Maskenbildnerin in Eimsbüttel – „Ich krieche in das Gesicht hinein“
Sie schminken, stylen, suchen und verleihen – und tauchen beim fertigen Film höchstens im Abspann auf. Was die Berufe jenseits von Schauspielerin und Regisseur beim Filmdreh leisten, bleibt meist im Dunkeln. Wir wollen sie ins Scheinwerferlicht rücken. Heute: zu Besuch bei der Eimsbütteler Maskenbildnerin Maike Heinlein.
Von Christiane TauerWenn Maike Heinlein arbeitet, dann mit Haut und Haaren. Und das ist nicht nur bildlich zu verstehen, sondern auch wörtlich. Die 44-Jährige ist Maskenbildnerin und an Filmsets für die optische Verwandlung von Schauspielern in ihre Filmrolle zuständig. Ob Augenringe, Schürfwunden, Schnurrbart oder Pickel – Maike Heinlein kann alles zaubern.
»Wie kann ich unterstützen, was die Figur sagen soll?«
Wie viel Wimperntusche lässt die Person glücklicher wirken? Wie sieht welche Verletzung Jahre später als Narbe aus?
Solche Fragen, die für Ausstehende im Einzelnen eher nebensächlich erscheinen, sind in der Summe für die Komposition eines Films essenziell.
„Jeder, der bei Filmen mitspielt, geht durch die Maske”, sagt Maskenbildnerin Maike Heinlein. Niemand werde so gefilmt, wie er gerade zufällig am Set erscheine. Es ist wohl so wie bei vielen anderen Dingen im Leben: Erst wenn etwas nicht mehr da ist, merkt man, dass es fehlt.
Die Bärte von Xatar
Das Herzblut, das Maike Heinlein in ihren Job steckt, lässt sich auch an der Fülle der Kisten und Quasten in ihrem Arbeitszimmer in der Marthastraße ablesen. Zwei bis unter die Decke reichende Regale sind voll mit Make-up und Equipment für Haare und Spezialeffekte. Noch mehr Utensilien stehen auf dem Dachboden. „Ich bringe alles selbst mit zum Set.” Schließlich ist sie mit ihren eigenen Materialien am besten vertraut.
Mit spitzen Fingern holt sie eine durchsichtige Plastikfolie mit aufgenähten Härchen aus einer Kiste: falsche Schnurr- und Kinnbärte. „Die stammen noch von meinem letzten großen Projekt.” Fatih Akins „Rheingold” war das.
Die Verfilmung des Lebens von Xatar, dem Rapper aus dem Iran, der erst zum Kriminellen und dann zum Musikstar wurde. Im Oktober 2022 kam der Film in die Kinos. Die Bärte waren für den Hauptdarsteller.
Jeder geht durch ihre Hände
Fünf Monate war Maike Heinlein als Chefmaskenbildnerin für „Rheingold” im vergangenen Jahr im Einsatz, von Juli bis Dezember. Drehorte waren Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Berlin, Hamburg, Marokko und Mexiko.
Der Cast umfasste 78 Rollen, es gab 2000 Komparsen-Einsätze. Und jeder Darsteller ging durch ihre Hände.
Mit am aufwändigsten: die Optik von Xatars Eltern. Es waren für den gesamten Film dieselben Schauspieler, die alle Altersstufen darstellten – vom jungen Hochzeitspaar bis zu Mittfünfzigern. Entsprechend mussten Falten, Make-up, Haare und Zähne in den Szenen angepasst werden.
Eine Filmfigur entwickeln
„Rheingold”, da ist sich Maike Heinlein sicher, war eines der aufwändigsten Projekte ihrer mehr als 20-jährigen Maskenbildnerinnen-Zeit.
Um Projekte wie diese umsetzen zu können, nimmt Maike Heinlein das Drehbuch detailliert auseinander, recherchiert, spricht mit dem Regisseur und stimmt sich mit der restlichen Crew ab, vor allem dem Kostümbildner. Das ist deshalb wichtig, weil sich nur in der Zusammenarbeit eine Figur stimmig entwickeln lässt.
„Lola“ für bestes Maskenbild gewonnen
„Man muss gefühlt 24 Stunden verfügbar sein”, sagt die Maskenbildnerin. Einer der Gründe, warum sie dafür kämpft, dass das Maskenbild – ein klassischer Frauenberuf – im Filmgeschäft ernster genommen wird.
Sie selbst hat 2019 den Lohn ihres Einsatzes ernten können: Für den Film „Der Goldene Handschuh” – vor allem für die Verwandlung des Schauspielers Jonas Dassler in den Frauenmörder Fritz Honka – hat sie zusammen mit Lisa Edelmann und Daniel Schröder den Filmpreis „Lola” für das beste Maskenbild erhalten.
Was die Berufe jenseits von Schauspielerin und Regisseur beim Filmdreh leisten, bleibt meist im Dunkeln. Wir wollen sie ins Scheinwerferlicht rücken. Über das mobile Heim am Set aus Eimsbüttel: