
Über eine dunkle Kindheit in Eimsbüttel
Sven Dethlefsen ist im Eimsbüttel der Nachkriegszeit aufgewachsen – in ärmlichen Verhältnissen, ohne Zugang zu Bildung. Über seine Kindheit und Jugend hat er nun ein Buch geschrieben.
Von Julia HaasWie war es im Eimsbüttel der Nachkriegsjahre aufzuwachsen? Es hat gestunken, erinnert sich Sven Dethlefsen. Noch heute habe er manchmal den Geruch von Urin und Schmutz in der Nase. Es war eine Kindheit am untersten Ende des Laternenpfahls, sagt er. Dort, wo alle hinpinkelten, wo das Licht am schwächsten war.
In seinem autobiografischen Roman „Aschenputtels kleiner Bruder“ beschreibt Dethlefsen die ärmlichen Jahre mitten in Eimsbüttel – im Fischladen in der Hartwig-Hesse-Straße oder im Hochhaus in der Amandastraße. Er erzählt von einem Jungen, der ausgegrenzt wurde – von anderen Kindern und dem Bildungssystem. Und von einem Jungen, der den Widerständen zum Trotz seinen Weg fand.
Eine Kindheit in ärmlichen Verhältnissen
Dethlefsen führte mehrere Jahrzehnte einen Malereibetrieb in der Sillemstraße. Wenn er seine Erinnerungen in Worte verwandelt, fließen mal Tränen, mal lacht er. All die Geschichten aufzuschreiben, sei wie Therapie gewesen, sagt er. Der Druck, alles loszuwerden, habe dadurch nachgelassen.
Dethlefsens Leben begann in einem Waisenhaus, fernab des elterlichen Fischladens in der Hartwig-Hesse-Straße. Zu seinem vierten Geburtstag holten ihn seine Eltern zurück nach Hause. Weil sein Vater unter den körperlichen Folgen des Kriegs und seiner Gefangenschaft in Sibirien litt, gaben sie kurze Zeit später den familiären Betrieb auf. Fortan war die Mutter dafür zuständig, die Familie zu ernähren. Sie arbeitete halbtags in einer kleinen Drogerie in der Weidenallee.
Sonja und Sören wurden auf der Straße gehänselt, und sie schämten sich für ihre Armut. Dies war zwar ein Arbeiter-Stadtteil, doch jeder Mülleimerfahrer oder Hilfsarbeiter brachte das Drei- bis Vierfache als Lohn mit nach Hause.
Im Roman nennt sich Sven Dethlefsen Sören. Er hat alle Namen geändert – auch den seiner älteren Schwester Sonja.
„Sonderschule für Lernbehinderte“
Zu Beginn der Corona-Pandemie setzte sich Dethlefsen an den Schreibtisch und begann zu tippen. Während er die Seiten mit seinem Leben füllte, übernahm seine Frau Margret den grammatikalischen Feinschliff. „Ohne sie würde es dieses Buch nicht geben“, sagt er.
In seinem Buch beschreibt Dethlefsen, wie er als Junge auf dem Abstellgleis landete – aussortiert und abgeschottet. Er wurde auf eine Hilfsschule geschickt; „eine Sonderschule für Lernbehinderte“. Statt Förderung erfuhr er Gleichgültigkeit. Seine Lehrer interessierten sich nicht für ihn – sie waren keine ausgebildeten Sonderpädagogen, sondern unvermittelbare Nazis. So beschreibt es Dethlefsen.
Bildungsungerechtigkeit: Dethlefsen will Vorbild sein
Lichtblicke boten Dethlefsen das Schwimmen und die Musik. Dinge, die ihm Spaß bereiteten – und die ihn sichtbar machten.
Dethlefsen hat all das aufgeschrieben, um ein Vorbild zu sein. Für benachteiligte Kinder ohne Perspektive. Sie sind kein Phänomen der Nachkriegszeit. „Bildungsungerechtigkeit besteht bis heute“, sagt er.
Das Buch endet mit seinem 20. Lebensjahr – seine Geschichten nicht. Dethlefsen hat noch viel zu erzählen. Die Fortsetzung ist bereits in der Mache.

Sven Dethlefsen plant, mit der Schauspielerin Angelika Thomas Lesungen durchzuführen. Dafür ist er auf der Suche nach interessierten Buchhandlungen in der Nachbarschaft.
lokal. unabhängig. unbestechlich.
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