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Der Gehweg nach der “Behandlung”. Foto: Martin Busche
Glosse: Vierzehnter Teil

Corona-Tagebuch: Wenn Nachbarn Corona-Langeweile haben

Martin Busche zählt mit uns allen die Tage, die uns Corona stiehlt und führt ein öffentliches Tagebuch: subjektiv, ehrlich, schonungslos. Bis Corona uns hoffentlich scheidet.

Von Martin Busche

Dienstag, 7. April

Wir müssen uns ja alle irgendwie beschäftigen, in diesen Corona-Tagen. Krankenpfleger, Verkäufer, Ärztinnen haben damit kein Problem. Eltern auch nicht, Kurzarbeiter schon. Meine Nachbarn zum Beispiel, über mir, oder noch weiter drüber, können auch die links oder rechts sein, tut nichts zur Sache. Die studieren was ein, eine ganz spezielle Art Hörspiel, und das mehrmals täglich. Die Handlung ist mit viel Action und recht wenig Text, was Flottes also. Meine Nachbarn sind noch recht jung. Die Musik wechselt.

Ich bin wohl ihr Publikum, Spende aber keinen Applaus, wenn sie fertig geübt haben, bin ja nicht eingeladen. Zumindest nicht offiziell.   
Im Prinzip geht sowas für mich auch klar, ich mag Geselligkeit, gute Musik, Literatur, nette Gespräche, selbst ein bisschen Streit stört mich nicht, kann ja ganz interessant sein, Leben im Haus ist sowieso ganz nett.

Ein Leben zwischen erotischem Hörspiel und Heavy Metal 

Nachbars Spiel heißt aber Reproduktion. Sie üben es wirklich ernsthaft, sehr intensiv, geradezu exzessiv, innovativ und wenn ich den wechselnden “Klängen” über mir lausche. wohl auch künstlerisch wertvoll. Das macht die Sache etwas delikat, ihr wisst, wie ich das meine. Keine Ahnung, ob die das Baby zur Pandemie planen, ich wäre dann schon gerne Pate, war ja von Anfang an dabei. Ich frag aber nicht nach. Warte einfach ab. Man wird sehen.

Meinen anderen Nachbarn kenne ich gar nicht wirklich. Kaum gesehen, aber oft gehört. Allerdings nie vor 22 Uhr. Corona macht den Tag gern zur Nacht. Dann dreht der Nachbar voll auf, hört Heavy Metal, beamt sich nach Wacken, wir Nachbarn müssen mit. Natürlich nur virtuell, aber immerhin. Zuerst lässt er die Dorfkapelle Wacken durchs Haus laufen, bläst uns allen den Marsch. Alle Strophen natürlich. Plus Zugabe.

Dann trifft die Hautevolee der Szene ein. Gibt Wackens Version der kleinen Nachtmusik, als Medley: Subway to Sally, Sabaton, Powerwolf, Anthrax. 45 Minuten, dann die erste Pause. Neues Bier holen, natürlich aus der Dose. Wacken pur: Wahrscheinlich stellt er sich dafür sogar am eigenen Kühlschrank an. So sehr gibt er sich die Kante. Gottseidank nimmt das Ganze dann ein jähes Ende. Im richtigen Wacken sind alle recht schnell besoffen, mein Nachbar also auch. Dann ist Ruhe. 

Der Virus lauert überall

Bis gestern Morgen. Ich hatte zuerst gar nichts bemerkt, wollte vielleicht auch nichts mitkriegen. Wer zwischen erotischem Hörspiel und Heavy Metal pendelt, das stille Publikum gibt, ist die Diskretion pur, der schweigt. Außerdem: Der Krach kam diesmal nicht von oben, unten, links, rechts, wo auch immer, tut nichts zur Sache. Er kam von der Straße, da kann ich eh nichts machen. Nur weghören. 

Doch es hörte nicht auf, wurde immer schlimmer. Wacken exponentiell: schrill, schräg, laut, aber zischend. Diesmal konnte sich mein Nachbar von gegenüber nicht zügeln. Den kannte ich wirklich nicht, nie gesehen, nie gehört. Das wird wohl auch so bleiben. Er hatte so ein Teil dabei, das ich eh nicht leiden kann. Diese Laubbläser, eine schreckliche Plage, nur mit Spitze, statt der Puste. Sowas passt nicht zu uns. Beide müssen weg, Eimsbüttel wählt grün, schützt seine Tiere, auf dem Laub, im Laub, unter dem Laub. Laubbläser wählen extrem, die Gesundheitspartei, vielleicht sogar AfD: “Alles muss weg”. 

Ob der mit der Spitze jetzt auch, weiß ich natürlich nicht so genau. Da will ich ihm jetzt nichts unterstellen. Eine gehörige Portion Masochismus aber auf jeden Fall. Das Ding bläst nämlich nicht, es spritzt, irgendwas mit Wasser drin. Mehr will ich gar nicht wissen. Damit die Kanten zwischen Gehwegplatten hübsch sauber werden. Das macht Lärm, dauert und braucht kein Mensch. Sieht nach der “Behandlung” auch bescheiden aus. Spaltet sogar die Nachbarschaft. Mein Gehweg ist vom Leben gezeichnet: speckig, ranzig, nicht mehr ganz frisch. Aber voll bio. Sein Gehweg ist jetzt Corona – sauber und rein. Muss künstlich beatmet werden. Der Virus lauert echt überall.

Bis morgen.



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