Straßennamen in Eimsbüttel: Eichenstraße
Die Vergangenheit der Eichenstraße birgt ein Stück Eimsbütteler Medizingeschichte. Die Geschichte eines Genesungsorts, der zum Bauprojekt wurde.
Von Vanessa LeitschuhDie Eichenstraße verläuft vom Heußweg über den Ring 2 bis zur Bismarckstraße. Woher sie ihren Namen hat, ist schnell geklärt. Diesen erhielt sie im Jahr 1863 wegen der zahlreichen alten Eichen auf den angrenzenden Koppeln. Die Koppeln sind verschwunden, trotzdem finden sich in ihrer Nähe grüne Oasen: Im Süden fließt der Isebekkanal und erstreckt sich das Kaiser-Friedrich-Ufer, im Norden liegt der Eimsbütteler Park „Am Weiher”. Es gab eine Zeit, in der galt Eimsbüttel aufgrund seiner guten Luft als Erholungs- und Genesungsort. Hier beginnt auch die Geschichte einer Heilstätte in der Eichenstraße.
Frühere Nervenheilstätte: Nur für Bürgerliche
Bis 1871 musste ein Arzt aus Eppendorf anreisen, wenn in Eimsbüttel jemand erkrankt war. Erst in den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts siedelten sich Ärzte in dem Dorf Eimsbüttel an. In diesem Jahrzehnt erwarb auch Fräulein Auguste Alfeis das „Lutterothsche Haus” auf einem Grundstück in der Nähe des Weihers, das früher der Familie Lutteroth gehört hatte. Nur drei Betten hatte die „Frl. Alfei’sche Anstalt” bei ihrer Eröffnung am 1. November 1875. Auguste Alfeis betreute dort Pflegebedürftige und psychisch Kranke.
Im Jahr 1901 kaufte der Nervenarzt Dr. Arnold Lienau das Grundstück und gründete das „Sanatorium und Nervenheilstätte Eichenhain” am Weiher 7. Dr. Lienau modernisierte und erweiterte die Eimsbütteler Klinik. Dabei baute er ein weiteres Gebäude in der Eichenstraße 34. Alle Formen von „psychischen und nervösen Erkrankungen” wurden in der Privatklinik Eichenhain behandelt, doch nicht alle Kranken aufgenommen: „Neben akuten Krankheitsformen werden auch unheilbare Kranke aufgenommen, wenn sie in das Milieu passen”, schrieb Dr. Lienau. Denn: „Der Krankenbestand setzt sich nur aus Damen und Herren der gebildeten Stände zusammen.”
Bettruhe und Dauerbäder zur Heilung
In der Eichenstraße 34 behandelte man im Erdgeschoss „unberechenbare, zeitweise unruhige Damen”, im ersten Stock „unberechenbare, ruhige Kranke”. Das Haus Am Weiher 7 war für kranke Herren sowie für Genesende und „Damen, welche ganz leicht krank sind”. Dr. Lienau selbst wohnte mit seiner Familie ebenfalls auf dem Gelände der Anstalt, in einem Haus Am Weiher 5. Auch darin fanden sich Krankenzimmer.
Im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts gab es nur wenige Möglichkeiten zur Behandlung von psychischen Erkrankungen. Besserung sollte sich durch Bettruhe einstellen oder durch Dauerbäder, bei denen Kranke über Stunden in Badewannen lagen. Daneben galt Ablenkung und Beschäftigung als erfolgsversprechend. In dem großen Garten zwischen den Straßen Am Weiher und Eichenstraße machten die Patienten „Liegekuren im Freien” oder spielten Tennis und Croquet.
Auch in den Gesellschaftszimmern war für Beschäftigung gesorgt: Hier konnten sich Patienten mit Klavierspielen oder Billard die Zeit vertreiben. Doch laut Dr. Lienau war die Beschäftigungstherapie bei Männern und Frauen verschieden: „Die Beschäftigung der Damen ist ja leicht, da Handarbeiten, häusliche und Küchenarbeiten dazu reichlich Gelegenheit bieten.” Auf größere Schwierigkeiten träfe dagegen die „Beschäftigung der Herren, bei denen wir viel häufiger eine Unlust, etwas zu tun, finden”, schrieb der Arzt.
Wo früher die Klinik war, ist heute ein Wohnhaus
Nach dem Ersten Weltkrieg gingen beide Klinik-Häuser zunächst an das Elim-Krankenhaus und später an die Albertinengemeinde. Der Sohn von Arnold Lienau, Cai Lienau, baute die 1943 von Bomben zerstörte Klinik wieder auf. In den sechziger Jahren pachtete schließlich der Verein „Michaelis Krankenhaus” die ehemalige Nervenanstalt; zunächst das Gebäude Am Weiher 7, einige Jahre später auch das Haus in der Eichenstraße.
Das Gelände wurde vor rund elf Jahren an die Baufirma „Wulff Hanseatische Bauträger” verkauft, die dort einen fünfstöckigen Gebäudekomplex mit 54 Wohnungen baute. 2009 wurde die einstige Klinik in der Eichenstraße 34 schließlich abgerissen. Anwohner hatten mit der „Bürgerinitiative MichaelisKrankenhaus” über ein Jahr lang versucht, die Baumaßnahmen des Projekts zu verringern. Doch seit 2010/11 ist das Wohnhaus wie geplant fertiggestellt.
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