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Boris Matchin und Amadeus Templeton in der Tonali Akademie. Foto: Rainer Wiemers
Geschäftsführer Boris Matchin und Amadeus Templeton in der Tonali Akademie. Foto: Rainer Wiemers
Blickpunkt: Musik

Klassik im Kiez

Boris Matchin und Amadeus Templeton sind klassische Musiker – und wissen, was in der Szene falsch läuft. Mit Tonali wollen sie die Klassik entstauben und in Eimsbüttels Nachbarschaft verankern.

Von Christian Litz

Heute gibt es hier klassische Kultur – früher wurde in der Halle Schnaps gebrannt. Heute ein außerschulischer Lernort – anfangs ein Pferdestall.

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Die Geschichte des Gebäudes im Kleinen Kielort 5 ist eine lange. Vor dem Krieg gehörte das Gebäude den Hamburger Guggenheims, die hier Süßwaren handelten und rechtzeitig vor den Nazis flohen. Nach dem Krieg war es ein Filmstudio. Später ein Biergroßhandel, ein Spirituosenhandel… Heute das Tonali. Ein Konzertsaal, eine Galerie, eine Akademie. Proberäume. Ganzheitliche Künstler­betreuung. Festivalbühne. „Ein Quellort der Kultur”, sagt Boris Matchin.

Er ist einer der beiden Geschäftsführer des Tonali. In Russland geboren. Studierte Cello. Mit 19 ging er nach Israel. Um besser Cello zu studieren. Er zog weiter nach New York, studierte, landete in Berlin, studierte. Dann jahrelang auf Tour mit Orchestern auf den großen Bühnen dieser Welt. Er gründete ein Streichquartett und ein Kammerorchester. Spielte oft in Hamburg. Wo er hängen blieb und am Ende in Eimsbüttel landete.

Boris Matchin aus Moskau, Amadeus Templeton aus dem Remstal

Amadeus Templeton, der andere Geschäftsführer, stammt aus dem Remstal bei Stuttgart. Er studierte Musik in Hamburg, wurde auch Cellist, ging auch auf die große Tour über die klassischen Bühnen der Welt, mit Orchestern, Duos, Quartetten. Lebt seit zehn Jahren in Eimsbüttel. Er gründete einen Musikverlag, der zum größten Deutschlands anwuchs. Den er verkaufte. Immer wieder spielte er mit Boris Matchin in Kammermusikensembles.

Amadeus Templeton ist gemeinsam mit Boris Matchin Geschäftsführer der Tonali Akademie. Foto: Rainer Wiemers
Amadeus Templeton ist gemeinsam mit Boris Matchin Geschäftsführer der Tonali Akademie. Foto: Rainer Wiemers

Die aktuelle Lage im Bereich klassische Musik fasst Matchin so zusammen: „Die Zeiten sind vorbei, in denen man Musiker wurde und dann auf die Bühne ging.” Es gibt inzwischen zu viele klassische Musikerinnen und zu wenige Konzerte. Talent wird gefördert in ein Nichts. „Die Ausbildung ist perfekt, sehr liebevoll. Aber du bekommst dein Diplom oder deinen Master of Music und bist arbeitslos.” Die Lösung des Problems wäre: „weniger Leute ausbilden” oder aber, jetzt die Idee der beiden, „die Leute anders ausbilden”.

Die Klassikszene habe sich gewandelt: Deren „Archi­tektur hat einen mühsamen Twist von der Beeindruckung zur Beteiligung der Nutzenden hinter sich – die Ikonen des 20. Jahrhunderts wirken prätentiös und gestrig’’. Das haben sie in einer Broschüre geschrieben. Und um das zu ändern, haben sich Matchin und Templeton zusammengetan.

Bei Tonali im Kleinen Kielort finden sich Proberäume, ein Konzertsaal, eine Akademie und eine Galerie. Foto: Rainer Wiemers

Sie bekamen Geld, um einen Wettbewerb für talentierte Musiker abzuhalten. Neun Jahre lang verteilten sie jährlich 30.000 Euro Preisgeld an die jungen, guten, talentierten. Daraus entwickelte sich über Umwege Tonali.

