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FOTO: Annika Demgen
Magazin #18

Eimsbüttel, Tokio hat Lösungen für deine Verkehrsprobleme!

In Eimsbüttels Straßenverkehr hakt es. Das fällt besonders auf, wenn man drei Jahre nicht hier, sondern in Japan gewohnt hat – wie Eimsbüttel-Rückkehrerin Annika Demgen. Dabei hat sie während ihres Aufenthalts einige Lösungen für akuten Platzmangel im Straßenverkehr ken- nengelernt, die auch in Eimsbüttel funktionieren könnten.

Von Eimsbütteler Nachrichten

Fun Fact zu Eimsbüttel: Wer hier wohnt, lebt in einem Stadtteil, in dem statistisch gesehen mehr Menschen auf einem Quadratkilometer zusammenkommen als im Tokioter Bezirk Shibuya. Das ist das Viertel mit der berühmten Kreuzung, über die sich, sobald die Ampel grün wird, eine Flut an Menschen ergießt – wie oft in Film oder Fernsehen gezeigt.

Kreuzung im Tokioter Bezirk Shibuya. Foto: Jason Goh

So beschaulich wie „Eimsbüttel” klingt, ist es hier also gar nicht. Schließlich kann es die Bevölkerungsdichte problemlos mit den zentralen Stadtteilen der japanischen Metropole aufnehmen. Entsprechend macht es für mich keinen großen Unterschied, ob ich mich an einem Samstagmittag durch die Osterstraße oder Shibuya bewege. Der Eindruck ist derselbe: „Mann, ist es hier voll!” Anders ist jedoch, wie mit dem Verkehrsaufkommen umgegangen wird, das aus der hohen Anzahl an Bewohnern resultiert.

Parken kostet

Platz ist in Eimsbüttel und Shibuya ein rares Gut. Das führt an beiden Orten zu hohen Mieten. In Tokio ist aber auch Parkraum nicht umsonst. Wer in der japanischen Hauptstadt mit dem Auto unterwegs ist, kann höchstens bei Veranstaltungsorten oder Einkaufszentren gebührenlos halten. Pendler sind auf Firmenparkplätze angewiesen. Davon abgesehen stehen ausschließlich kostenpflichtige Parkanlagen zur Verfügung. Abgerechnet wird meist im 30-Minuten-Takt – durchschnittlich 2,50 Euro kostet eine halbe Stunde.

Ein Spaziergang durch ein Wohnviertel der japanischen Metropole offenbart einen weiteren zentralen Unterschied: Nirgendwo stehen Autos am Straßenrand. Bereits 1962 führte die japanische Regierung ein Gesetz ein, das Autobesitzer in dicht besiedelten Gegenden dazu verpflichtet, beim Erwerb eines PKW – egal ob gebraucht, neu oder geschenkt– einen festen Parkplatz am Wohnort nachzuweisen. Bei der Beantragung des Nummernschilds muss der Autobesitzer diesen Beweis vorlegen. Ziel des Gesetzes ist ein flüssig laufender Verkehr und die Vermeidung von zusätzlichen Unfallrisiken, für die zugeparkte Straßen sorgen.

Eimsbüttel gehört den Autos

In Eimsbüttel sieht die Realität anders aus: Kleinwagen, die sich noch in die allerletzte Lücke quetschen, SUV, die so groß sind, dass ihr Heck weit in die Straße hineinragt, und verzweifelte Parkplatznomaden, die auf der Suche nach einer freien Stelle bereits zum dritten Mal um den Block kurven – sie bestimmen das Bild im Viertel.

Zugegeben, während meines Japanaufenthalts sind mir die parkplatzfreien Straßen gar nicht wirklich aufgefallen. Seit meiner Rückkehr jedoch vermisse ich die ungestörte Einsicht beim Straßeüberqueren und die nahezu stressfreie Parkplatzsuche. Aber bevor jetzt Nicht-Autobesitzer und Fahrrad-Enthusiasten zustimmend nicken und Autofahrer empört den Kopf schütteln: Auch Fahrräder dürfen in japanischen Großstädten nicht überall parken!

Auch Fahrräder müssen ins Parkhaus

Mal eben kurz zum Einkaufszentrum um die Ecke radeln und den eigenen Drahtesel an einem beliebigen Ort in Eingangsnähe abstellen funktioniert in japanischen Städten in der Regel nicht. Denn für Zweiräder gilt die gleiche Regel wie für PKW. Abstellen am Straßenrand ist tabu! Wer sich nicht daran hält, muss wie ein Autofahrer damit rechnen, früher oder später einmal abgeschleppt zu werden.

