Auszählung der Uni-Wahlen vorläufig gescheitert
Starke Unregelmäßigkeiten an einer Briefwahlurne haben in den frühen Morgenstunden zu einer Unterbrechung der Auszählung bei den Wahlen zum Studierendenparlament geführt. Eigentlich hätte es ein schöner Abend werden können. Vertreter der 23 angetretenen Gruppierungen fieberten dem Einzug in das Studierendenparlament entgegen. Das Studierendenparlament wählt den AStA, die „Regierung“ der Studentenschaft. Es geht um Geld, Posten und politischen Einfluss. Doch es kam anders.
Von Moritz GerlachNach einer einwöchigen Urnenwahl war es gestern so weit: Das Präsidium des Studierendenparlament lud zur alljährlichen Wahlauszählungsparty in die „Schweine-Mensa“ auf dem Hamburger Uni-Campus. Gegen eine kostenlose Versorgung mit Essen und Getränken waren die Studierenden der Universität Hamburg aufgefordert, die rund 8.000 abgegebenen Stimmzettel auszuwerten.
Hektische Wahlwoche, unzufriedene Gäste
Die Veranstaltung stand von Anfang an unter keinem guten Stern: Noch im November waren mehrere eingereichte Listen durch das Präsidium des Studierendenparlaments von der Wahl ausgeschlossen worden. Man konnte am gestrigen Abend auf eine turbulente Woche zurückblicken: Neben einer hohen Anzahl an Beschwerden über aufdringliche Wahlkämpfer war es am Freitag u.a. auch zu Hausverboten und einem Polizeieinsatz gekommen.
Die Stimmung auf der Party selbst war angespannt. Ein Wertmarkensystem, das den freien Zugang zu Bier und Schnittchen deutlich verkomplizierte, löste großen Unmut unter den anwesenden Hochschulpolitikern aus. Schnell ging der Fokus auf die Auszählung verloren, während Resolutionen für eine vereinfachte Getränkeausgabe verfasst und unterzeichnet wurden. Der DJ der AStA-90er-Party komplettierte den Ausflug in ein Biotop studentischer Vergangenheit.
Fehler und schleppendes Tempo bei der Stimmenzählung
Gegen zwei Uhr morgens war noch nicht ganz die Hälfte der Urnen ausgezählt. Spätestens jetzt war ein Zeitproblem offensichtlich. Für die ca. 4.000 ausgezählten Stimmzettel hatte man immerhin bereits sechs Stunden gebraucht. Die vorangeschrittene Uhrzeit und der damit einhergehende Alkoholkonsum verlangsamten zunehmend die Auszählung. Grund genug für das Präsidium des Parlaments routinemäßig Nachzählungen zu veranlassen, die sich ebenfalls als zeitintensiv herausstellten.
AStA nach dem Stand der Auszählung deutlich abgewählt
Frühe Tendenz der ausgezählten Urnen waren deutliche Verluste für das „Regierungslager“, und Gewinne auf linker Seite. Die Grünen konnten ihr Ergebnis halten. Auch für die Satire-Gruppe „Die Liste“ sahen die Zahlen gut aus. Verlustreich waren die ersten Zahlen insbesondere für die Juso-Hochschulgruppe.
Ungenauigkeiten deuten auf bewusste Manipulation hin
Bei der Überprüfung der Briefwahlurne III (Stimmenvolumen: ca. 950 Stimmen) dann der Schock: Ein Stapel Wahlbögen der Oppositionsliste „Regenbogen Alternative Linke“ enthielt mehr als 30 Stimmen, die eigentlich dem Lager des AStAs, bestehend aus Jusos, Liberalen und dem CDU-nahen RCDS zuzuordnen waren.
Das Präsidium, gestellt von Jusos und Grünen, entschied sich nach einer Unterbrechung und Unterrichtung aller Fraktionen zum Abbruch der Auszählung. Die Entscheidung entsprach dem mehrheitlichen Willen der Anwesenden, war allerdings auch von lautstarkem Protest begleitet. Eine Wiederaufnahme der Zählung hätte nach vorsichtigen Schätzungen weit über die frühen Morgenstunden hinaus angedauert. Kevin Knackstedt (RCDS) erklärte hierzu, dass er genau wie jeder Andere Interesse am Ergebnis der Wahlen habe, den Teilnehmern der Veranstaltung eine fehlerfreie Auszählung jedoch nicht mehr zutraue. Diese Einschätzung traf auf breite Zustimmung.
Hochemotionale Stimmung
Nachdem die anfängliche Bestürzung aller Beteiligten gewichen war, begann auf beiden Seiten die Suche nach der Schuld beim politischen Gegner. Anschuldigungen persönlicher Art folgten, ein körperlicher Übergriff seitens eines Mitglieds der Opposition auf den hochschulpolitischen Referenten Ramon Weilinger (RCDS) konnte durch das beherzte Eingreifen umstehender Personen verhindert werden.
Von Misstrauen und Paranoia geprägte Situation
Ein Kompromiss war die gemeinsame Versiegelung aller Urnen durch eine Delegation von mehr als 15 Personen und anschließende Verwahrung in einem versiegelten Raum. Die Anwesenden bestanden sogar auf die Versiegelung eines 40 x 70 cm großen Lüftungsgitters in der Tür. Ein Termin für eine neue Auszählung der Wahl steht noch aus.
Moritz Gerlach – berichtet normalerweise für die Eimsbütteler Nachrichten aus dem Zoo. Heute hat er eine Ausnahme gemacht. Zur Diskussion bei Facebook.