
Droht Balkon-Abriss? Mieter im Dunkeln gelassen
Plötzlich keinen Balkon mehr – und die Hausverwaltung schweigt: Vor dieser Situation stehen Mieterinnen und Mieter im Lastropsweg diese Woche. Nun schaltet sich das Denkmalschutzamt ein.
Von Valentin Hillinger„Respektlos und rücksichtslos“, nennt eine Mieterin das Vorgehen der Hausverwaltung. Die Bewohner sind von den Vorgängen in ihrem Haus im Lastropsweg 9 verwundert: Nur drei Tage nachdem sie per Briefeinwurf über Balkonsanierungen informiert wurden, begannen die ersten Bauarbeiten. Doch was genau passieren soll, erfahren die Bewohner nicht.
Sie vermuten, dass der Eigentümer die Balkone abreißen lässt und nicht ersetzt. Für die Mieterin, die schon seit 2007 in ihrer Wohnung lebt, ist die Situation sehr emotional: „Man ist so genervt, dass man ausziehen möchte.“ Doch der Wohnungsmarkt in Hamburg lasse dies so kurzfristig nicht zu. „Es ist einfach beunruhigend, wenn man morgens seine Wohnung verlässt und nicht weiß, wie man sie wieder vorfindet.“
Was war passiert?
Am 22. April dieses Jahres kündigte die Hausverwaltung überraschend Balkonsanierungen an. Am 25. April – zwei Tage früher als geplant – standen die ersten Bauarbeiter auf den Balkonen und stellten Gerüste auf.
Im Juni dann verbauten die Handwerker mit Brettern den Zugang zum Balkon. Letzte Woche wurde aus den provisorischen Brettern ein stabiles Metallgitter, das die Wohnungen von ihrem Balkon trennt.
Sie habe nichts gegen Sanierungsarbeiten, sagt die Mieterin, die namentlich nicht genannt werden möchte. Vor allem die fehlende Kommunikation sei das Problem. „So möchte man nicht behandelt werden.“ Bis auf zwei Briefe – einer zu Beginn der Arbeiten und einer, um die Absperrung des Balkons anzukündigen – gebe die Hausverwaltung keine Informationen heraus. „Was ich an Info habe, kommt von den Handwerkern.“
Balkone versperrt: Mieterverein interveniert
Doch an Anfragen hat es nicht gemangelt: Im Auftrag der Mieterinnen ist der Mieterverein Hamburg aktiv geworden. Am 25. April, als die ersten Arbeiten begannen, hat er ein Schreiben an die Hausverwaltung geschickt und nach ausführlichen Informationen gefragt. Eine Antwort kam nie. Am 13. Juni wurde den Mieterinnen per Brief Bescheid gegeben, dass sie ab sofort ihre Balkone nicht mehr verwenden dürften. Was damit passiert, wurde nicht kommuniziert.

Eigentümer ignoriert Mieter
Bis heute habe die Hausverwaltung auf Einsprüche der Bewohner oder des Mietervereins nicht reagiert, erzählt die Mieterin. Der Eigentümer sitze in Göttingen und habe erst vor einigen Jahren das Haus übernommen. „Er will keinen Kontakt zu uns.“
Seit 2010 betreut die MFM Zinshausverwaltung die Wohneinheiten im Lastropsweg 9. Seitdem, so die Mieterin, laufe so einiges schief in dem Haus: „Auch der Umbau auf Fernwärme vor einiger Zeit lief völlig chaotisch ab.“ Mit Bewohnerinnen werde nicht klar kommuniziert, Bauarbeiten wie eine Treppensanierung würden immer kurzfristig angekündigt. Die MFM Zinshausverwaltung ließ eine Anfrage der Eimsbütteler Nachrichten unbeantwortet.
Balkon-Sanierung: Ankündigung verpflichtend
Im Mietrecht ist festgelegt, wie eine Sanierung ablaufen muss. Sogenannte „Erhaltungsmaßnahmen“, mit denen eine Immobilie instand gehalten wird, sind „rechtzeitig“ anzukündigen. Ein genauer Zeitraum ist nicht vorgegeben. Informationen über Umfang und Ablauf der Bauarbeiten sowie die voraussichtliche Dauer müssen kommuniziert werden.
Ob das Vorgehen im Lastropsweg rechtskonform war, bezweifelt Paul-Hendrik Mann vom Mieterverein: „Es erscheint jedenfalls fraglich, ob eine gesetzeskonforme Ankündigung vorliegt.“

Ausgenommen von der Ankündigungspflicht sind dringend notwendige Maßnahmen. Darauf beruft sich die Hausverwaltung und argumentiert, dass die Balkone einsturzgefährdet seien und deshalb nicht weiter benutzt werden dürften.
Denkmalschutzamt nicht informiert
Die Bewohnerin hält das für eine unglaubwürdige Ausrede: Die Handwerker wussten lange vorher von den geplanten Arbeiten, sagt sie. Allzu spontan könne die Sanierung der Balkone gar nicht sein. Dass man den Handwerksbetrieben Bescheid gesagt hat, aber die Mieterinnen und Mieter im Dunkeln ließ, findet sie respektlos.
Auch in das Gutachten des Statikers konnten die Mieterinnen nicht einsehen. Darauf habe man als Bewohner rechtlich auch keinen Anspruch, sagt Mann. Besonders mieterfreundlich sei das allerdings nicht.
Nun schaltete sich auch das Denkmalschutzamt ein. Da das Haus denkmalgeschützt ist, muss das Amt die Pläne genehmigen. Doch: „Beim Denkmalschutzamt ist kein Antrag auf Abbrucharbeiten eingegangen“, sagt eine Sprecherin den Eimsbütteler Nachrichten. Bis die Hausverwaltung die Vorgänge erklärt, wurde nun ein Baustopp verhängt.
Ursprünglich waren die Bauarbeiten laut Briefeinwurf bis 29. Juli angesetzt. Heute stehen die Balkone noch – wann die Handwerker beginnen, sie abzureißen, ist unsicher. So lange müssen die Bewohnerinnen mit Gerüst und Balkonabsperrung leben.
Keine Informationen vom Vermieter: Was tun?
Dass Eigentümer und Immobilienverwaltungen kurz angebunden sind, sei keine Seltenheit, erklärt Paul-Hendrik Mann vom Mieterverein. Als Mieter sei man dadurch stark eingeschränkt und könne sich auf Baumaßnahmen an der eigenen Wohnung nicht vorbereiten. „Durch das Informationsdefizit hat man keine Planbarkeit“, so der Rechtsanwalt.
Was Mieter auf jeden Fall tun sollten, ist die Vorgänge aufzuschreiben, rät er: „Wir haben unseren Mitgliedern im Lastropsweg geraten, die Störungen zu dokumentieren und die Miete zu mindern.“ Eine Mietminderung sei gerechtfertigt, wenn die Nutzbarkeit der Wohnung eingeschränkt ist. Der Vermieter müsse dieser nicht zustimmen.
Doch einzelne Hausbewohner würden auf eine Mietminderung verzichten, sagt die Mieterin. „Wahrscheinlich aus Angst vor Kündigung.“ Sie selbst habe davor keine Angst. Zur Not werde sie auch gerichtliche Schritte gegen den Vermieter setzen.