In japanischen Großstädten darf das Fahrrad nicht überall stehen. Parkhäuser und Tiefgaragen schaffen Abhilfe bei Parkplatznot. Foto: Annika Demgen

Die Parkplatzbesitzpflicht gibt es für Fahrräder zwar nicht, aber da das Abstellen auf öffentlichen Wegen untersagt ist, muss auf dem eigenen Grundstück oder im Fahrradabstellraum der Wohnsiedlung Platz gefunden werden.

Auch Fahrradfahrer sind also auf das Parkplatzangebot von Supermärkten, Kaufhäusern und Arbeitgebern angewiesen oder müssen einen kostenpflichtigen Parkplatz in der Umgebung nutzen. Als ich zum ersten Mal mit dieser Regel konfrontiert wurde, war ich erstmal genervt, um dann die drei Phasen der Gewöhnung zu durchlaufen: Auf schlichte Unkenntnis folgte trotzige Ablehnung, um schließlich doch die Vorteile anzuerkennen.

Schon bald genoss ich die geräumigen, überdachten und sicheren Fahrradparkhäuser. Mal führte ein Fahrrad-Fahrstuhl in eine Tiefgarage, mal half ein automatisches Laufband dabei, das Fahrrad wieder aus der Parkanlage zu schieben. Die erste Stunde war meistens umsonst, jede nachfolgende ab rund einem Euro zu haben. Dank Videoüberwachung und/oder Pförtner vor Ort wurde mein Fahrrad in Japan nie geklaut – in Eimsbüttel schon zweimal.

Automatische Laufbänder helfen dabei, Fahrräder aus dem Parkhaus zu transportieren. Foto: Annika Demgen
Automatische Laufbänder helfen dabei, Fahrräder aus dem Parkhaus zu transportieren. Foto: Annika Demgen

Alle Fahrräder werden registriert

Ein weiterer Vorteil: Alträderleichen sind in Tokio eine echte Seltenheit. Was sicherlich auch daran liegt, dass jedes Fahrrad beim Kauf unter Name und Adresse des Käufers registriert wird. Praktischerweise direkt im Fahrradladen. Ein extra Gang zur Polizei fällt also weg. Das bietet weiteren Diebstahlschutz und schafft eine Hemmschwelle, das Fahrrad in freier Wildbahn zu entsorgen.

Doch auch Eimsbüttels Fahrradinfrastruktur hat ihre Vorzüge – auch wenn hiesige Fahrradfahrer es mir sicherlich nicht glauben wollen –, Radwege sind hier besser. Breite Fahrradstreifen sind in japanischen Städten selten. In kleineren Straßen gibt es nicht mal Bürgersteige. Radfahrer müssen also meistens auf die Straße. Wahrscheinlich trägt auch dieser Umstand dazu bei, dass in Tokioter Haushalten durchschnittlich nur 1,2 Fahrräder zu finden sind, gegenüber 1,9 Fahrrädern in Hamburger Haushalten.

Bahnfahren in Eimsbüttel und Tokio

Auch abseits des Individualverkehrs laufen einige Dinge in Japan anders. Beim Thema Bahn sind die Dimensionen von Eimsbüttel und Shibuya allerdings kaum vergleichbar. Hier werden an einem Werktag am meisten Menschen von und zur Haltestelle Schlump transportiert. 2017 waren das durchschnittlich rund 65.000 Personen am Tag.

Am zentralen Bahnhof in Shibuya bewegten sich im gleichen Jahr stattdessen mehr als 370.000 Menschen täglich von und zur Station. Daher rechnete ich nach meiner Rückkehr damit, dass mir Eimsbüttels Rush Hour im Vergleich menschenleer und stressbefreit vorkommt. Das Gegenteil ist jedoch der Fall. Werktags ist die U2 zwischen Lutterothstraße und Schlump oft hoffnungslos überfüllt.

Dabei liegt das nicht unbedingt daran, dass wirklich kein Platz mehr im Waggon ist – wie zwischen bestimmten Haltestellen in Tokio. Stattdessen bleiben einfach viele Leute im Eingangsbereich stehen, auch wenn andere Teile des Waggons frei sind. In einer Kettenreaktion entsteht dadurch ein unnötiges Drängen und Schieben.

Dazu kommt der tägliche „Ich muss unbedingt diesen Zug erwischen”-Zwang einiger, die beim Sprung durch die sich schließende Tür weder Freund noch Feind kennen. Kaum eine Woche Pendelei vergeht ohne die verzweifelte Aufforderung eines Zugführers, doch bitte die Türen freizugeben. Immer wieder führt eine erfolgreich aufgestemmte Tür dazu, dass diese sich nicht mehr schließt. Sodass der Zugfahrer aussteigen und den Schließmechanismus manuell aktivieren muss. Die Folge: Verspätungen, schlechte Luft und entnervte Gesichter überall.

