.
Die Videothek in der Osterstraße schließt nun wirklich. Foto: Marcus Gundelach
Magazin #29

Final Cut: Abschied von der Videothek an der Osterstraße

Eimsbüttel sagt Tschüss zu einer der wichtigsten kulturellen Institutionen des Bezirks: der Videothek in der Osterstraße. Ein Nachruf.

Von Alana Tongers

Drei Dinge, von denen ich bis vor Kurzem überzeugt war: Die Queen ist unsterblich. Der Sommer bleibt für immer. Die Videothek schließt nie. Die Queen ist jetzt seit Wochen unter der Erde, draußen macht das Wetter „Blade Runner“ Konkurrenz, und die Videothek Movie Star in der Osterstraße schließt – ganz echt und endgültig.

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„Last man standing“

Auf nichts kann man sich mehr verlassen! Nicht mal darauf, dass die „Räumungsverkauf“- und „Alles muss raus“-Schilder im Schaufenster leere Drohungen sind. Diesmal meinten sie es ernst. Die Videothek ist weg, und die Osterstraße nicht mehr dieselbe.

Während alteingesessene Geschäfte um sie herum zu Nagel­studios und Bäckereiketten wurden, war die Videothek das final girl, der last man standing. Es schien sie nicht zu interessieren, dass es 2012 wurde und Netflix das Abendprogramm digitalisierte. Oder dass Eltern ihren Kindern erklären mussten, was DVDs sind.

Mich erinnerte die Videothek an eine Zeit, in der dieses Eckhaus kein heruntergekommener Sonderling, sondern ein magischer Ort in der Osterstraße war.

Der verbotene Flur

Wenn es am Wochenende regnete, dann war es ein gutes Wochenende, denn meine Familie ging in die Videothek. Früher war der Zutritt in die obere Etage nur ab 18 erlaubt. Für mich war das wie der dritte Stock in Hogwarts, der verbotene Flur.

An der Wand bewachte eine riesige Spiderman-Figur die Treppe. Ich stand am Geländer, fühlte mich winzig und war nie ganz sicher, ob meine Eltern wirklich zurückkommen würden. Weiß Gott, was da oben passierte! Es musste schlimm sein, vielleicht sogar gefährlich. Spiderman und ich starrten uns an, bis ich wieder Schritte auf der Treppe hörte.

Rituale in der Videothek

An der Kasse zauberten die Angestellten aus den riesigen Schränken die Disc mit dem gewählten Film, verpackten sie in eine transparente Hülle und scannten die blaue Movie Star-Karte. Eine DVD auszuleihen war abenteuerlicher als die meisten Filme selbst.

Später feierten meine Freundinnen und ich erste Übernacht­ungspartys. Der Ausflug in die Videothek war fester Bestandteil eines jeden Abends, das Film-Aussuchen ein einstudiertes Ritual. Wir streunten durch die Gänge, trafen eine erste Auswahl, reduzierten auf eine engere, diskutierten dann intensiv, bis feststand, welcher Film es zu uns ins Wohnzimmer schaffte. In der gleichen Zeit hätten wir die „Herr der Ringe”-Extended-Version schauen können.

Die teuerste Grey’s-Anatomy-Staffel jemals

Zum Ausleihen gehörte natürlich auch das Zurückgeben – eigentlich. Denn zum Zurückgeben gehörte auch das Vergessen. Das ist mir einige Male passiert, die finanziellen Konsequenzen waren immer erträglich. Bis auf das „Grey’s Anatomy”-Debakel.

Niemand weiß genau, wie es dazu kommen konnte. Auf jeden Fall hatten wir die Leihfrist ganz eindeutig überschritten. So eindeutig, dass wir die geliehene DVD abkaufen mussten. Vermutlich die teuerste „Grey’s-Anatomy”-Staffel aller Zeiten. Meine Mutter schweigt bis heute darüber, wie viel sie wirklich kostete.

Ich kann mich nicht erinnern, wann wir aufgehört haben, regelmäßig in die Videothek zu gehen. So wie man sich nicht erinnern kann, wann man aufhörte, mit Spielzeug zu spielen.

Irgendwann war es einfach vorbei. Aber die Videothek blieb trotzdem.

Die Auswahl an Filmen wurde kleiner, das Angebot an Süßwaren und Getränken größer. Und bald wurden die Filmplakate im Fenster nicht mehr ausgetauscht. In der Osterstraße ist „Avengers: Infinity War“ seit vier Jahren der Blockbuster des Jahres.

Wahrzeichen der Osterstraße

Das erste Stockwerk war jetzt auch für Minderjährige freigegeben. Ich weiß noch, wie ich zum ersten Mal oben stand und enttäuscht feststellte, dass das ehemals verbotene Abteil hauptsächlich aus billigen Pornofilmen bestand.

In regelmäßigen Abständen kündigte ein neuer Schriftzug an den Fenstern das Ende an, den Räumungsverkauf. Ich kannte niemanden mehr, der hinging – aber alle kannten die Videothek. Wenn man mich fragte, wo ich wohne, hörte ich auf, von der Apostelkirche zu erzählen. Die Videothek war das heimliche Wahrzeichen der Osterstraße.

Ein Abschied

Mein letztes Mal in der Videothek ist noch gar nicht so lange her. Wir planten einen Filmabend, um einen Muggel in die Harry-Potter-Welt einzuführen. Nur fehlte in der DVD-Hülle die Disc. Netflix hatte die Filme gerade aus dem Programm genommen, Amazon-Prime lief auf unserem Fernseher nicht.

Wir googelten, suchten das Filmregal wie verrückt ab. Bis jemand die Videothek erwähnte. Wir waren uns gar nicht sicher, ob das funktionierte – in die Videothek gehen, im Jahr 2020, um eine DVD aus dem Jahr 2005 auszuleihen. Natürlich funktionierte es. Und es war genauso aufregend wie früher.


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