Bornplatzsynagoge: Bund unterstützt Wiederaufbau finanziell
Im Grindelviertel soll ein Wahrzeichen des jüdischen Lebens in Hamburg-Eimsbüttel wiederhergestellt werden. Der Bund hat zugesagt, sich mit 65 Millionen Euro am Wiederaufbau der Bornplatzsynagoge zu beteiligen.
Von Anne ReisNach dem Willen der Bürgerschaft wird im Grindelviertel bald wieder ein unübersehbares Zeichen des jüdischen Lebens in Hamburg zu sehen sein. Die einstmals größte Synagoge Norddeutschlands soll genau dort wieder errichtet werden, wo sie bis 1939 stand. Die Finanzmittel für die Machbarkeitsstudie – 600.000 Euro – bewilligte der Bund schon im Frühjahr. Jetzt scheint auch die Finanzierung der Umsetzung möglich. Der Haushaltsausschuss des Bundestags hat 65 Millionen für den Wiederaufbau der Synagoge am Joseph-Carlebach-Platz bereitgestellt. Die Stadt Hamburg hat zugesagt, die andere Hälfte des Budgets von 130 Millionen Euro zu tragen.
Die Zeit ist reif
Die Eimsbütteler Bundestagsabgeordneten Niels Annen (SPD) und Rüdiger Kruse (CDU) haben sich als Mitglieder des Haushaltsausschusses in Berlin für die Bewilligung der Mittel eingesetzt. Kruse kommentierte die Entscheidung: „Jetzt ist der ganz große Schritt möglich geworden. Die Zeit ist reif, dieses herausragende Projekt in Angiff zu nehmen und mit dem Wiederaufbau ein starkes Zeichen gegen Antisemitismus und für jüdisches Leben zu setzen“.
Größte Synagoge Norddeutschlands
Die 1906 fertiggestellte Bornplatzsynagoge wurde im repräsentativen, neoromanischen Stil errichtet. Sie bot Platz für 1.200 Gläubige und war durch ihre 40 Meter hohe Kuppel weithin sichtbar. Während der Novemberpogrome 1938 wurde sie von Antisemiten verwüstet und angezündet. 1939 zwang die Stadt die jüdische Gemeinde, die Kosten für ihren Abriss zu tragen. Nach dem Krieg wurde das Grundstück lange als Parkplatz genutzt. 1988 legte die Stadt einen Fußgängern vorbehaltenen Platz an. Und sorgte dafür, dass die Synagoge nicht in Vergessenheit geriet: Die Künstlerin Margrit Kahl zeichnete den Grundriss und das Deckengewölbe der Synagoge mit Granitsteinen als Bodenmosaik nach.
Herausforderung Hochbunker
Die größte Herausforderung des geplanten Wiederaufbaus stellen Größe und Standort der zerstörten Synagoge dar. Ein naturgetreuer Nachbau würde direkt an einen 1942 erbauten Hochbunker grenzen, während die Synagoge früher frei auf dem Platz stand. Der nächste Schritt ist deshalb die Beauftragung einer Machbarkeitsstudie, die verschiedene Varianten des Wiederaufbaus prüfen wird. Darunter auch die Möglichkeit, den Hochbunker abzureißen, obwohl er unter Denkmalschutz steht.
Neubau nicht finanzierbar
Eine andere Lösung wurde ausgeschlossen: ein Neubau statt einer Rekonstruktion der früheren Synagoge. Dafür hatte sich u.a. Miriam Rürup stark gemacht, die das Hamburger Institut für die Geschichte der deutschen Juden leitet. Doch die Bundesmittel wurden ausschließlich für einen Wiederaufbau zugesagt. Diese Einschränkung bezieht sich allerdings nur auf die äußere Hülle. Da die Jüdische Gemeinde keinen für 1200 Menschen ausgelegten Gebetsraum benötigt, wird u.a. über die Integration eines Museums über jüdisches Leben in Hamburg nachgedacht. Auch Begegnungs- und Unterrichtsräume sowie eine Bibliothek könnte die Synagoge beherbergen.
Umsetzungsmöglichkeiten werden sondiert
Nun ist Geduld gefragt: Laut einer Pressemitteilung des Senats werden die europaweite Auschreibung der Machbarkeitsstudie und ihre anschließende Durchführung jeweils mindestens zwei Monate dauern. Vor Mai 2021 ist also nicht mit einer Präsentation verschiedener Umsetzungsvarianten zu rechnen.
Reaktion auf den Anschlag von Halle
Bisher hat sich das Projekt rasant entwickelt: Erst am 12. Februar 2020 beschloss die Bürgerschaft einstimmig, die Synagoge wieder aufzubauen. Die Jüdische Gemeinde hatte diesen Wunsch schon seit Jahren immer wieder geäußert, was aber auf wenig Widerhall stieß. Das änderte sich in Reaktion auf den Anschlag von Halle. Im Herbst 2019 plädierten zuerst der Hamburger Grünen-Vorsitzende Anjes Tjarks und Landesrabbiner Shlomo Bistritzky öffentlich für den Wiederaufbau. Der Antrag wurde dann gemeinsam von SPD, Grünen, Linken, CDU und FDP in die Bürgerschaft eingebracht.
Weitere Informationen zur Bornplatzsynagoge sowie Fotos finden sich auf der Homepage der Initiative „Nein zu Antisemitismus. Ja zur Bornplatzsynagoge“.
Joseph Carlebach
Der Joseph-Carlebach-Platz hieß früher Bornplatz. 1990 wurde er nach Joseph Carlebach, dem Oberrabiner der Deutsch-Israelitischen Gemeinde ab 1936, benannt. Carlebach wurde, wie tausende andere jüdische Hamburger, von den Nazis deportiert und ermordet.
Jüdisches Leben in Hamburg heute
In Hamburg leben etwa 2500 bis 3000 Menschen jüdischen Glaubens. Die Jüdische Gemeinde Hamburg hat laut Angaben der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden 2337 Mitglieder. Die 2004 gegründete Liberale Jüdische Gemeinde zählt laut eigener Aussage 331 Mitglieder. Außerdem gibt es eine unbekannte Anzahl von Menschen jüdischen Glaubens, die keiner der beiden Gemeinden angehören, – und nicht wenige, die in beiden Gemeinden Mitglied sind. Denn: Mitglieder der Liberalen Gemeinde können nur auf dem Jüdischen Friedhof in Ohlsdorf beigesetzt werden, wenn sie auch Mitglied der Jüdischen Gemeinde Hamburg sind. Hamburgs einzige Synagoge steht an der Hohen Weide in Eimsbüttel.