Tokios Bahnen sind geräumiger

Dass in japanischen Großstädten diese Dinge seltener sind, liegt nicht etwa daran, dass Japaner sich grundsätzlich besser benehmen. In-den-abfahrenden-Zug-Springer gibt es auch in Tokio. Ihnen machen aber zwei Umstände das Leben schwer: Zum einen gibt es viele Stationen, an denen sich zusätzliche Schiebeschranken vor den Zugtüren schließen, bevor dieser losfährt, zum anderen gibt es an jedem Bahnhof Personal, das sich um die Zugabfertigung kümmert.

Eine typische Tokioter Bahn. Foto: moritzklassen

Selbst wenn etwas passiert, muss also nicht erst der Fahrer bis zum Ende des Zuges laufen. Stattdessen kümmert sich das Stationspersonal, das darüber hinaus den Fahrgästen bei Betriebsstörungen und Auskünften Rede und Antwort steht. Und mitunter die Fahrgäste noch einmal dazu auffordert, in den hinteren Teil des Waggons durchzurutschen. Das Durchrutschen gelingt in Tokio übrigens besser, weil es nur an den Seitenwänden Sitzplätze gibt und keine Vierersitze, die in die Mitte des Waggons ragen. Für diese gemütliche Idee einer Bahnfahrt ist in Tokioter U- und S-Bahnen kein Platz. Solche Klönsitze gibt es nur in Regionalzügen.

Warteschlangen statt Wartegetümmel

Erst seit meiner Rückkehr ist mir zudem bewusst, wie vielen Menschen es in Eimsbüttel wichtig ist, möglichst als Erstes in einen Zug einzusteigen. Allmorgendlich wird erneut die Hackordnung ausgefochten, gerne ohne darauf zu warten, dass die Ankommenden erst einmal aussteigen.

Symbole auf dem Bahnsteig zeigen an, wo sich Passagiere für die nächste Bahn anstellen können. Foto: Annika Demgen

Tokios Bahnsystem kann sich solche Wartegetümmel nicht leisten. Dafür gibt es zu viele Menschen auf zu schmalen Bahnsteigen. Symbole auf dem Boden zeigen daher, an welcher Stelle sich die Passagiere für welchen Zug anstellen können. Bei besonders stark frequentierten Stationen gibt es sogar die Möglichkeit, sich nicht nur für den nächsten, sondern auch den übernächsten Zug separat anzustellen. So hoch ist das Passagieraufkommen und auch die Taktzahl der einfahrenden Züge. Die Einsteig-Ordnung ist in japanischen Großstädten also simpel: Wer vorne in der Schlange steht, steigt auch zuerst ein.

Eimsbüttel kann von Shibuya lernen

Einige meiner Beispiele aus Japan mögen einem extrem erscheinen. Parkplatzzwang beim Autokauf, ist das wirklich nötig? Das eigene Fahrrad nur an ausgewiesenen Orten abstellen zu dürfen, muss das sein? Und dann auch noch eingezeichnete Wartelinien auf den Bahnsteigen! So voll ist Eimsbüttel nun auch wieder nicht.

Es ergibt jedoch Sinn, Eimsbüttels Verkehr in größeren Maßstäben zu denken. Die Bevölkerungsdichte im Stadtteil liegt schließlich über der von Shibuya und wird wohl auch in naher Zukunft nicht stark zurückgehen. Wie also mit dem steigenden Verkehrsaufkommen umgehen?

Sand in den Kopf stecken und so weitermachen wie bisher löst jedenfalls nicht den alltäglichen Stress, der sich in den Gesichtern vieler Verkehrsteilnehmer in Eimsbüttel ablesen lässt. Warum also nicht mit einem Auge nach Tokio schielen und sich die notwendige Inspiration holen, um alten Problemen mit neuen Ideen zu begegnen?

Autorin Annika Demgen

Annika Demgen hat vier Jahre in Eimsbüttel und dann drei Jahre in Matsuyama (Shikoku, Japan) gelebt. Während dieser Zeit ist sie viel gereist und hat bei ihren häufigen Besuchen in japanischen Großstädten wie Tokio, Osaka und Kyoto auch den dortigen
Verkehrsalltag kennengelernt. Seit Frühjahr 2019 lebt sie wieder in Eimsbüttel. Auf ihrem Blog „Aus Japan“ analysiert sie deutschsprachige Berichterstattung über Japan und widerlegt ständig wiederkehrende Klischees und Falschdarstellungen.

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