„Eimsbüttel ist eine soziale Plastik”

Die beiden erkennen, was sich andeutet, wenn andere es noch nicht sehen. Und sie haben eine Zaubergabe: Sie können sich im Fördergeld-Dschungel des Hoch-Kulturbetriebs behaupten. Wissen, wie man Anträge schreibt. Wie man Kooperationen startet. Wen man ins Boot holen muss. Sie kennen die Worte und Sätze, die man braucht bei den Anträgen. „Eimsbüttel ist eine soziale Plastik”, spielen sie im Gespräch ganz lässig auf Joseph Beuys an.

Insgesamt haben sie von der EU, vom Bund, von Stiftungen, der Stadt, von überall her, fünf Millionen Euro Kulturfördermittel in zehn Jahren bekommen. Das Potenzial sei immanent. Es müsse nur freigesetzt werden. Sie haben einen theoretischen Überbau aber auch den handfesten Pragmatismus, um mit Tonali durchzukommen. „Teilhabe stiften” und den „Partizipationsgedanken” weitergeben, wollen sie.

Mitmachen möglich machen – per App

Heute finden 60 bis 80 Veranstaltungen im Jahr im Tonali statt. Hochklassik, Chanson, Jazz, Performance-Konzerte, „abgefahrene Dinge”, so Amadeus Templeton. „Partizipation, Lernen, Lehren.” Organisiert ist Tonali als gemeinnützige GmbH. Mitmachen ist das große Thema. Mitmachen möglich machen. Hier schaffen die beiden einen eleganten, weil logischen Twist zur Gesellschaftspolitik: „Das Kulturleben wird sich weiter wandeln – und zwar deutlich.” Themen wie Nachhaltigkeit oder interkulturelle und interreligiöse Verständigung würden früher oder später auf das traditionelle Kulturangebot abfärben.

Auf der Tonali-Bühne findet man viele klassische Instrumente, unter anderem Geige und Klavier. Foto: Rainer Wiemers
Auf der Tonali-Bühne findet man viele klassische Instrumente, unter anderem Geige und Klavier. Foto: Rainer Wiemers

Deshalb die App, sie heißt Parti. Der Name spielt auf partizipieren an und auf Party, denn Spaß machen soll es auf jeden Fall, es geht ja um Musik. Parti soll für Teilhabe sorgen. Jeder, wirklich jeder, der die App auf seinem Smartphone hat, kann schauen, welche Veranstaltungen bei Tonali anstehen und ob er was beitragen kann: Die Bar machen? Check. Karten abreißen? Beim Bestuhlen helfen? Das Licht mit aufbauen? Den Sound mischen? Vielleicht gar mitspielen? Singen? Viele unbezahlte Jobs, für die man sich einfach aber verbindlich per Klick anmeldet. Wobei einige mit Schulungen verbunden sind.

Parti hatte vor und während Corona Probeläufe, wurde verbessert und jetzt ist sie seit ein paar Wochen endgültig online. Einen Teil der Kosten hat der Bezirk Eimsbüttel übernommen. 100.000 Euro Zuschuss habe es gegeben, sagt Amadeus Templeton.

„der Flair des Viertels”

Warum in Eimsbüttel? „Patriotismus”, sagt Amadeus Templeton. Er lebt mit seiner Familie hier, Boris Matchin ebenfalls. „Die Kinder gehen hier in Kitas, spielen hier. Wir kennen alle Spielplätze, die Yogastudios, wissen, wo der Kaffee schmeckt. Wir sind hier zuhause.” Und dann waren da diese Räume, die früher alles mögliche waren, aber noch nie viel mit Kultur zu tun hatten. Tonali passte gut hierher, es sei „der Flair des Viertels”, sagt Boris Matchin.

Sie organisieren auch Konzerte in der Elbphilharmonie, Tourneen, Festivals, Gastspiele. Kooperieren um den Globus. Bisher gaben sie 45 Musikstücke bei Komponisten in Auftrag. Haben drei Filme fürs Kino produziert, Filme über Musik im Tonali. Aber verankert sind sie eben hier.

Amadeus Templeton führt die Anlage in dem rechteckigen Konzertsaal vor, aus dem man in die ganze Welt strahlen kann, auf höchstem technischen Niveau. Ein Übungsraum. Und ja, es gibt auch Konzerte, die man sich anhören kann. Bei allen Veränderungen, ganz wollen sie dann doch nicht darauf verzichten in den neuen Zeiten der Klassik. Oder, in Tonali-Worten: „Natürlich lässt sich das über mehrere Jahrhunderte aufgebaute Beeindruckungs-Konzert nicht über Nacht einfach so ändern.” Sie wollen schon noch „Klassik in deinem Kiez” anbieten.

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